Skepsis ist das erste, was mich befiel, als ich zum ersten Mal über einen neuen Trend bei Tequila las – „rosa“. Abgesehen davon, dass die Farbe einer Spirituose ein nicht besonders zuverlässiger Gradmesser für egal was ist, habe ich einfach schon zuviele grellgelbe, neongrüne und babyblaue Mittel- bis Hochprozenter gesehen, die sich rein über die Farbe definieren und mehr der unanständig anspruchslosen Partygesöffszene zuzuordnen sind, als dass ich das wirklich auf meinen so viel elitäreren Schnapsradar nehmen würde. Nachdem ich aber den Mayaciel Rosa Tequila Blanco probiert habe, und mich mit den Machern hinter dem Agavenbrand ein bisschen freundlich unterhalten habe, bin ich zumindest für diesen Fall sicher – das ist eben kein Gimmickgetränk, sondern ein neuer Stil, den wir in Zukunft häufiger sehen werden.
Was ist ein Tequila Rosa nun? Es gibt aktuell noch keine CRT-Regelung dafür, daher kann das jeder Hersteller letztlich für sich entscheiden. Wer es gut machen will, wie Mayaciel, der setzt natürlich keine Farbstoffe ein, um die namensgebende Wunschfarbe hervorzubringen. Für den zugrundeliegenden Blanco nimmt man hauseigene Agaven der Hacienda de Oro (NOM 1522) mit gutem Reifegrad und nicht monokulturell angebaut, führt nach dem Kochen und Zerkleinern eine wilde Fermentation mit lokalen, freien Hefen aus der Umgebung durch, und brennt das dann in einer Edelstahlpotstill zweimal. Abgeschaut von österreichischen Obstbrennern hat man sich das Nachreifen in Edelstahltanks; die 3-4 Monate sollen dem Destillat etwas Ruhe und Integration verschaffen, aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das kein Marketinggelaber ist. Man traute sich, einen für Tequila vergleichsweise hohen Alkoholgehalt von 44% einzustellen, mit Wasser aus dem eigenen Brunnen. Im Anschluss kommt dann die Besonderheit des Mayaciel Rosa: eine Einlagerung in frische Ex-Malbec-Fässer, und nach maximal 4-6 Wochen hat die Rotweinvorbelegung erreicht, was man sich erhofft hat, eine natürliche Färbung und, das wollen wir jetzt direkt gemeinsam ausprobieren, idealerweise natürlich auch unter der Oberflächlichkeit der Farbe auch eine eigene Aromatik!
In der Flasche sieht der Tequila eher rötlich aus, im Glas dagegen hat er schon einen Farbton, den man auch mit Roséwein verbindet, irgendwo zwischen hellem rotbraun und, nun, rosa eben, eine natürliche und aus dem Herstellungsprozess verstehbare Farbe, nicht so offensichtlich künstlich, wie manche rosafarbenen Spirituosen sind. Lebendig wirkt er beim schwenken, etwas Viskosität ist sichtbar, vor allem am gittrigen Muster, das danach an der Glaswand verbleibt.
Ich hatte keine Vorstellung, wie so ein Tequila riecht, und bin unvoreingenommen mit der Nase ins Glas gegangen. Von Anfang an entdeckt man dabei eine Melange aus Agave und Rotwein, wobei keines das andere überwältigt, die Eindrücke wechseln von Sekunde zu Sekunde zwischen vegetal-mineralischer Agave, fruchtig-schwefeligem Rotwein und vanillig-süßem Holz. Dabei bleibt der Mayaciel Rosa hell und frisch, ich würde sogar sagen leicht und elegant, mit angemessener Komplexität, einer eigenen Identität und dennoch erkennbarer Typizität.
