Es gibt bestimmt Leute, die einen Kräuterlikör wie diesen gern pur trinken. In homöopathischen Dosen vielleicht, aber doch pur. Diesen zolle ich meinen Respekt – denn das grüne Chartreuse schießt den Vogel bezüglich Kräuterlikören ab.

Unglaublich herbal, kräuterig, dabei fast klebrig süß, da kommt kein anderer Kräuterlikör auch nur ansatzweise heran. Ein ganz eigener, sehr starker und unverkennbarer Geschmack (ich versuche erst gar nicht, ihn den in scheinbar unendlicher Zahl verwendeten Kräutern zuzuordnen), unterstützt durch eine dickflüssige Konsistenz und eine ausgesprochen ansprechende, leuchtende grüne Farbe, entstanden ganz ohne Farbstoffe, stellen Chartreuse auf einen Sockel, auf dem es völlig allein steht.

Nur pur mag ich es nicht trinken, dazu bin ich nicht hart genug. Doch als Cocktailzutat ist dieses Mönchselixir unverzichtbar, insbesondere für Vintage-Cocktails. Dabei ist zu beachten, dass selbst kleinste Dosen dieses Likörs den Cocktailgeschmack direkt dominieren und diese dann recht stark nach Chartreuse schmecken. Wenn dann größere Mengen, also zum Beispiel eine halbe Unze oder gar eine dreiviertel Unze davon gefragt sind, gibt es praktisch keine andere Cocktailzutat, die gegen diese Urgewalt ankommt.
Ein Cocktail, den jeder Chartreuse-Fan ausprobieren muss, ist der Alamagoozlum, einer der „vergessenen Cocktails“ der 1930er Jahre aus Ted Haighs brilliantem Cocktailbuch.
Alamagoozlum
1oz / 30ml Genever
1oz / 30ml Wasser
¾oz / 23ml Jamaica-Rum
¾oz / 23ml Chartreuse Verte
¾oz / 23ml Gomme-Sirup
¼oz / 7ml Orange Curaçao
¼oz / 7ml Angostura
¼ Eiweiß
Hart und lang auf Eis shaken.
[Rezept nach Charles H. Baker Jr.]
Viele Zutaten, ich weiß, aber es lohnt sich – die angesprochene sehr durchdringende Kräuternote des Chartreuse wird durch die schiere Menge an anderen Zutaten eingebremst und ist dennoch klar erkennbar. Fantastisch, samtig, süß. Viel Spaß übrigens beim Vierteln des Eiweißes. Machen Sie lieber gleich vier Cocktails, das ist leichter.

Weniger herausragend ist die Präsentation: ein bisschen einfallslos und zurückhaltend sind Flasche und Etikett. So eine edle Brühe braucht aber auch keine Gimmicks, und da Chartreuse wie oben gesagt durch keine andere Spirituose in Cocktails ersetzt werden kann, so einzigartig ist sie, kommen Sie als auch nur halbwegs ambitionierter Mixologist eh nicht drum herum, sich eine Buddel davon zuzulegen.
Als Tip – es gibt sie auch in 350ml- und 200ml-Ausgabe, für den, der erstmal testen will.
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