Pioniere habens schwer – Revolte 2014 MTQ

Revolte 2014 MTQ Titel

Manche Spirituosen haben es schwer bei mir. Die landen in meiner Heimbar, ich finde sie toll, aber irgendwie rutschen sie nach hinten und neue Dinge drängeln sich nach vorn. Das passiert andauernd, bei einer Flaschenzahl von nahezu 500 ist das irgendwie auch gar nicht anders denkbar, vor allem, da wöchentlich etwas passiert, was mich meine Besprechungsprioritäten überdenken lässt. Aber eine richtig gute Spirituose lässt sich davon nicht kleinkriegen, die bleibt im Gedächtnis haften, und man denkt immer wieder mal daran, und irgendwann kommt ihr Moment, wo sich der Rezensent ihr einfach nicht mehr entziehen kann, und sie aus dem Regal holt und sich fragt, warum sie so lange dahinten stehen konnte. So ging es mir zuletzt nun beim Revolte 2014 MTQ.

Ich wundere mich ehrlich, dass bei einer limitierten Flaschenzahl von 377 (meine Flasche hat Nummer 161) dieser Rum immer noch online zu bekommen ist – während ich den Artikel hier schreibe, recherchiere ich natürlich über die Verfügbarkeit, und ich war fest davon überzeugt, dass es wieder mal einen paläontologischen Bericht über längst getrunkenen Schnaps geben wird. Doch weit gefehlt, eine Freude, dass meine Besprechungsträgheit doch noch Früchte im aktuellen Leben tragen kann! Im aber doch wahrlich nun schon archaischen August 2014 wurde der Revolte 2014 MTQ destilliert, lagerte dann 3 Jahre im Ex-Rhum-Agricole-Fass (genauer gesagte Martinique, daher das Kürzel „MTQ“), und wurde dann laut handschriftlicher Eintragung im September 2017 abgefüllt – und weitere 5 Jahre später schreibe ich diesen Artikel. 56% Fassstärke-Alkoholgehalt, Single Cask, dramatische 21% Angels‘ Share – das sind Daten, wie ich sie mag. Raus mit dem markanten Korken, rein mit dem Rum ins Glas, ich habe zulange gewartet, um jetzt noch zu zögern.

Revolte 2014 MTQ

Pastellgold, eine ehrliche Farbe für die eingesetzte Reifedauer und das Material, finde ich – nicht, dass ich Felix Kaltenthaler je unnötige Färbung vorwerfen würde. Leicht und beweglich ist der Rum im Glas, fühlt sich optisch an wie Weißwein, bis auf die Rückstande an der Glaswand natürlich, die geradlinig in Beinchen ablaufen.

Das Glas, an die Nase gehalten, gibt direkt eine extrem florale, fast schon seifige Parfümnote ab, ohne dabei ins Artifizielle zu kippen, das wirkt natürlich und blumig, wie ein Strauß duftender Frühlingsblumen. Veilchen, Lavendel, Rosenblätter – sehr überraschend, im positiven Sinne. Die Rums aus dem Hause Kaltenthaler haben eine sehr hohe Typizität, man erkennt auch hier sofort die Handschrift des Brenners, denn unter den Blüten liegt dunkelfruchtige Melasse mit viel Pflaume, grasige Komponenten, Zedernholz und freche, zitrusfrische Zestigkeit. Eine schöne Kombination, ungewöhnlich, ansprechend.

Revolte 2014 MTQ Glas

Im Mund zeigt sich zunächst eine sehr weiche, süßliche Textur, die sich zart an den Gaumen legt, mit freundlichen und nussigen Aromen von geschälter Mandel, Anflügen von Milchschokolade und dunkler Fruchtmarmelade, Pflaumen und Datteln. Der Verlauf ist dann aber anders, kräftige Frucht drängt sich klar nach vorn, eine fast an Weinbrand erinnernde Traubigkeit entsteht, die auch eine fast heiße Würze mit sich bringt und aber den Alkoholgehalt nicht zu überdecken versucht oder vermag. Im Abgang wird der Rum deutlich holzig und trocken, mit astringierendem Gaumenfeuer. Die Süße des Antrunks, die durchgängig erhalten bleibt, fängt das zum Teil auf. Der Nachhall ist dann wieder anders, sehr kräuterig und gewürzlastig, mit viel Kardamom und einer Idee von Lakritz, Kaffee und Piment.

Man sieht, ein extrem vielschichtiger Rum, mit einem spannenden Erzählbogen, der verschiedenste Eindrücke aufsammelt und wiedergibt. Das wird nie langweilig, insbesondere, weil das in keinster Weise ein bequemer Rum ist – nein, da ist Verve drin, Energie und Dynamik, man erkennt so richtig die Persönlichkeit Felix Kaltenthalers: ein Brennerrum, in dem man spürt, mit wieviel Herzblut rangegangen wurde.


Man sieht, ich halte viel von Revolte im Allgemeinen und dem Revolte 2014 MTQ im Speziellen – soviel, dass ich überhaupt keinen Gedanken daran verschwende, ob der Rum in einem Tiki-Cocktail, der auch getorften Whisky enthält, nicht untergehen könnte. Ha! Keine Sekunde des Zweifels gibt es da, weder bei der Wahl des Rezepts für diesen Rum, noch beim Mixen des Between Scylla & Charybdis, noch beim Trinken danach. Den MTQ schmeckt man raus, auch gegen den hierfür verwendeten Laphroaig.

Between Scylla & Charybdis Cocktail

Between Scylla & Charybdis
2oz / 60ml gereifter Rum
½oz / 15ml Cynar
1½oz / 45ml Grapefruitsaft
⅓oz / 20ml Limettensaft
⅓oz / 20ml getorfter Whisky
Auf crushed ice shaken, dirty dump, mit crushed ice auffüllen.

[Rezept nach servedbysoberon]


Neben dem geschmacklichen Wiedererkennungswert, den ich oben schon erwähnt hatte, setzt Revolte auch voll auf den optischen – die Flasche ist markant und einprägsam, sie wurde schon bei allen anderen Produkten des Hauses verwendet, manchmal leicht variiert durch Vermilchglasung oder Mattierung des Glases. Ich mag diese Form und den tollen Korken einfach sehr, die macht was her, liegt gut in der Hand, und, wie gesagt, man muss sie selbst im übervollen Flaschenregal nicht wirklich suchen, die Revolte-Rums findet man immer schnell. Handschriftlich eingetragene Details sind darüber hinaus auch immer angenehm zu betrachten.

Rein geschmacklich ist der Revolte 2014 MTQ wahrscheinlich eher was für den Kenner, der wilde Aromen und kräftige Strukturen im Brand mag, aber das ist ja schon im Namen der Marke festgehalten – hier wird nicht dem gemütlichen Gaumen des müden Durchschnittstrinkers geschmeichelt, sondern eine freche Attacke gefahren. Ein Rum, der sich den modernen, kantigen Single-Cask-Rums aus Jamaica, Guadeloupe oder auch Mittelamerika annähert, ohne die deutschen Wurzeln aufzugeben, aus denen er vor vielen Jahren als Pionier hervorgegangen ist. Revolte eben.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.