Die Firma DDL (Demerara Distillers Limited) hat einen besonderen Platz in meinem Herzen. Der erste Qualitätsrum, den ich willentlich und aktiv bestellt hatte, war der El Dorado 12, der Startpunkt für alles, was bei mir bezüglich Spirituosen danach passiert ist, und damit auch der Gründungsmythos für diesen Blog. Darüber hinaus hat der Brenner in Guyana über die Jahrzehnte eine legendäre Sammlung an Brennapparaten zusammengesammelt, die einzigartig auf der Welt sind, und mit denen dort eine theoretische Bandbreite an Produkten hergestellt werden können wie kaum woanders – ich erwähne nur einfach stellvertretend für viele ungewöhnliche Apparate die Port Mourant Double Wooden Pot Still, die allein für feuchte Träume bei vielen Rumfreunden sorgt. Wer sich für derartige Themen interessiert, dem lege ich weiterhin das epochale Essay über Guyana-Rumhistorie von Marco Freyer ans Herz.
Die Marke El Dorado stammt von dort, und vor der Hydrometerrevolution Mitte der 2010er Jahre galt diese Marke als mit die Krönung der Rumkunst. Durch das Aufdecken des systematischen, üppigen Zuckerzusatzes (die alte Abfüllung hatte in unterschiedlichen Messungen 31-38g/L!) litt der Ruf deutlich, und mit der Änderung der EU-Spirituosenverordnung wird seit ein paar Jahren auch DDL rechtlich schließlich dazu gezwungen, sich entweder zu entscheiden, ihren Brand nicht mehr als „Rum“, sondern als „Spirituose“ zu kennzeichnen, oder eben den Zuckergehalt zu reduzieren, wenn man weiterhin am großen, lukrativen europäischen Markt teilhaben will. Man hat sich für letzteres entschieden, und ich will nun anhand des El Dorado Finest Demerara Rum Aged 15 Years herausfinden, was das für den Geschmack bedeutet!

Farblich geht die Flüssigkeit schon ins Rost- oder Hennarote über, über die Natürlichkeit lässt sich bei derartigem Rum natürlich streiten, ich will es hier nicht überbewerten. Hübsch ist es jedenfalls, wie auch die lebendige Beweglichkeit im Glas, mit leichter Viskosität, die sich in breiten, dicken Beinen an der Glaswand zeigt.
Die Nase ist initial durchaus alkoholisch, mehr, als es bei 43% Alkoholgehalt sein müsste, schnuppert man zu tief, piekst es sogar ein bisschen auf der Nasenschleimhaut. Geht man darüber hinweg, finde ich eine Mischung aus Trockenfrucht und Nussigkeit, Melasse, Orangenzeste und Pflaumen verbinden sich mit Mandeln und Macadamia, und das tröstet sehr über die alkoholische Note hinweg – ein sehr angenehmer Duft an dieser Stelle. Angebranntes Karamell, Kokosnuss, eine gewisse Ledrigkeit und dunkle Tabakblätter, ohne dabei wirklich selbst dunkel zu wirken, denn ein Ticken Kardamom bringt leicht mentholische Frische als Konter.

Im Mund setzt sich dieser zuletzt erschnupperte, positive Eindruck nahtlos fort, Melasse, Pflaumenkompott, Karamell und Ahornsirup wirken natürlich süß und schwer, Orangenzeste und Kardamom frischen auf. Eine leicht phenolische Note kommt dazu. Das Mundgefühl kann dabei nicht so wirklich mithalten, es wirkt etwas dünn im Vergleich zur schweren Aromatik. Im Verlauf entsteht pikante, feurige Würze und auch leicht alkoholische Hitze, die dann wieder abklingt und ein angenehmes, leicht kitzelndes Prickeln auf Zunge und Gaumen hinterlässt. Der Nachklang ist dann fruchtigfloral, mit einer Mischung aus Pfirsich und Jasmin.
Insgesamt muss ich sagen, dass die Entscheidung, sich vom starken Zuckerzusatz zu lösen, eine gute war – der Rum funktioniert sehr gut auch ohne den Zucker. Mit etwas mehr Volumen und Kraft wäre das sogar ein richtiger Spitzenrum, in der vorliegenden Form fehlt ihm nur eben diese Dichte, die ihn in die Höchstklasse befördern würde (ich wage zu behaupten, dass dies auch der Grund für die ursprüngliche Süßung war, denn der Zucker hat diese Schwächen zweifelsfrei ausgeglichen).
Aromatisch kann er jedenfalls überzeugen, und der eigene Guyana-Geschmack macht ihn besonders interessant für Cocktails, die von Spirituosen mit eigenem Charakter profitieren: weniger Tiki, mehr klassische Pre-Prohibition-Drinks. Wie der Kennedy Manhattan. Gerade der Löffel Süße bringt dann die Dichte, die der Rum allein nicht schafft, dazu, und Ahornsirup passt meines Erachtens sehr gut zum El Dorado 15.

Kennedy Manhattan
2 oz gereifter Rum
⅔ oz süßer weißer Wermut
4 Spritzer Boker’s Bitters
1 Teelöffel Ahornsirup
Auf Eis rühren.
[Rezept nach Carl Wrangel]
Die Flasche ist archetypisch, für viele der Ausprägungen des Rums gleich, nur mit unterschiedlichen Etiketten versehen – optisch gefällt es mir sehr, und sie liegt auch gut in der Hand. Will man die ungesüßte Variante kaufen, muss man etwas aufpassen – leider steht nichts vom Zuckergehalt auf diesem Etikett, obwohl gut Platz dafür wäre. Alle neuen Abfüllungen sind ungesüßt, doch es gibt noch genug alte Abfüllungen auf dem Markt: man sollte darauf achten, dass der Randstreifen des Etiketts nur goldfarben ist, nicht rot-und-gold. Und zuguterletzt hat sich DDL auch noch den Spaß erlaubt, den Zucker schrittweise zu reduzieren. Ich habe, wie unten gezeigt, zwei Flaschen mit unterschiedlichem Zuckergehalt zuhause.



Die Hydrometermessung der einen Flasche bei mir hat ~21g/L ergeben (43% vs. 37% bei 21,5°C), und nachdem meine geschätzten Bloggerkollegen Ivar und Artur gemeldet hatten, dass ihre Flaschen bei fast 0g/L gemessen wurde, habe ich mir eine zweite aus einem anderen Abfülljahr gekauft, und diese dann auch mit praktisch ~0g/L gemessen. Der einzig nach außen erkennbare Unterschied ist der auf den Flaschenhals aufgedruckte Code mit einem Datum – 2019 hat noch Süßung, 2020 nicht mehr. Ich empfehle, darauf zu achten, wenn möglich; keine gute Situation, aber das Problem wird sich über die Zeit wohl selbst erledigen. Immerhin hat DDL ungewollt damit die spannende Situation geschaffen, dass der geneigte Rumfreund sehr unterschiedliche Versionen desselben Rums probieren kann, und selbst nachvollziehen, was Süßung alles ausmacht. „Bildungstrinken“ nenne ich das gerne.