Karibische Rumreise – Rum Artesanal Barbados WIRD, Guyana VSG und Jamaica HD

Rum Artesanal Barbados WIRD, Guyana VSG und Jamaica HD Titel

Als Dominik Marwede noch bei Rum Artesanal verantwortlich war für die Single Casks, war es immer das gleiche: Er kündigte eine Abfüllung an, den Followern seiner Seite lief der Sabber aus dem Mund und kaum war die Abfüllung kaufbereit, war sie schon weg und das Geheule ging los – wieder nichts bekommen! Die Spezialistenblogs für Rum (nein, ich zähle mich nicht wirklich dazu, ich bin eher ein Spirituosengeneralist denn ein -spezialist) machten immer schon vorab laut Stimmung, kein Wunder, es waren meist auch wirklich außergewöhnliche Fässer, die Dominik da an Land zog. Ich wünsche ihm alles Gute für die Zukunft! Einen Teil seines Erbes darf ich hier nun vorstellen, drei Rums aus der Single-Cask-Reihe des deutschen unabhängigen Abfüllers. Rum Artesanal WIRD Rockley Style 2000/2021 aus Barbados, Rum Artesanal Guyana Enmore Distillery „VSG“ 1985/2021 aus Guyana und Rum Artesanal Hampden HD 1990/2021 aus Jamaica. Allein die Namen sind schon klangvoll; lassen wir die Rumreise durch die Karibik beginnen.

Die West Indies Rum Distillery (meist praktisch abgekürzt zu WIRD) ist eine der vier auf Barbados verbliebenen Destillerien. Der Rum Artesanal WIRD Rockley Style 2000/2021 Single Cask Barbados Rum kommt als erster ins Glas, nach der Destillation wurde er laut den Angaben auf dem Etikett 21 Jahre gereift und dann mit 47,1% abgefüllt; nur knapp über 300 Flaschen resultierten aus dem Fass. Ich hätte mir gerne eine ganze Flasche davon gegönnt, allein war sie schon, wie bei vielen Rum-Artesanal-Single-Casks, schon kurz nach Veröffentlichung ausverkauft. Immerhin komme ich durch das Sample an die Möglichkeit zu prüfen, ob ich wirklich was verpasst habe.

Rum Artesanal WIRD Rockley Style 2000-2021 Single Cask Barbados Rum

Helles, etwas blasses Gold, ein sehr ehrlicher Farbton, an dem offensichtlich nicht nachgeholfen wurde. Dicke Schlieren bilden sich an der Glaswand, gemütlich laufen sie ab. In der Nase finde ich zunächst den Geruch von Wachs, insbesondere das von Wachsmalstiften, es ist ein typisches Kennzeichen dieser Rumart, die man in Kennerkreisen „Rockley“-Stil nennt. Pfirsich und Honig, ein bisschen einer medizinalen, harzigen, fast phenolischen Komponente gibt Charakter. Feuchte Schwarztee- oder Oolongteeblätter übernehmen die Nase nach einer Weile. Initial wirkt der Rum im Mund süßlich, nach Pfirsich, Honig und eben diese Teeblattnote. Eine leichte Säure kommt auf, dazu eine milde Bittere – aber insgesamt finde ich kaum wirklich Aufregendes am Gaumen. Der sehr kurze Spannungsbogen lässt nach der Vorfreude des Geruchs etwas Enttäuschung zurück, der kurze Abgang bestätigt dann das weiter, da bleibt kaum etwas zurück. Mein etwas flapsiges Fazit: Tolle Nase, wenig dahinter. Um zurückzukommen zum Anfang der Verkostung: ne, ich habe nichts dramatisches verpasst.

Ich ahne schon, dass sich das mit dem nächsten Sample ändert. Der Rum Artesanal Guyana Enmore Distillery „VSG“ 1985/2021 hat die meisten Jahre des Trios auf dem Buckel – 36 Jahre, das ist für Rumverhältnisse schon steinalt. Anfang der 2000er war es möglich, solche Produkte auf dem ganz normalen Markt zu Spottpreisen zu kaufen, allein es wollte scheinbar keiner – erst die Renaissance des Rums sorgte dafür, dass wir bei Rum dem Scotch, was die Preisgestaltung angeht, nun in nichts mehr nachstehen. Das Mark „VSG“ deutet auf die hölzerne Versailles-Potstill hin, noch etwas ganz Besonderes, gerade für mich, der ich Enmore-Rums sehr mag. Rein vom Etikett ist das also ein Gewinner – aber probieren wir erstmal.

