Ich habe auf Guadeloupe festgestellt, dass ich im Leben davor noch nie eine Banane gegessen habe. Nach der Veranstaltung Spirits Selection by Concours Mondial de Bruxelles 2022 auf der französischen Karibikinsel habe ich mir noch drei zusätzliche Tage gegönnt, um dem extrem stressigen Zeitplan des Wettbewerbs noch etwas Entspannung folgen zu lassen. Dazu gehörten viele Spaziergänge durch den Ort Le Gosier, in dem ich mein Privatappartement gebucht hatte, mit fantastischem Blick auf die Îlet du Gosier. Bei solchen fußläuferischen Erkundungen finde ich immer kleine Details, die mir besonders gefallen – wie die kleinen Lädchen, in denen die Guadelouper ihren täglichen Bedarf mit Lebensmitteln und Drogeriewaren decken. Meist nur wenige Quadratmeter groß, ohne Fensterfront, mit Wellblechdach und der ganzen Familie auf der Terrasse vor dem Laden sitzend. Das führt mich zur Banane zurück – man kann dort zum Beispiel reife Bananen praktisch frisch vom Strauch kaufen, und ich lüge nicht, wenn ich sage, dass das ein komplett anderes Geschmackserlebnis ist, als die Banane, die man hierzulande im Supermarkt kauft.
Natürlich sind diese Früchte dort zuhause, das Klima kümmert sich darum, dass sie fruchtiger, fetter, aromatischer und vollmundiger sind, als wir das kennen. Nicht nur Bananen, auch Mangos, Ananas und sonstiges Obst, von dem ich nichtmal den Namen kannte. Die Einwohner der Insel wissen natürlich um ihren natürlichen Reichtum diesbezüglich, und die Idee, diesen mit dem anderen Kulturgut, dem Rum, im sogenannten punch au rhum zu verbinden, ist wohl nur selbstverständlich. Ein hervorragendes Beispiel dafür, wie gut das funktionieren kann, ist Mabi Punch aus der Gemeinde Goyave an der Ostküste von Basse-Terre. Die Familie Billy nimmt dafür unbehandelte Früchte von der ganzen Insel, und legt diese 6 Monate bis ein Jahr, je nach Art der Frucht, in ungereiften rhum agricole ein. Das wird mit frischem Zuckerrohr gesüßt und kommt mit 34% Alkoholgehalt auf den lokalen Markt. Ich stelle hier mal zwei der vielen Varianten vor, die aktuell dort rein in Handarbeit hergestellt werden: Mabi Punch Le Gingembre und Mabi Punch La Karambole.
Beginnen wir mit dem Mabi Punch Le Gingembre (Lot F03121, abgefüllt 02/2021), der dem Namen nach natürlich Ingwer enthält. Man sieht auch sofort, dass das Fläschchen praktisch zur Hälfte mit Ingwerstäbchen gefüllt ist – da wird also nicht gespart an Material. Es entsteht dabei eine natürliche, minimale Trübung der blassgoldenen Flüssigkeit, die sich schwer und träge im Glas bewegt.
Der Geruch wirkt ebenso natürlich, da sind keine übertriebenen Aromen, die oft künstlich sind. Das hier ist wirklich klar erkennbar in seinen drei Komponenten, Rhum Agricole, Ingwer und Zucker. Sie gehen schön ineinander über, mit einer leichten floralen Seifigkeit. Da wird definitiv nicht versucht, der Nase zu schmeicheln, das ist frisch und frech, mit Alkoholkante.
Der Antrunk wirkt sehr süß, der Zucker beherrscht das Bild, aber kein neutraler raffinierter Zucker, sondern ich fühle hier eher den frischen Zuckerrohrsaft, wie ich ihn auf Guadeloupe oft getrunken habe, mit seiner brummenden Würze und kräftigen Aromatik. Der Ingwer kommt dann erst spät im Verlauf und im Abgang, dann aber wuchtig und kraftvoll, feurig pikant, den Gaumen kitzelnd und wärmend, und bleibt dann lange bei uns. Eine leichte Agricole-Grasigkeit ist ebenso da, ergänzt dieses sehr bodenständige Geschmacksbild, das am Ende dann fast erdig wirkt, mit dazu paradoxer Jasminblüte im Nachhall.
