Meine Reise durch die Rumwelt Madeiras geht weiter – nach einem ungereiften Zuckerrohrsaftbrand kommt nun ein gereifter Rum der Insel ins Glas: der Rum Nation Rare Cask Engenho Novo Rum Agricole da Madeira wurde 2009 destilliert, ruhte dann bis zur Abfüllung in einem Ex-Madeira-Fass. 570 Flaschen ergab das ganze am Ende zu 52% Alkoholgehalt. Laut einer Messung von thefatrumpirate enthält dieser Rum 10g/L Zusätze, ich teile seine Vermutung, dass dies Reste aus den verwendeten, nicht ganz sauber geleerten Madeira-Fässern sind.
Direkt nach dem Eingießen nehme ich eine starke Klebstoffnote wahr, die schnell verfliegt. Danach bleibt etwas Lack, Vanille, grünes Holz, Haselnuss, eine durchaus kräftige Essignote, dazu Schwefel. Mich erinnert der Geruch an eine Mischung aus rhum agricole und Brandy de Jerez. Jedenfalls spannend!
Im Mund – ui, ist der sauer. Die Essigkomponente bestätigt sich sehr deutlich, auch der Schwefel. Eine milde Schärfe (schwarzer Pfeffer?) ist von Anfang an da, verstärkt sich zum Ende. Insgesamt ist der Rum richtig trocken, saugt einem die Spucke vom Gaumen; man sieht, die Zusätze müssen nicht unbedingt geschmacklich in Form von Süße erkennbar sein. Er ist sehr nussig, dunkelfruchtig, hat fast schon etwas von einem Sherry. Etwas später: Vanille, Vanille, Vanille – opulent, muss man sagen.
Der Abgang ist höchstens mittellang, heiß, metallisch und adstringierend. Eine leichte Betäubung setzt an der Zungenspitze ein. Die Pfefferschärfe bleibt lange auf der Zunge und im Rachen, ein Nachklang von Sahnetorte überrascht etwas, und die scheinbar supertypische Brombeernote, dich ich in allen Rums aus Madeira entdecke, komplettiert das ganze.
Hm, ich fühle mich hin- und hergerissen. Einerseits mag ich Rums, die mich überraschen und etwas aus dem Raster fallen; andererseits wirkt dieser Madeiraner doch im Gesamtbild sehr unrund, springend, unstet – da ist keine Linie erkennbar. Die Säure ist für meinen Geschmack darüberhinaus bereits übertrieben, die Vanilleopulenz dagegen betört. Ich bleibe ratlos zurück.
Offenlegung: Ich danke Rum Nation für die kostenlose Zusendung dieses Samples.
Weißt Du, welche Brennerei dahinter steckt? Meines Wissens, und die Tourusmusinformationen bei meinem Urlaub letztes Jahr gaben auch nichts anderes her, gibt es auf Madeira 2 Rumbrenner: Engenhos do Norte in Porto da Cruz und Engenhos da Calheta in Calheta. Oder sollte es mittlerweile mehr Brennereien geben?
Gruß Karsten
Ich bin noch nicht auf Madeira gewesen, kann diese Frage nicht endgültig beantworten – letztlich scheint Engenho Novo aber eine neue Brennerei („novo“ im Namen deutet auch darauf hin) zu sein. Sie wurde 2006 gegründet. Über Details weiß ich genausoviel wie Du. :)
Also ich habe die Vermutung, dass wir es hier eher mit einem Vermarkter zu tun haben, der sowohl bei den beiden kleinen Brennereien als auch bei der großen Brennerei in Funchal kauft.
Die scheinen auch eng mit der Marke William Hinton verknüpft zu sein. Dort wiederum trifft man auch ziemliches Durcheinandergeschwurbel…
Mal wird von Destillation in der Pot-still gesprochen, so wie ich sie in Porto da Cruz gesehen habe, dann wieder wird die Kolonne mit acht Böden gelobt…hört sich für mich nach Marketingblabla an.
Also ich persönlich empfehle hier mal die Brennerei „Engenhos do Norte“.
Dort kann man sich ganz zwanglos in der Brennerei umsehen und alle Produktionsschritte nachvollziehen. Wenn man ein wenig Vorwissen hat, kann man man wirklich viele Details finden. Es gibt auch einige erklärende HInweistafeln.
Die gesamte Destillerie wir nur zwei Monate im Jahr betrieben, wenn das Zuckerrohr geerntet wird. Es wird Frischer Saft vergoren, wobei die offenen Betontanks immer nur zur Hälfte geleert und dann wieder mit frischem Saft aufgefüllt.
Da hier nicht mit Melasse oder Miel de Cana gearbeitet wird, kann man daran auch nichts ändern.
Die offenen Tanks bedingen ausserdem eine Vergärung mit autochtonen Hefen, die leichte Schwankungen im Aroma des Endproduktes hervorrufen.
Hier wird es dann interessant wenn man die ca. 50 Euro investiert und sich im 30 meter entfernten Shop der aktuellen single Cask Ausgabe widmet. Man kann dort die aktuelle Abfüllung probieren und direkt eine der Flaschen aus dem probierten Fass kaufen. Wie gesagt… ohne Zusätze, ungesüsst, cask strength.
Nach Information der Verkäuferin ist der Inhalt einer Single Cask Edition ( um die 250 Flaschen) normalerweise innerhalb von vier bis sechs Wochen abverkauft.
dann kommt das nächste Fass in die Abfüllung.
Ich habe mir letzte Woche eine Flasche mitgenommen…
von 2008….abgefüllt 2018.
zehn Jahre in einem 172l Fass.
51,1 %vol
Ich bin jetzt kein Profi und werde keine Tastingnotes von mir geben. Aber ich mag gerne Whisky, Weinbrände, Portwein und Banyuls…
und seit neuestem mag ich auch Rum ….
Pur natürlich.