In letzter Zeit hat die Renaissance von Rye Whiskeys dafür gesorgt, dass auch Bourbons mit hohem Roggenanteil in der Rezeptur beliebt sind. Sie sind etwas würziger als das Gegenstück, die Bourbons mit höherem Weizenanteil, die im Gegensatz dazu mit der Weichheit und Drinkability werben, die der Weizen mit sich bringt (dem geneigten Bierfreund ist das Phänomen sehr bekannt). Das hierzulande wahrscheinlich bekannteste Beispiel für diese „wheated Bourbons“ ist Maker’s Mark, ein anderes Beispiel ist der hier besprochene Old Weller Antique Kentucky Straight Bourbon Whiskey – und es besteht ein Konkurrenzkampf darüber, wer das Recht an der „Erfindung“ von weizenlastigen Bourbons hat. Buffalo Trace, der Hersteller von Old Weller Antique, präsentiert sich mit dem selbstbewussten Spruch „The Original Wheated Bourbon“ auf dem Etikett – Maker’s Mark versichert, dass die Idee auf ihrem Familienmist gewachsen sei.
Der Bourbonexperte Chuck Cowdery klärt in einem lesenswerten Artikel auf seinem Blog darüber auf, dass wahrscheinlich beide Unrecht haben, und sich in Marketingfiktion ergehen. Die Geschichte darüber sollte jeden Genusstrinker interessieren, nicht nur Spirituosenhistoriker, denn es betrifft einen Aspekt, der gerade in der sehr von Blabla und Blubbblubb gesteuerten Welt des Hochprozentigen aktuell ist: Das Gelaber und Zusammenfantasieren von Geschichten über die eigenen Produkte ist ein beliebter Zeitvertreib vieler Hersteller in allerlei Spirituosenkategorien. Der moderne, interessierte Schnapsfreund will Transparenz und nicht derartige Täuschungsmanöver. Wollen wir mal sehen, ob der Inhalt der Flasche wenigstens was taugt? Schreiten wir zur Verkostung.
Es ist keine Altersangabe auf dem Etikett vermerkt, „Antique“ ist hier wohl eher als Markenname als als echte Altersangabe zu verstehen. Die Farbe wirkt aber sehr antik, geht fast schon ins Haselnussbraun über; da bei Straight Bourbon verboten, ist keine Nachfärbung vorhanden. Im Glas schwenkt sich dieser Bourbon leicht ölig, mit schönen Überresten am Glasrand.
Dabei nehmen wir auch schon direkt den Geruch wahr, der sich schnell weit ums Glas herum verbreitet. Aprikose, Erdbeere, Malz, das sind die Eindrücke, die man schon von weit entfernt riecht; geht man mit der Nase ins Glas kommen die holzigen und würzigen Komponenten zum Tragen. Vanille ist bei Bourbon immer da, eine leichte Karottennote, und eine milde, aber präsente Lösungsmittelnote. Insgesamt höchstattraktiv.
Weizenlastige Bourbons sind immer sehr genehm im Antrunk, der Old Weller Antique macht hier keine Ausnahme. Sehr süß, cremig, weich, rund und dabei trotzdem sehr breit. Zunächst fruchtig und leicht milchig im Geschmack, im Verlauf wird er immer würziger und wuchtiger, pfeffriger. Ein gelungener Spannungsbogen, der von den üppigen 53,5% (107 proof in der amerikanischen Sprechweise) perfekt getragen wird, ohne dass diese auch nur ansatzweise negativ auffallen.
Am Ende wird es heiß und schokoladig, trocken und noch fruchtiger, Aprikose und Pfirsich dominieren den Abgang. Sehr komplex und spannend, langanhaltend und beeindruckend. Im Nachhall ist sehr lange reife Banane und Vanille am Gaumen. Ein Bourbon, der sowohl dem Einsteiger als auch dem Experten viel zu bieten hat.
Ich erwähne es oft und gern – Bourbon ist die Cocktailspirituose schlechthin. Für mich schlägt er selbst den vielseitigen Rum in diesem Bereich. Nicht nur, dass die Bourbonaromatik großartig in süßen und schweren Drinks ankommt wie in frischen und leichten – man muss sich echt wirklich dumm anstellen, um einen Cocktail mit Bourbon zu versauen. Die ideale Einsteigerspirituose für Cocktailfreunde also. Und er arbeitet freundlich und kollegial mit praktisch allen anderen Zutaten zusammen, seien sie auch noch so verschieden – wie man gut im sehr bunt zusammengesetzten Beelzebub sehen kann. Old Weller Antique ist selbst in dieser gehobenen Gesellschaft ein feiner Gentleman und darum als Hausbourbon für die Heimbar perfekt geeignet.
Beelzebub
1½ oz Kentucky Straight Bourbon Whiskey
¾ oz Zitronensaft
½ oz Orgeat
½ oz Amaro
½ oz Mezcal
Auf Eis shaken.
[Rezept nach Blade and Bow]
Pappy Van Winkle – ein Name wie ein Donnerhall in der Bourbon-Welt. Unbezahlbar und nicht erreichbar für die allermeisten Bourbonfreunde ranken sich Gerüchte und Legenden um diesen Tropfen, der wie der Old Weller Antique bei Buffalo Trace hergestellt wird, und, verknappt und beweihräuchert, regelmäßig absurde Preise in Zuweisungslotterien und Versteigerungen erzielt. Ich gehe tatsächlich davon aus, dass viele sich diesen Bourbon kaufen, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie dieser legendäre Schnaps schmeckt. Was ist der Unterschied in der Herstellung? Eigentlich, von der Destillation her, keiner. Die Mashbill, also die Rezeptzusammensetzung, ist bei allen Wheaters von Buffalo Trace identisch. Es ist ausschließlich die Fassauswahl, die entscheidet.
Die Van-Winkle-Abfüllungen kommen aus den besten, handausgewählten Fässern und erfahren eine entsprechende Vorzugsbehandlung, was die Reifungsdauer und Platzierung im Lagerhaus angeht. Aus dem, was diesen hohen Ansprüchen nicht gerecht wird, macht man Van Winkle Lot B, und dem, was da nicht verwendet wird, den Weller 12 Years. Dasselbe Material geht schließlich in den Old Weller Antique, der einfach weniger gereift wird – man sieht, es ist trotzdem Qualität, die man in der Flasche findet, keineswegs Ausschuss.
Einen letzten Tip noch. Wenn man sich dann mal ein Glas des Old Weller Antique eingegossen und genossen hatte, das Glas ungespült einfach über Nacht stehen lassen. Am nächsten Morgen wird einen ein gar herrliches Bouquet, das weit über das Glas hinausströmt, begrüßen. Das kann guter Bourbon wie keine andere Spirituose auf der Welt, und ich genieße das immer wieder erneut.