IPA oder India Pale Ale, bis heute der Bierstil-Vorreiter der Craftbierwelle hier in Deutschland, wird von so einigen Bierprogressiven inzwischen als langweilig und verbraucht angesehen. Das blasse Indien-Obergärige hat aber auch einen harten Weg hinter sich, es musste sich so allerlei Brutalitäten gefallen lassen – der IBU-Wahnsinn von über 100 Bittereinheiten war ein Ausdruck der verzweifelten Suche nach gewaltsamer Neuinterpretation. Dann reichte auch ein einzelner Aromahopfen schnell nicht mehr aus, es mussten zwei, drei, vier oder noch mehr Hopfensorten gleichzeitig her, damit man noch im Gespräch blieb. So verbrennt man auf die Dauer einen ehrenwerten alten Bierstil im Feuer der modernen Bart-Craft-Hippigkeit.
Tatsächlich gehen daher einige Brauer nun den Weg wieder zurück. Die Kehrwieder Kreativbrauerei beispielsweise braut nun Single-Hop-Biere, also solche, die mit nur einem Aromahopfen auskommen, und diesem so zu bisher ungekannter Expressivität verhelfen – der Hopfen kann sich in seiner ganzen Pracht zeigen, ohne mit seinen Kollegen konkurrieren zu müssen. Weitere Unterstützung für dieses Unterfangen, einzelne Hopfensorten auf den roten Teppich zu stellen statt ein Konglomerat, kommt aus Belgien. Die Traditionsbrauerei Leffe bietet unter der Signatur Leffe Royale Biere an, die mit nur einem ausgewählten Aromahopfen kaltgehopft wurden. Eines davon ist das Leffe Royale Houblon Cascade IPA (Houblon ist französisch für Hopfen). Werfen wir einen Blick auf den Versuch, dem nordamerikanischen Cascade-Hopfen, gewiss einem der wichtigsten und bekanntesten Vertreter seiner Pflanzengattung, seinen Moment im Scheinwerferlicht zu gönnen.
Im Glas weist das Leffe IPA eine kristallklare, schöne, sehr ansprechende goldene Farbe auf. Kräftige Perlage, grober, leider nur kurzlebiger Schaum. Optisch schonmal eine Sensation, die in meinem aus dem Griechenland-Urlaub mitgebrachtem Mythos-Kelch herrlich zur Geltung kommt. Leicht zitronig riecht das Bier, nach Hefe und Brause. Sehr frisch und leicht, helltönig und klar. Erkennbar blumig, Jasmin würde ich mal behaupten.
Blumig und hell ist dann auch der Geschmack, Jasmin und vielleicht Rosen sind ungewohnt für ein IPA, auch, dass man dafür kaum Fruchtnoten bekommt, etwas Apfel und Kiwi ist das höchste der Gefühle. Die wuchtige Süße, die man vom Leffe Blonde vielleicht schon kennt, ist auch hier vorhanden; mit Aufenthaltsdauer des Biers im Mund läuft eine milde Würze nach. Es ist kaum bitter, weist aber einen sehr dichten, voluminösen Körper mit seidigem Mundgefühl auf. Die mittlere Rezenz sorgt, trotz der hohen Karbonisierung, für einen eher mäßigen Erfrischungsfaktor.
Ich schmecke als Ausgleich dafür einen mittellangen Abgang mit viel Charakter. Auch hier meint man, eine blumig-kräuterige Note herauszuspüren. Das, was mich schon beim Leffe Blonde gestört hat, ist auch hier vorhanden – das etwas pappig-süße Nachgefühl im Mund. Dennoch bleibt mir als Fazit – ein schönes, feines Bier für Leute mit Hang zum Süßen, jedenfalls kein sehr bierstiltypisches IPA, wenn man es überhaupt so nennen darf oder kann. Und auch kein Durststiller, mehr ein nachdenklicher Schluck zum Sinnieren.
Das Standard-Leffe Blonde hat 6,6%, darauf wurde für das Royale nochmal ein knappes königliches Prozent draufgeschlagen – 7,5% Alkohol sorgen für ordentlichen Bums, den man aber nur später spürt, nicht schmeckt. Zum Glück sind meine Proben auch in 33cl-Fläschchen abgefüllt, da bremst man sich automatisch, das Royale ist aber auch in 750ml-Sektflaschen erhältlich.
Das schöne, grün-schwarz-goldene Design voller Hopfendolden inspiriert mich zu einem Ausflug in die Natur. Natürlich bildlich gesprochen, mit meinem zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels gebrochenen Fuß hab ichs nicht so mit Laufen. Ich brauche aber hin und wieder eine Erinnerung an die Welt da draußen, und so simuliere ich so ein Erlebnis mit einem Biercocktail, dem Waldgeist. Das Leffe Royale ist ideal dafür geeignet, mit seinem kräftigen Körper bietet es eine tolle Kulisse, vor der Fichtennadelgeist, Scotch und Verjus (ein saurer Traubensaft, erinnernd an milden Essig) ihren Waldspaziergang genießen können.
Waldgeist
½ oz Blended Scotch Whisky (oder z.B. Nikka From the Barrel)
½ oz Fichtensprossengeist (z.B. von Faude Feine Brände)
1 TL Zuckersirup
¾ oz Verjus
…auf Eis shaken, dann aufgießen mit…
hellem, aber würzigen Bier (z.B. Leffe Royale Cascade IPA)
[Rezept nach Moritz Niederstrasser und Matthias Ingelmann]
Das Vierertragerl war erhältlich für 6€ in einem französischen Supermarkt hier bei mir an der deutschfranzösischen Grenze. Das Tragerl ist noch bedruckt mit einigen, leider meist recht belanglosen Informationen. Immerhin erfährt man hier noch, wenn man des Französischen mächtig ist, dass das Leffe Royale eine Kalthopfung erfährt, und was der Unterschied zwischen Warm- und Kalthopfung ist. Eine empfohlene Trinktemperatur von 8-10° ist angegeben. Den Schreibfehler „Indian Pale Ale“, der auch auf dem Flaschenetikett wiederholt wird, will ich mal großzügig übersehen, obwohl sowas einem Brauer von Welt nicht passieren dürfte.
Andere Royale-Sorten sind ebenso erhältlich, sie bilden fast schon eine Reise um die Welt ab: mit den Single-Hop-Bieren auf Basis von Whitbread Golding (Großbritannien), Mapuche (Argentinien) und Crystal (USA) haben wir hier ein wahrhaft internationales Gespann belgischen Bieres vor uns. Ich halte jedenfalls Ausschau nach diesen Sorten und bin gespannt, ob diese dann ihrem angepriesenen Bierstil gerechter werden als dieses Pseudo-IPA, und ob der Hopfen in ihnen mehr Chancen gegen die wuchtige Bierbasis des Leffe haben wird als der arme, etwas untergehende Cascade in diesem Bier.
Ein Kommentar zu “Hopfen im Scheinwerferlicht – Leffe Royale Houblon Cascade IPA”