Ein paar Künstler aus den 60er Jahren überdauern bis heute. In einer intensiven Karriere, die nur 3 Jahre dauerte, sicherte sich Janis Joplin einen Platz in den Herzen vieler Musikfreunde, bevor sie dem Klub 27 beitrat – einer der Gründe für ihren frühen Tod war sicherlich, dass sie nicht wirklich gut mit Drogen und Alkohol umgehen konnte. Einer ihrer Dauerbegleiter, wie auf diversen Fotos von ihr zu sehen, war eine Flasche mit einem Whiskeylikör.
Nun frage ich mich persönlich, wie viele andere Musikfreunde auch, die gleichzeitig Spirituosenfreunde sind, was um aller Welt Janis geritten haben muss, sich ausgerechnet Southern Comfort als Schnaps der Wahl ausgesucht zu haben. Man sieht daran, ein bisschen polemisch formuliert, dass großes Können in einer Sache nicht automatisch großes Können in anderen Bereichen mit sich bringt. Man hat es aus diesen einleitenden Worten vielleicht schon heraushören können – ich bin kein großer Fan von SoCo, wie er liebevoll oft abgekürzt wird.
Wonach es schmeckt – naja, das muss jeder für sich beurteilen. Ich schmecke nicht das gerühmte Pfirsicharoma heraus, höchstens ein artifizielles Gummibärchenaroma „Pfirsich“, das mit echtem Pfirsich nichts zu tun hat. Insgesamt hat dieser Likör einen hochgradig künstlichen Geschmack; eindeutig, dass hier keine echten Aromen durch Reifung oder aus natürlichen Basisstoffen entstanden, sondern künstliche im nachhinein zugesetzt wurden.
Zu Janis Joplins Ehrenrettung muss ich aber einwerfen: Früher, zu Zeiten von Woodstock, war das wohl tatsächlich ein Whiskey-Likör (ich bin immer noch verzweifelt auf der Suche nach einem Sample des SoCo von damals!), doch davon ist heute noch weniger als vom Pfirsich zu erahnen – kein Wunder, denn Whiskey-Aroma und Neutralalkohol statt echtem Whiskey werden heute in der Produktion des Southern Comfort eingesetzt. Der Untertitel auf dem Etikett, Liqueur with Whiskey, ist daher reiner Hohn. Neutralsprit, in den Gummibärchen eingelegt wurden halt – dagegen ist Red Bull wie frisch gepflückte und ausgepresste Frucht vom Baum.
Pur fällt er für mich also aus, wie schlägt er sich als Mixer? Leidlich. Jeglicher Drink, den man sich mit diesem Pseudo-Whiskey-Likör mixt, bekommt diesen Geschmack – eine sehr aggressive Zutat, die selbst Orangensaft und Amaretto, zwei also, die sich sonst gut gegen alles durchsetzen, gnadenlos unterbuttert im vielleicht bekanntesten SoCo-Drink, dem Alabama Slammer. Man muss Southern Comfort eine Umgebung bieten, in der er seine wenigen Vorteile gut präsentieren und gleichzeitig seine vielen Mängel etwas bedecken kann. Wie zum Beispiel im überraschend leckeren Southern Fries.
Southern Fries
1 oz Southern Comfort
2 oz Orangensaft (hier unbedingt frisch gepresst!)
…aufgießen mit 2 oz Coca Cola
[Rezept nach unbekannt]
Wie üblich durchgehen neben den Rezepturen auch die Flaschendesigns einem Wandel über die Zeit. Die flache Flasche, die Janis Joplin dauernd bei sich trug, ersetzt der modebewusste Heimbarbesitzer heute durch die schick gestaltete, mit vielen Glasdetails versehene 700ml-Flasche. Seitdem ich meine Flasche damals kaufte, wurde erneut ein Redesign ausgeführt; die aktuelle Flasche ist kürzer, gedrungener, schwungvoller, und ist nicht ganz so säulenhaft ausgeführt wie die auf meinen Fotos.
Southern Comfort ist also schon was, was man mögen muss. Die schöne Flasche und der fantastische Name verlocken wahrscheinlich viele zum Kauf, bei denen die Flasche dann nach dem ersten Schluck im Regal verschimmelt. Ich kaufe sicherlich keine mehr, denn die 0,7l reichen noch für viele Cocktails, und wenn sie leer ist, verzichte ich lieber. Pur trinken? Wie gesagt, eher nicht, außer man mag solch künstliche Geschmäcker. Dennoch verkauft es sich so sehr, dass man diesen Likör prominent in allen deutschen Supermärkten finden kann; scheinbar also ein Lieben-oder-Hassen-Getränk. Ich tendiere eher zum letzteren als zum ersteren. Janis, verzeih mir.
Vermutlich wird es Dir so gehen wie mir und Du entsorgst den SC in ein paar Jahren, weil er einfach nicht weniger werden will…
Versuch mal einen Scarlett O’Hara. Geht zumindest mit Frauen wirklich gut weg.