Es ist gar nicht so lange, dass Hampden Estate aus Jamaica ihre Rums selbst unter eigenem Namen abfüllt und verkauft – erst seit 2018 ist das der Fall, vorher wurde der Rum nur über unabhängige Abfüller vertrieben, oder landete als Bulkware in Europa. Blickt man heute darauf zurück, ist es ein seltsames Gefühl, denn man kann sich die markanten Flaschen und Abfüllungen aus dem modernen Rummarkt eigentlich gar nicht mehr wegdenken. Sie sind in der Kürze der Zeit seitdem – kometenhaft – sogar definierende Produkte geworden, die extrem repräsentativ für die jamaikanische Rumkultur sind, die Hampden ja schon seit dem 18. Jahrhundert mitkreiert hat, ohne dass ihr Name so groß auf den Etiketten auftauchte.
Eine eigene Wasserquelle, extralange Fermentationsdauern, in denen wilde Hefen genutzt werden, eine Destillation ausschließlich mit den Double Retort Pot Stills, keine Färbung oder andere Zusätze – mit wenigen Worten kann man die Herstellung des typischen Rums beschreiben, der von dort kommt. Stellvertretend für das aktuelle Portfolio stelle ich heute drei Rums vor: Hampden Estate The Younger LROK, 2010 LROK und Pagos.
Ich erwähne bei den Rums jeweils die Kennzahlen bezüglich Congener und Ester, die auf dem Etikett aufgedruckt sind, um dem Kenner einen Vorabeindruck zu geben – der Laie kann diese Werte einfach als Messwert für starke Aromatik annehmen und ignorieren, außerhalb von Jamaica machen nur sehr wenige Hersteller sich überhaupt die Mühe, diese zu messen, geschweige denn, sie zu veröffentlichen. Die Angaben sind in gr/hlpa, also „Gramm pro Hektoliter Reinalkohols“, zu lesen. Nur zur groben Einordnung: Wir bewegen uns mit dem LROK-Mark im mittleren bis niedrigen Rahmen dessen, was Jamaica an Esterigkeit zu bieten hat.
Beginnen wir mit dem Hampden Estate The Younger LROK Pure Single Jamaican Rum, der seinen Namen daher hat, dass er „nur“ 5 Jahre tropisch im Ex-Bourbon-Cask gelagert wurde. Mehr als ein Drittel des eingelagerten Destillats verdunstete dabei als Angels‘ Share. Ein klassischer LROK-Rum aus Hampden, wie er dort seit 1952 hergestellt wird, mit einem Congener-Count von 1567,1gr/hlpa, wovon 314,8gr/hlpa Ester sind.
Helles Gelbgold wurde durch die gebrauchten Bourbonfässer erreicht, eine leichte Öligkeit sieht man, wenn man das Glas schwenkt, wie auch champagnerfarbene Lichtreflexe. Der Duft ist sehr prägnant für Jamaica, da ist viel überreife Esterfrucht, Marzipan und verschiedene Kompostierungsstadien von Bananen vorhanden, leicht säuerlich, minimal dreckig, die Kombination nennt man im Fachsprech dann „funkig“. Insgesamt gefällt das, mit zunehmender Offenstehzeit verfliegt die Dramatik etwas zugunsten milderer Fruchtaromen.
Ich bin dann etwas überrascht, dass sich das auch auf den Geschmack überträgt – jedenfalls wirkt The Younger am Gaumen leicht und eher dezent aromatisch, neben vielen Bitterschokolade- und Bananennoten ist der „Funk“ deutlich zurückgenommen. Eine runde, mildtrockene, vorsichtig säuerliche Textur findet sich, mit sich sauber anfühlendem Alkohol (47%) und nur zurückhaltender Würze. Ein bisschen Erdigkeit ist da, die im Abgang die Grundlage legt für angenehme Wärme, die lange vorhält, und im Rachen nachverfolgbar bis in den Magen ist, und einen grünfruchtigen Nachhall hinterlässt. Sicherlich einer der zartesten Hampden-Rums, die ich kenne, überraschend, aber im erfreulichen Sinne – das ist kein Estermonster, sondern eine Esterfee.
6 Jahre länger Ruhe im Holz gönnte man dann dem großen Bruder, dem Hampden Estate 2010 LROK Pure Single Jamaican Rum. Die gesamte Reifung ist tropisch, wie bei den Hausabfüllungen von Hampden üblich. 1240,2gr/hlpa Congeners und 334,7gr/hlpa Esters zeigen, dass sich hier etwas leicht verändert hat – Holzreifung ändert die chemische Zusammensetzung und beeinflusst die Ester und Congener stark.
Klares Bernstein steht im Glas, mit nur leichter Viskosität – die Bourbonfässer haben hier im Vergleich zum The Younger schon neben Farbe auch stärker Aromen transferiert, da ist viel Vanille und getoastetes Holz da, dazu eine richtig starke Kirsch- und Ananasnote, und eine Grüne, die fast Agricole-Charakter erreicht. Die Ester sind hier richtig gesättigt und gesetzt, da ist nichts spitzes, kitzelndes oder schweißiges mehr, eine sehr runde, bananig-ananassige Fruchtigkeit zeigt sich, diesmal ohne echte Verrottungskomponente, dafür mit viel Bitterschokolade und Marzipan.