Rum Artesanal Guyana Enmore Distillery VSG 1985-2021

Dunkles Gold, Bernstein – eine hübsche Farbe, ohne Fehler oder Einschlüsse. Eine schöne Schwere ist beim Schwenken erkennbar, das Glaswandverhalten verhält sich mit vielen Beinchen entsprechend. Auch für diese Art Rum gibt es ein Erkennungszeichen, wie man das beim oben geschilderten Rockley-Stil auch schon hatte – hier sind es frisch gespitzte Bleistifte und Zedernholz. Es kommt aber auch eine wachsige Komponente dazu, und ein ganzes Kräutersträußchen aus getrockneten Heide- und Gartenkräutern, feuchtes Holz und Cola. Mildesterige Frucht, etwas Bitterorange, minimale Medizinalität mit etwas Eukalyptus; das mag ich. Die 54,3% Alkoholgehalt merkt man, wenn man zu tief schnuppert. Sehr cremig beginnt er im Mund, leicht streuselkuchig, süßfruchtig und sehr mandelig, süß und schwer. Diese Gebäck- und Trockenobstnoten gehen im Verlauf deutlich zurück, die Süße wird durch knackige, trockene Bittere ersetzt, eine fast pfeffrige Schärfe lässt den Gaumen zunächst glühen, um ihn dann mit Eukalyptus und Minze abzukühlen bis hin zum eisigen Hauch des Nachhalls, in dem leichte Anistöne und etwas ganz mildes Süßholz dazukommen und den Charakter des Rums endgültig komplett ändern. Der Abgang ist mittellang, sehr aromatisch, klingt mit etwas kräuterigen Tönen sehr vegetal, leicht schwefelig und holzig, aber keinesfalls, trotz des Alters, überholzt aus. Ein sehr attraktiver Rum, der meinem persönlichen Rumgeschmack wirklich entgegen kommt, das würde ich echt gern öfter trinken – bei rund 500€ für den halben Liter wird das aber nicht passieren können, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Hampden, das ist immer eine Arbeitsanweisung dafür, dass man in einer Verkostungsreihe dieses Produkt besser ganz nach hinten stellt. Auch der Rum Artesanal Hampden HD 1990/2021 ist mit seinen 30 Jahren dafür sicherlich keine Ausnahme.

Rum Artesanal Hampden HD 1990-2021

Farblich sieht man blasses Gelbgold, aber bei einem Hampden dieser Art hat man eigentlich eh kaum Chancen, sich auf die Farbe zu konzentrieren, denn schon beim Eingießen, und auch Minuten danach, strömt einem der bunte Fruchtkorb des High-Ester-Rums entgegen. Überreife Ananas, fauliger Pfirsich, verrottende Banane, der übliche Inhalt des Biomülls eben, wenn man sich einen Fruchtsalat gemacht hat. Pferdeschweiß, speckiges Reitstiefelleder und nasse Tennissocken geben ihren ganz eigenen Reiz dazu, ich möchte hierbei nochmal explizit darauf hinweisen, dass für den Liebhaber dieser Aromatik der chinesische Baijiu durchaus ein Blick wert sein kann. Insgesamt wirkt das aber dennoch rund und gut integriert, auch die 57,8% Alkoholgehalt, da hatte ich schon Hampdens im Glas, die sich viel kratziger und biestiger zeigten. Das setzt sich auch im Mund fort, obwohl dort die kantige, körnige Trockenheit eines Hochesterrums schon etwas schwieriger ist. Sehr fruchtig, leicht getreidig fast schon, süßbitter und eiskalt voller Eukalyptus und milder Minze, mit Anflügen von Lakritz. Salzig und dabei fett in der Textur, eine Mischung, die spannend ist, aber mit der sicher nicht jeder warm werden kann. Ein kalter, teeriger, kaltrauchiger Nachhall, effektvoll am Gaumen und der Zunge bleibend, klingt noch eine ganze Weile nach. Manche sagen, dass Hochesterrums nicht zum Purgenuss erfunden wurden; zumindest bei diesem hier funktioniert das eigentlich noch ganz gut, wir sind aber auch noch nicht am obersten Ende der Estergehalte angelangt. Das hat was!

Drei Rums, drei Eindrücke, drei Charaktere. Eine schöne Reise durch die Bandbreite, die Rum Artesanal da aufspannt mit ihren Single-Cask-Abfüllungen. Wer offen ist für ungewöhnliche Geschmäcker, und das für den Kauf nötige sehr dicke Portemonnaie hat (und dazu noch den Jägerinstinkt, so eine Flasche überhaupt zu erwischen!), der bekommt dann was wirklich Besonderes für die exklusive Heimbar. Zuviele Flaschen davon werden sicherlich in Sammlerschränken ein trauriges Staubfängerdasein fristen – umso schöner ist, dass Rum Artesanal diese Samples verteilt hat.

Offenlegung: Ich danke Rum Artesanal für die kosten- und bedingungslose Zusendung dieser drei Samples.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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