Im Mund ist dann erstmal gewohnter Blanco-Tequila-Geschmack dominierend, mit schöner, schwerer Agavensüße und -würze, klar mineralischer Helligkeit, und einem sauberen Geschmacksbild, aber angenehmer Algigkeit und kiesigen Eindrücken. Die Textur ist weich und voll, die für einen Tequila durchaus gehobenen 44% Alkoholgehalt sind initial darin wunderbar verpackt, zeigen sich im Verlauf dann durch leichtes Prickeln im gesamten Mundraum, ohne scharf zu brennen. Hier spürt man dann auch das Rotweinfass, sowohl von der weinig-traubigen Aromatik, ganz dezent nur, als auch von den Holzeinflüssen, mit etwas Vanille. Im Abgang blüht der Rotwein kurz deutlich auf, übernimmt für ein paar Sekundenbruchteile vollständig, und zerfließt dann wieder in die Agave, während kräftige Trockenheit und milde Bittere den Nachklang effektvoll bestimmen, der mit einer ganz vorsichtigen Schwarzpfeffrigkeit eine ganze Weile anhält.
Ich habe ja oben schon indirekt zugegeben, dass ich hatte das neue Konzept eines Tequila Rosa zunächst für ein Gimmick gehalten hatte, mit dem man einfach eine oberflächliche neue Idee pushen will. Beim Mayaciel Rosa verliere ich dieses Vorurteil sofort, denn hier ist die Farbe nur Ausdruck der Identität dieses Produkts, die viel tiefer liegt. Gelungenes Handwerk, würde ich sagen, Innovation, ohne billig zu werden. Hier kann auch der Tequilafreund, der Qualität über Spaßfaktor stellt, ohne Bedenken mal reinschnuppern!
Wenn man so drüber nachdenkt, ist es eigentlich völlig offensichtlich, den Mayaciel Rosa in einem Cocktail unterzubringen, der Pinky Gonzales heißt. Man würde ihn wahrscheinlich normalerweise mit einem klassischen Blanco mixen, doch die zusätzliche Farbe, die der Mayaciel hier mitbringt, macht dem Namen des Drinks natürlich alle Ehre. Und es ist ein klassischer Cocktail aus der Tikischmiede von Trader Vic, womit man zeigen kann, dass auch Tequila seinen kleinen aber feinen Platz in dieser Alternativrealität hat.
Pinky Gonzales
2oz / 60ml Tequila (idealerweise Rosa!)
½oz / 15ml Limettensaft
½oz / 15ml Orange Curaçao
¼oz / 7ml Zuckersirup
¼oz / 7ml Orgeat
Auf crushed Eis shaken. Unabgeseiht im Glas servieren.
[Rezept nach Trader Vic]
Die Flaschenform kenne ich, sie ist eine gute Mischung aus funktionaler Handhabbarkeit und optischer Gefälligkeit; mit einem Plastikkorken hat man eine zukunftsfähige, moderne Wahl getroffen, das Holz oben auf dem Stöpsel bietet etwas angenehme Haptik zum Ausgleich. Modern ist das Etikett ganz sicher, mit hübschen Glanzeffekten, passend zum Inhalt der Flasche, ich freue mich immer, wenn Spirituosen diese allzu häufige Kitschigkeit ablegen und zeigen, dass sowohl Produzenten als auch Konsumenten sich weiterentwickelt haben. Von Hand aufgetragene Batchnummern und Abfülldaten, wie man sie hier findet, sind darüber hinaus immer gern gesehen. Eine Massenproduktion findet nicht statt, die Gründer Christoph und Jonas halten sich unabhängig und ohne reinredende Investoren; angefangen haben sie mit 1000 Flaschen finanziert aus Privatkapital, und man kommt trotzdem so langsam im Markt an.



Wie man sieht, sind die anderen zwei Produkte im Mayaciel-Portfolio in analogem Design gehalten, durchgängig und klar über Farbensprache gesteuert: ein Blanco steht ebenso bereit wie ein Reposado, um die Klammer um den Rosa zu bilden. Beide werde ich sicherlich auch noch besprechen, in naher Zukunft, und ich freue mich schon darauf – Tequila ist für mich einfach der König der Spirituosenwelt.
Offenlegung: Ich danke Mayaciel für die kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche ihres Tequilas, und für die freundlichen Gespräche!