Auch beim 2010 LROK ist im initialen Antrunk erstmal vergleichsweise Gemächlichkeit angesagt, das ist in dieser Phase ein leichter Bourbon, höchstens ein paar Extrafruchtnoten machen den Vergleich hinfällig. Im Verlauf wird das immer deutlicher, milde, grüne Holznoten kommen hervor, einhergehend mit Kirsche, Apfel und Birne. Sehr fein strukturiert erscheint der Rum, mit mildtrockener Textur und zurückhaltender Wärme, die die Zunge nur vorsichtig prickeln lässt. Auch hier sind die 47% Alkoholgehalt wunderbar untergebracht. Ich bin ehrlich, im Blindtest hätte ich den 2010 LROK vielleicht nach Martinique verortet, nicht nach Jamaica – aber das ist ja kein Mangel, zeigt nur die Spannbreite, die Hampden in die Flasche bringen kann. Sehr trinkbar jedenfalls, und elegant dabei.
Kommen wir am Ende zum Hampden Estate Pagos Pure Single Jamaican Rum, ein recht neues Experiment bei Hampden mit Sherryfässern – die Congener- und Esterwerte sind recht ähnlich wie bei den beiden Vorgängern (Congener 1603,5gr/hlpa, davon Ester 394gr/hlpa), interessant wird dabei sicherlich, was ein Sherryfass mit so einer Art Rum macht.
Dunkles Pariser Rot, das bringe ich durchaus überein mit der Verwendung von Ex-Sherry-Butts mit einem Fassungsvermögen von 500l, die zuvor Oloroso und PX-Sherry beinhaltet hatten, auch wenn keine Reifungsdauer angegeben ist – und auch die viskose Bewegung im Glas gefällt. Man erkennt die beiden Komponenten in der Nase direkt – das hochtypische High-Ester-Destillat von Hampden, und die fruchtigsüßen Sherryaspekte aus den andalusischen Fässern. Das geht nicht ganz natürlich rund zusammen, zugegebenermaßen, es ist aber definitiv eine spannende Hochzeit. Überreife Ananas und reife Pflaumen, verrottende Mango und nussiges Studentenfutter, spitze Tennissockenaromen und weiches Marzipan, da sind viele Gegensätze drin, die sich in der Nase unterhaltsam abwechseln.
Geschmacklich geht das ähnlich weiter, die herbe Trockenheit des Basisbrands mit viel Astringenz wird durch eine erkennbare, mildholzige und süße Fruchtigkeit aufgebrochen und eingefangen. Im Mund passt das viel besser zusammen als in der Nase, hier wirkt das wie aus einem Guss, aber glücklicherweise immer noch nicht bequem und müde, wie manche Rums durch Sherryfassreifung werden. Mit 52% Alkoholgehalt hat man einen perfekten Wert gefunden, das spürt man höchstens in der ausdauernden Kraft, mit der der Pagos lange am Gaumen liegt, und im Abgang, wenn er zunächst pfeffrig und mentholig abklingt und schließlich ein wunderbares, mildfruchtiges und leicht florales Bukett hinterlässt.
Das VSGB-Projekt hatte ich schon diverse Male erwähnt – auch hier hat es mir ermöglicht, Rums zu probieren, die ich sonst eher verpasst hätte, entweder wegen hoher Preise oder extremer Nachfrage. Die Liebe zum Detail bietet darüber hinaus bei jedem Verkosten dieser Rums ein schönes Rahmenerlebnis, vom Öffnen der kleinen Kartons, über das Halten der süßen Fläschchen bis hin zum nachgelagerten Betrachten der Sammlung, in der sich die Kleinflaschen wunderbar machen.






Gerade der Pagos gefällt mir sehr, ein anspruchsvoller Rum, der leicht eingebremst wird und dadurch extrem trinkig geworden ist. Aber auch die beiden klassischeren LROKs haben ihren Charme für den, der hocharomatische Spirituosen zu schätzen weiß, das muss nichtmal der reine Rumnerd sein. Meine Erfahrung ist, dass gerade Menschen, die sonst nichts mit Spirituosen zu tun haben, die starke Frucht und den perfekt eingebundenen Alkohol direkt und ohne Anlauf sehr mögen – schließlich hat man hier echt was im Mund, und das sonst so störende Ethanolstechen, das man von vielen leichteren, Säulendestillatrums kennt, ist praktisch nicht vorhanden. Also, wer heutzutage als Anfänger in Rum einsteigt, hat echt ein wunderbares Leben und viele tolle Erfahrungen vor sich – mit diesen unkomplizierten, eleganten und preislich zumindest nicht unleistbaren Hampden-Rums kann man kaum was falsch machen, die lieben sowohl Kenner als auch die, die das erst noch werden.