Nachdem mein Schulfranzösisch, das mich 4 Jahre begleitet hatte, über die vielen Jahre der Nichtbenutzung sehr eingeschlafen war, dachte ich nicht, dass sich das so leicht wiederbeleben lässt. Und in der Tat war die erste Lektüre, die ich mir im Urlaub vor einigen Jahren wieder auf Französisch zumutete, Léon l’Africain von Amin Maalouf, ein Brocken Arbeit. Seitdem habe ich aber nicht locker gelassen, und inzwischen lese ich Französisch fast wieder flüssig wie Englisch und Deutsch. Das soll nicht als Angeberei, sondern Ansporn an alle dienen, die ihre Sprachkenntnisse verschimmeln lassen – es lässt sich wieder aktivieren, und zwar schneller, als man denkt. Umso erstaunter war ich, dass ich in einer Facebook-Gruppe, die sich mit französisch-karibischen Rums beschäftigt, plötzlich auf viele Wörter stieß, die ich so überhaupt nicht einzuordnen wusste, und die ich auch nicht herleiten oder nachschlagen konnte.
Im Nachhinein erfuhr ich dann, dass es sich um kreolische Wörter und Satzkonstrukte handelte. Kreolsprachen sind Mischformen aus verschiedenen Sprachen, und haben sich von ihren Einflüssen abgelöst; im karibischen Raum sind französische Kreolsprachen verbreitet, und in Haiti beispielsweise wurde das kreyol ayisyen zur Amtssprache, die 95% der Bevölkerung sprechen. Man erkennt in den französisch-kreolischen Sprachen noch deutlich, dass sie viel Vokabular aus dem Französischen übernommen haben; viele Wörter sind aber verballhornt und lautlich abgewandelt, so dass es nicht einfach ist, Kreolisch nur mit Französischkenntnissen verstehen zu wollen, trotz der phonetischen Nähe. Ein Beispiel für diese tantalisierende Nähe ist der Name des hier vorgestellten Rumprodukts: On Ti Dousè Planteur Prestige. „Eine kleine Leckerei“ könnte man ihn vielleicht am passendsten ins Deutsche übersetzen; der frankophone Phonologe erkennt die Ableitung der kreolischen Wörter und deren spannende Veränderung.
15% Alkohol weist der On Ti Dousè auf, die Inhaltsstoffe sind laut Etikett rhum agricole, Fruchtsäfte und Gewürze. Wenn man ihn eine Weile stehen lässt, setzt sich Fruchtmark im unteren Drittel ab; ein gutes Zeichen, es bedeutet echte Frucht und dass keine Bindemittel oder Emulgatoren verwendet werden. Wenn man genau hinschaut, sieht man Fruchtfleischfasern und kleine Gewürzreste darin schweben. Auch im Glas ist er sehr dickflüssig und schwer.
Richtig süß kommt er auch in der Nase an. Vanille, Zimt, Guave, Maracuja. Herrlich tropisch und verführerisch. Wer auf fruchtlastige Getränke voller Charakter steht, wird hier sein persönliches Nirvana finden: Ein fetter, wuchtiger Fruchtgeschmack, mit feinem Gewürzaroma, voller Körper und dichtem, fast schon buttermilchartigen Mundgefühl. Im Abgang streckt der Rum vorsichtig seinen Kopf hervor und meldet sich; die Süße bleibt bis zum Schluss natürlich und mild, wirkt nie künstlich oder unangenehm. Zimt und Vanille schmeckt man noch sehr lange nach.
Planteur ist eine im Umfeld des rhum agricole sehr beliebte Zubereitung, die kein spezielles Rezept kennt; oft ist es ein rhum arrangé, also ein Rum, in dem Früchte und Gewürze mazeriert wurden, und der mit Fruchtsaft vermischt wird. Wer sich vom Namen her an den bekannten Cocktail Planter’s Punch erinnert fühlt, liegt, was die Zutaten angeht, nicht ganz falsch – allerdings wird ein Planteur nicht wirklich wie ein Cocktail à la minute zubereitet, sondern eine zeitlang vorbereitet, und gehört daher eher in die Kategorie Spiced Rum oder Rumtopf. Diverse Rhum-Agricole-Hersteller bieten Planteur-Premixes an, zum Beispiel Saint James, Old Nick oder Dillon; diese sind günstig zu bekommen, im Vergleich zum On Ti Dousè aber sehr dünn und geschmacksarm – der Untertitel Planteur Prestige, also Edel-Planteur, trifft den Unterschied sehr deutlich. Zum Vergleich hatte ich mir einen Punch Planteur von Dillon im nahegelegenen französischen Record zugelegt – das ist kein echter Konkurrent, mehr wie FC Bayern gegen SV Seligenporten II (ohne den Herren des SV Seligenporten II irgendwie nahetreten zu wollen).
Wo ist das Cocktailrezept, höre ich schon die Fragen. Der On Ti Dousè ist ja nun schon eine Zubereitung, also halte ich mich zurück mit einem künstlich aus den Fingern gezogenen Rezept. Überall, wo man Fruchtsaftaromen will, könnte man ihn untermischen, doch letztlich steht er sehr schön auf eigenen Beinen und ich genieße ihn mit einem Eiswürfel und einem kleinen Schuss Grenadinesaft, letzteres rein für die Optik.
0,7l bekommt man direkt beim Hersteller für 20€, abgefüllt in einer sehr schwungvoll gestalteten, massiven Glasflasche mit Plastikkorken, und einem zum Schwelgen und Träumen einladenden Etikett; leider sind die Versandkosten aus Frankreich recht deftig. Letztlich lohnt sich dieser Kauf aber für alle, die wissen wollen, wie ein wirklich guter, handwerklich hergestellter und qualitativ hochwertiger Small-Batch-Planteur schmeckt.
Ein Kommentar zu “Eine kleine Leckerei – On Ti Dousè Planteur Prestige”