Frauen trinken plötzlich Bier. Naja, so ganz plötzlich jetzt nicht, aber ich erinnere mich gut daran, dass Bier früher ein fast exklusives Männergetränk war. Bis vor wenigen Jahren konnte man in Stadtcafés und Flaniermeilen die Frauen, die ein Bier vor sich stehen hatten, an einer Hand abzählen. Sie tranken lieber Cappuccino, Weißwein, Fruchtsaftradler oder Aperol Spritz. Doch die moderne Frau lässt all das hinter sich und lässt sich gern ein Hefeweizen oder Pils servieren.
Diese Emanzipation erkennt man auch in der Marketingplatzierung eines Produkts. Den bärtigen Hipster haben die Traditionsbrauereien schon als Zielgruppe ans Craftbier verloren, vielleicht gibt es dann wenigstens noch die Chance, die neuen Biertrinkerinnen an Land zu ziehen? Tatsächlich beginnt die Bierindustrie, neue Nischen zu suchen, in die sie mit ihrem Bier vorstoßen kann. Wäre der Hersteller Erdinger vor 10 Jahren wahrscheinlich für das Motto „Aperitivo Nero“ ausgelacht worden, ist dieser Untertitel des Erdinger Pikantus Dunkler Weizenbock heutzutage als Versuch zu werten, in einem Segment Fuß zu fassen, das lange von Spirituosen und Wein exklusiv genutzt wurde. Die Zeiten wandeln sich zu gunsten solcher Experimente – zu erkennen an einfachen Dingen wie dass Biersommeliers nun selbstbewusst im Fernsehen auftreten und Food Pairings empfehlen und Tastinghinweise geben können, ohne ausgelacht zu werden; Bier hat einen neuen Stellenwert, auch und insbesondere für Frauen. Da war die Idee, Bier als femininen Aperitiv zu vermarkten, nicht allzu absurd.
Der Namen kündet es an: Mit 7,3% Alkohol haben wir hier den doch eher seltenen Fall eines dunklen Weizenbiers in Bockstärke vor uns. Die Farbe hält sich daher zumindest schonmal an die Aufmachung. Dunkelbraun, espressofarben. Die sehr feine Perlage kümmert sich darum, den dicken, festen, aber kleinblasigen Schaum eine respektable Weile aufrechtzuerhalten. Man könnte das Pikantus rein optisch wegen Farbe von Flüssigkeit und Schaum für Caffè crema halten.
Ich kenne Biere, Imperial Stouts beispielsweise, die dann auch den dazu passenden Geruch anbieten würden; nicht so das Pikantus. Es bietet stattdessen einen Kontrapunkt – Metall, Karamell, Brot und Heu. Insgesamt bleibt es diesbezüglich aber eher zurückhaltend.
Wenn wir schon bei den Analogien sind, können wir auch beim Geschmack nahtlos mit Vergleichen fortsetzen – süßcremiger Kaffee, dunkler Kakao, das erinnert den Bierfreund an Porter oder Stout, doch im Gegensatz zu diesen betont das Pikantus dann doch lieber seinen Weizenbiercharakter. Der Abgang ist trockenbitter, weist dabei eine süßliche Klebrigkeit auf, die ich nicht wirklich mag, die ich aber in vielen Bieren in letzter Zeit schmecken musste.
Insgesamt erahnt man nun schon, wohin mein Fazit geht: Bock, Weizen, Porter, Stout – von allem hat sich das Pikantus etwas geliehen, und darüber vergessen, etwas eigenes zu liefern. Da wollte man vielleicht zuviel bei Erdinger, und so wird aus einer spannenden Idee eines Crossover-Biers schnell eine etwas langweilige Mixtur ohne eigenen Charakter.
Auch die Marketingidee finde ich, ehrlich gesagt, leicht deplatziert – das Pikantus ist ganz sicher nicht als Aperitiv geeignet, denn da trinkt man doch eigentlich gern spritzige Getränke, zum Öffnen der Geschmacksnerven; das Pikantus verkleistert sie eher und bietet nichts spannendes. Zum Essen allerdings ist dieses Bier bei mir ein durchaus gern gesehener Gast, wenn auch kein Stammkunde. Ein Gebrauchs-, kein Gourmetbier halt, trotz der aufwändigen Aufmachung.
Knapp 2,50€ pro Flasche habe ich im Netto-Discounter bezahlt, wo das Pikantus im hübsch designeten Vierer-Tragerl erhältlich war, mit einem darauf abgebildeten rassigen brünetten Model, das ein Glas des Biers anbietet – da bekommt man Lust, das Angebot anzunehmen. Wenigstens mal eine fesche, neue Idee, statt den sonst für Bierwerbung üblichen dauerhippen Partypeople, die mich nur noch anöden.
Nähern wir uns der Idee des Aperitiv-Biers doch nochmal aus einer leicht anderen Perspektive. Ich denke, ich habe nun oft genug klargemacht, dass ich Bier für eine ideale Cocktailzutat halte. Wenn schon das Pikantus allein nicht wirklich als Gaumenöffner taugt, vielleicht aber, wenn man es mit ein paar Hilfsmitteln aufpeppt? Der The Beer & The Nuts-Cocktail beweist, dass man niemand aufgeben sollte, ohne nicht alles versucht zu haben. Ein wunderbares Gebräu.
The Beer & The Nuts
1½ oz Polnischer Vodka (z.B. Grasovka)
½ oz Amaretto
½ oz Limettensaft
1 Spritzer Angostura
1 Eiweiß
Alle Zutaten gut schütteln, und im Glas dann…
…mit 1 oz Erdinger Pikantus Dunkler Weizenbock toppen.
[Rezept nach Petros Armakollas]
Persönlich würde ich also, um das oben schon vorweggenommene Fazit nochmals aufzugreifen, Sonstnichtbiertrinkern und Einsteigern nicht gerade einen dunklen Weizenbock als Aperitiv empfehlen. Doch, und damit bewegen wir uns dann doch nicht so weit weg von der Marketingprämisse des Pikantus, als Nachtischbier könnte es somit vielleicht sogar neben dem Bierkenner, der auf etwas Deftiges aber gleichzeitig Unkompliziertes aus ist, den Frauen schmecken, die sich nachmittags in der Sonne mit den Freundinnen etwas anderes gönnen möchten als einen langweiligen Cappuccino.