„L’union fait la force“, salopp übersetzt „Gemeinsam sind wir stark“, steht in geschwungenem Kursiv auf dem Etikett des Clairin Communal Ansyen. Das fungiert hier irgendwie in doppelter Weise. Einerseits ist es der Wahlspruch auf dem offiziellen Staatswappen von Haiti, was vielleicht den stark national geprägten Charakter von Clairin als Spirituosenkategorie betonen soll, andererseits spielt man damit natürlich aber hautpsächlich auch auf den Zusammenhalt der vier Brennereien an, die die Bestandteile für diesen Gemeinschaftsblend bereit gestellt haben, und die wir als interessierte Spirituosenfreund:in inzwischen sehr gut kennen: Sajous, Vaval, Casimir und Le Rocher. Ich habe bereits über einige davon berichtet.
15 Fässer, hauptsächlich mit Rum vorbelegt, aber auch welche, die vorher Whisky beinhaltet hatten, dienten als Basis für den Ausbau. Zwischen April 2017 und Dezember 2018 fand die Reifung statt, das Destillat hat also rund 20 Monate tropische Holzlagerung hinter sich – für andere Spirituosengattungen recht wenig, man muss dabei berücksichtigen, dass man erst vor kurzem begonnen hatte, Clairin überhaupt in Holz zu lagern, über eines der ersten Experimente diesbezüglich hatte ich hier schon geredet und angekündigt, dass wir neben dieser Art limitierter Single-Cask-Abfüllung bald auch Standardabfüllungen dafür bekommen würden. Und wenige Monate später ist er da, der gereifte Standard, und wir gießen ihn uns ins Glas!
Die Farbe gefällt dem kritischen Auge – hellen Bernstein mit orangenen und fast weißen Lichtreflexen, zusammen mit der nur leichten Viskosität wirkt der Brand leicht und lebendig im Glas. Hübsch auch die dünnen Beinchen mit dickem Kopf, die nach dem Schwenken zügig ablaufen.
Die Nase des Clairin Communal Ansyen hat eine interessante Mischung aus zwei eigentlich sehr verschiedenen Eindrücken: Einerseits ist da klare Grasigkeit, Lakritz, Fenchel und frischer Zuckerrohrsaft; andererseits direkt von Anfang an eine karamellige Buttrigkeit, die irgendwo zwischen Kinopopcorn, Kokosfleisch und gerösteter Mandel schwingt. Da kommt im Verlauf noch etwas Floralität dazu, Lavendel und Rose – man sieht, ein sehr komplexes Bouquet mit vielen Schichten, die sich abwechseln, je nachdem, in welchem Winkel man die Nase ins Verkostungsglas hält. Am Ende meine ich sogar noch etwas Maritimes dazuzuentdecken, leichte Mineralität vielleicht. Alkohol riecht man schon auch, aber ohne, dass er piekst.
Im Mund tauchen, nachdem die erste Süße direkt den Gaumen belegt, sofort sehr esterige Fruchtnoten auf, überreife, tropische Früchte, ganz besonders leicht teerig gewordene Guaven und vergorene Ananas, vielleicht auch Mirabellen, die man von der Streuobstwiese aufgesammelt hat, nachdem sie schon ein bisschen länger vom Baum gefallen waren. Da ist schon Würze drin, sowohl warmer Zimt und als auch kalter Kardamom, etwas Vanille vom Fass und dann geschmacklich auch diese Buttrigkeit, die man schon erschnuppert hatte, die mit weichem Karamell und fast schon einem Touch von Nougat einhergeht. Nach kurzer Zeit wird die Süße durch kräftige, leicht astringierende Trockenheit abgelöst, die sich brummend auf die Zunge legt und sie kitzelt, überhaupt nicht unangenehm fühlt sich das an, der Alkohol von 49,3% ist sauber integriert, das Geschmacksbild aber schon eher zum „Dreckigen“ hin tendierend, etwas, das man bei derartigen Bränden natürlich sucht, auch wenn sich der deutsche Obstbrenner dabei unwohl fühlen mag.
Im Abgang ist dann eine sehr lange, milde aber wirksame Grasigkeit da, Blattschnitt, grünes Gras, Heu und mit Anflügen von Lakritz und Anis versehen, die gelungene Süßsauerbalance und leichte Salzigkeit saugt noch eine Weile etwas Spucke an, man muss den Brand aktiv aus dem Mund kauen, wenn man ihn loswerden will – aromatisch dicht und effektvoll, ohne dabei zu überdrehen: das Holz hat dem ursprünglich doch wilden, ungezähmten, manchmal schon aggressiven Clairin etwas den spitzen Zahn gezogen und eine wirklich schöne Gemeinschaft aus Aromen erzeugt. Das Holzexperiment ist voll gelungen, finde ich.
Das trinkt sich angenehm pur, im Gegensatz zu vielen ungereiften Clairins, die ich zwar sehr interessant und spannend finde, die mir aber im Purgenuss zu wildaromatisch sind, um das am Abend im Tumbler wirklich genießen zu können. Und natürlich zeigt sich so ein Brand wie der Clairin Communal Ansyen dann auch im Cocktail von seiner besten Seite, die esterige Frucht liefert die sowohl die aromatische Basis für den Cherry Blossom, als auch die Länge und Komplexität, um den Drink nicht zu einem reinen Saftcocktail verkommen zu lassen.
Cherry Blossom
1½oz / 45ml leicht gereifter Rum
½oz / 15ml Blue Curaçao
1oz / 30ml Cream of Coconut
1oz / 30ml Ananassaft
¾oz / 23ml Limettensaft
½oz / 15ml Zimtsirup
Auf crushed ice shaken. Mit Zimtstange, Limettenrad und Minze servieren.
[Rezept nach Justin Wojslaw]
Ein paar Worte zur Präsentation – LM&V hat für die von ihnen importierten Clairins eine klare Sprache gefunden, die Flasche ist einfach und gerade, damit will man bestimmt dem ursprünglichen Charakter des Clairin gerecht werden, der gar keine verrückte Flaschenform vertragen würde. Ein funktionaler Plastikkorken wie hier sollte Standard sein heutzutage. Das Etikett ist ähnlich wie bei den anderen Abfüllungen von LM&V künstlerisch gehalten, wir sehen eine Person mit Flasche und Messer in den Händen, deren Körper von einem gemusterten Herz bedeckt wird, dazu viele Symbole, deren Bedeutung sich mir nicht spontan erschließt, aber in der Kultur Haitis sicherlich einen tieferen Sinn haben. Ich weiß zu schätzen, dass hier Bezug auf die Herkunftsregion genommen wird.
Wir sind inzwischen in einer Situation, dass in Deutschland eine Vielzahl von haitianischen Bränden verfügbar ist, nach LM&V/Kirsch ist nun auch FFL-Rum-Brands in den deutschen Import eingestiegen und bietet mehrere Sorten Clairin an. Man hat also eine beträchtliche Auswahl, und damit kommt ja auch automatisch die Qual der Wahl für den Konsumenten, der sich Clairin annäheren will. Wer schon den ungereiften Clairin kennt, und nun auch mal ausprobieren will, wie sich Clairin in Holz gereift anfühlt, der ist sicherlich mit dem Clairin Communal Ansyen bestens bedient, vor allem mit dem guten Preisleistungsverhältnis.