Man kann auf sehr unterschiedlichen Seiten des Rumspektrums stehen, und trotzdem ein gutes Verhältnis pflegen. Ich persönlich halte überhaupt nichts davon, Fronten aufzubauen, den Krieg zu erklären, Ausgrenzung und Ablehnung zu betreiben, wie manche Rumkenner das tun, und das alles nur wegen eines Genussmittels. Wenn die Einstellung zu einem Getränk wichtiger wird als zu den Menschen dahinter, läuft etwas schief. Persönlich mag ich meinen Rum sauber und unverändert, und ich kämpfe weiterhin mit Energie dafür, dass Ehrlichkeit und Transparenz gefördert werden, doch das wird mich nie daran hindern, mit Personen, die anders denken, vernünftig und gesittet zu reden. Entsprechend freute ich mich sehr, als der langjährige Brand Ambassador für Botucal/Diplomático, Peter Schütte, mich einlud, an der Botucal Blending Session teilzunehmen. Die Corona-Krise zwingt uns dazu, solche Treffen remote abzuhalten, doch es funktioniert überraschend gut, wenn das ganze wohlorganisiert ist: Die Samples der Botucal Distillery Collection kamen zuverlässig bei mir per Post an, der Link zum Zoom-Meeting klappte auch direkt, und ein gutgelaunter Moderator sorgte bei immerhin 30 (hin und wieder nur mäßig disziplinierten) Rumfreunden für einen runden, gut zweistündigen Ablauf. Es gab sehr viel fachliche Information zu den verschiedenen Brennapparaten und Vorgehensweisen, auch ein Fortgeschrittener wie ich konnte noch was dazulernen.
Es sollte eine Einführung in die unterschiedlichen Komponenten des bekanntesten Produkts des Hauses werden, dessen Zusammensetzung und Herstellung, sowie die Möglichkeit, sich unter Anleitung einen individuellen Blend zusammenzustellen. Eine herausragende Idee, man kann dabei sehr viel lernen und erfahren. Für mich war das eigentliche Ziel, endlich herauszufinden, wie einer der bekanntesten Süßrums der Welt ohne die Nachsüßung schmeckt. Selbst wenn die „neue“ Rezeptur nur noch rund 35g/L Süßung aufweist statt den früher üblichen 44g/L, ist das für mich persönlich immer noch viel zu viel. Die Frage, die sich mir bei solchen Produkten immer stellt, ist: Warum wird so stark gesüßt? Ist es, um ein schlechtes Destillat zu pimpen, oder eher doch simplerweise, um dem süßen Zahn der Kundschaft entgegen zu kommen? Ersteres wäre schlicht Betrug, zweiteres eine unternehmerische Entscheidung. Endlich habe ich die Möglichkeit, diese Frage zumindest für mich zu beantworten.
Entsprechend habe ich den Blend des Reserva Exclusiva mit den drei Distillery Collection-Rums nachgebaut – laut der Angabe des Herstellers bedeutet das, 80% Pot-Still-Rum („N°3“), 10% Batch-Kettle-Rum („N°1“) und 10% French-Barbet-Rum („N°2“). Für die einzelnen Rums habe ich bereits meine Meinung kundgetan. Da alle Distillery Collection-Rums auf 47% eingestellt sind, müsste am Ende noch etwas Wasser zugesetzt werden, um die Trinkstärke von 40% des Standardprodukts zu erreichen, ich habe nur einen kleinen Spritzer verwendet. In der Blending Session wurde vorgeschlagen, noch selbst zu süßen, das habe ich natürlich gelassen.
Das Ergebnis ist sehr befriedigend und erstaunlich; der Schlimmerdurst–Botucal-Blend ist am Ende ein sehr attraktiver Rum geworden. Auch wenn N°1 und N°2 als Einzelprodukte wenig Begeisterung erregen können, so ist der Hauptanteil, der N°3, ein durchaus gelungener Brand. Die Süßung ist nach dieser Erfahrung definitiv kein Versuch, ein schlechtes Destillat zu maskieren.
Ich muss aber auch deutlichst sagen – die Süßung verschlechtert meiner Meinung nach das Endprodukt extrem. Es ist wirklich schade, dass ein interessantes und gelungenes Destillat, das ohne Mühe auf sich gestellt bestehen und sogar Rumfreunde sehr glücklich machen kann, durch den Zucker plumper, langweiliger, stumpfer, oberflächlicher, kurz: schlechter gemacht werden muss. Nun, vielleicht gibt es irgendwann ein Umdenken beim venezuelanischen Hersteller DUSA. Der Markterfolg der Marke stimmt mich nicht optimistisch diesbezüglich, aber zumindest konnte ich für mich dank dieser Session meinen Frieden mit Botucal/Diplomático machen – sie können sehr guten unverfälschten Rum machen, wollen es aber halt offensichtlich nicht. Dagegen kommt man nicht an, schade.
Offenlegung: Ich danke dem Brand Ambassador Peter Schütte für die kosten- und bedingungslose Zusendung der Samples und die Einladung in die Blending Session.