Leider ist es immer noch ein Verbrechen in Deutschland, Lebensmittel, die weggeworfen werden, aus dem Müll zu retten – eine Schande, deren sich die deutsche Justiz hoffentlich bald klar wird. Wir verschwenden Nahrungsmittel im richtig großen Stil, teilweise werden Dinge entsorgt, weil sie rein optisch nicht mehr mithalten können oder seltsame Formen haben. Das Unternehmen Rettergut nimmt sich derartigen Missständen an. Und zusammen mit der Brauerei Brewdog haben sie ein Bier aus genau solchen Mängelzutaten hergestellt. Das Brewdog & Rettergut Planet A New England IPA ist mit 6,3% Alkoholgehalt eingebraut worden und, in einer Dose mit Papieretikett abgefüllt, bei mir gelandet.
Dunkles Eigelb-Gelb. Stilgerecht komplett trüb und blickdicht („hazy“), dennoch sieht man an der Glaswand meines IPA-Glases die Bläschen schnell und aktiv aufsteigen. Der Schaum ist sehr grobblasig und wirkt dadurch wie Styropor, fällt aber auch bald in sich zusammen.
Zwei Zutaten teilen sich die Geruchsdominanz – typische Aromahopfeneindrücke, sehr bitter, sehr in Richtung Grapefruitschale; und dann aber auch wirklich sehr, sehr, sehr viel Aprikose. Die pürierten „Misfit“-Aprikosen, die sonst weggeworfen worden wären, hauchen diesem Bier wirklich eine zusätzliche Fruchtebene ein. Und selbst das Brot meint man herausriechen zu können; leicht hefig, leicht gerstig, leicht teigig. Insgesamt dominiert dennoch der stiltypische Aromahopfen mit fruchtigen Noten.
Im Mund wirkt das ganze dann aber deutlich unrunder. Die Bitterkeit und Fruchtigkeit sind für meinen Geschmack sehr mäßig ineinander integriert, das fühlt sich so richtig kantig und falsch an. Cremigkeit und Säure verhalten sich zueinander ähnlich unfreundlich; die Säure ist viel zu beherrschend. Statt eines komplexen Charakters hat das Bier vier Aspekte, die so überhaupt nicht miteinander spielen wollen, und jeder für sich bleibt oberflächlich. Der Abgang schließlich ist sehr kurz, sehr bitter, sehr brotig; ein schöner Aprikosennachhall versöhnt ganz am Ende dann noch etwas, und das ist der Eindruck, der noch etwas bleibt.
Tolle Optik, toller Geruch, toller Abgang – schade, dass der Geschmack dazwischen nicht mithalten kann. Für meinen Geschmack ist das ein fehlgeschlagenes Experiment, das allerdings einen sehr lobenswerten Charakter hat. Vielleicht tun die beiden Firmen sich mal erneut zusammen und probieren nochmal, etwas ähnliches (von den Zutaten her!) zu entwickeln. Sicherlich würde ich dem positiv gegenüber stehen, denn gerade bei einem Produkt wie Bier, wo die reine Optik des Basismaterials nun wirklich keine Rolle spielt, darf man ruhig nachhaltiger arbeiten.
Offenlegung: Ich danke Brewdog für die kosten- und bedingungslose Zusendung von 2 Dosen dieses Biers.