Mabi Punch La Karambole (Lot F05120, abgefüllt 08/2020) beinhaltet Stücke der Sternfrucht, nicht quer geschnitten in der oft gesehenen Sternform (woher die Frucht natürlich ihren Namen hat), sondern längs in Streifen, damit sie in das Fläschchen passen. Kleine Partikel, die davon abgegangen sind, schwimmen im Glas, das ist selbstverständlich kein Mangel, sondern bedingt durch die naturnahe Herstellung.
Der initiale Geruch ist dem des Ingwerpunches zunächst ähnlich, der würzige, süße und aromatische Zucker steht vorne und lässt andere Aromen nach und nach durch wie ein Türsteher. Der Basisrum ist hier klar definiert, eindeutig als Guadeloupe-Rum erkennbar, mit von sich aus schon schöner Fruchtigkeit – aber auch seiner etwas pieksenden Alkoholnote. Traubige Noten kommen danach, tropische, reife Früchte, nicht wirklich voneinander getrennt, einfach ein bunter Fruchtkorb.
Die wildwürzige Süße lässt sich auch im Mund etwas Zeit, Aromen freizugeben. Vanille kommt dann, etwas Zimt, Pistazien und türkischer Honig, das wirkt erstmal wie eine südeuropäische Süßspeise. Die Frucht bleibt durchgängig unterschwellig, also ganz im Gegensatz zur Nase, ohne wirklich unbalanciert zu wirken. Gegen Ende kommen dann die süßherben, beerigen Aromen der Sternfrucht heraus, die von sich aus ja nicht übermäßig aromatisch ist, und fügen sich in ein wirklich außergewöhnlich angenehmes Mundgefühl mit eleganter Bittere ein, das mittellang vorhält. Auch hier spürt man, dass nicht auf grelle Künstlichkeit gesetzt wird, sondern den feineren, tieferen und dezenteren Naturaromen ganz gemütlich Raum gelassen wird. Ganz am Ende hebt der Rhum Agricole nochmal mit grasigeren Tönen den Kopf.
Diese Liköre sind aromatisch und strukturell dicht, man merkt die Handarbeit und die rein natürlichen Zutaten in jedem Schluck. Ich gebe ja normalerweise Cocktailrezepte zu jeder Spirituose an, die ich hier vorstelle, das scheitert hier einfach an den reisebedingt kleinen Mengen, die ich aus Guadeloupe mitgebracht hatte. Und die paar Tropfen, die ich vom Mabi Punch habe, genieße ich ganz gemütlich, in kleinen Schlucken, auf einem Eiswürfel oder in Zimmertemperatur, schließe dabei die Augen, und lasse nochmal die Eindrücke revue passieren, die ich von dem Spaziergang durch den Garten von Madame Marie-Anne Billy und ihrer Töchter aufgesammelt habe. Für die, die sich das nicht bildlich vorstellen können, hier ein paar Bilder. Es kommt natürlich nicht mal ansatzweise an das echte Erlebnis heran, durch diesen wunderbaren Garten zu streifen, aus dem viele Früchte für die unterschiedlichen Sorten des Mabi Punch stammen, dort wachsen jedenfalls Ananas, Mangos, Guaven, Maracujas, Bananen, Sternfrucht, Goldpflaumen, Kirschen, Kokosnüsse und Honigbeeren – und auch Vanille, Hibiskus und andere Pflanzen, deren Duft man sich kaum entziehen kann und die mit wunderbaren Blüten das Auge verzaubern. Ein Paradies, ein Garten Eden, den ich nur widerwillig wieder verlassen musste.









Die beiden 10cl-Fläschchen habe ich im kleinen Destillerieshop bei Père Labat auf der Nebeninsel Marie-Galante gekauft, einfach, weil sie mir dort sofort ins Auge stachen – das ist ein tolles Design, und die kleinen Flaschen mit dem großen Hals sind einfach knuffig. Leider habe ich sonst nirgends die weiteren Sorten in dieser Größe gesehen, sonst hätte ich weitere mitgenommen, insbesondere die exotischeren Früchte wie Cythère (Goldpflaume) und Kenette (Honigbeere), die ich dort probiert hatte, hätten mir als Punch sicher noch gefallen. Die Punches gibt es natürlich auch in großen Flaschen. Ich weiß, dass ich ohne jeden zweiten Gedanken sofort zuschlagen werde, wenn ich diese wunderbaren Punches irgendwo hier in Europa sehe – und jedem, der eine Reise nach Guadeloupe antritt, rate ich, diese als Mitbringsel in die allerengste Wahl zu nehmen.