Es ist schon eine kleine Weile her, dass ich den letzten Rhum Agricole im Glas hatte – sehr attraktive Melasse-Rums und andere Spirituosengattungen hatten in letzter Zeit meine Aufmerksamkeit eingenommen. Es wird also Zeit, dass diesem unhaltbaren Zustand endlich wieder Abhilfe geschaffen wird! Der Saint James Cuvée 1765 Rhum Vieux Agricole kommt da gerade recht. Es handelt sich bei ihm um einen Blend von martinikanischen Rums, die jeweils mindestens 6 Jahre gereift wurden. Das ganze wird mit 42% Alkoholgehalt abgespielt.
Färbung ist auch bei den strengen Regeln des AOC, denen dieser Rum unterliegt, erlaubt. Entsprechend vorsichtig beurteile ich, wie immer, die Farbe; zumindest scheint sie mir mit ihrem hellem Bernstein für das Alter der Assemblage glaubwürdig zu sein. Nur leichte Schwere ist beim Schwenken zu erkennen, die dabei enstehenden Beine bleiben fast an einer Position stehen, so langsam laufen sie ab.
Ich bin bei der Geruchsprobe sehr überrascht – ein extrem stechender, beißender Klebstoffgeruch ist alles, was ich zu Beginn wahrnehme, dermaßen penetrant, dass ich kaum die Nase ins Glas halten kann. Also erstmal eine Weile offen stehen lassen, denke ich – und tatsächlich, nach einer Weile öffnet er sich und die Beißzange verfliegt etwas, ohne aber ganz zu verschwinden. Schöne Reifungsnoten blitzen nun auf, Vanille und getoastetes Holz, Muskatnuss, Heu. Insgesamt ein recht würzig-aromatischer Antritt.
Im Mund ist der Saint James Cuvée 1765 sehr breit, dabei aber auch etwas flach. Die Würzigkeit steht im Antrunk noch Vordergrund, dort aber schon untermalt von cremiger, marmeladiger Süße. Erdbeeren, Mango, Honig und Vollmilchschokolade melden sich an und übernehmen immer mehr das Ruder. Im Mittelteil beginnt sich eine feine, dezente Chilischärfe ausmachen zu lassen, die schließlich stärker und dominanter wird.
Der Abgang ist dann aber wieder sehr süß, kühlender Eukalyptus breitet sich aus, er wird nicht zu trocken, leicht adstringierend; erneut habe ich die starke Assoziation zu Marmelade oder Erdbeerkompott. Insgesamt wirkt er mittellang auf mich, insbesondere die Fruchtnoten hängen lange nach, und er klingt mit ein paar kiesigen, grasigen Eindrücken aus.
Diese Kurzbesprechung basiert auf einem 5cl-Sample, die volle 700ml-Flasche kostet um die 50€. Das kann man durchaus ausgeben für diesen Rhum, wenn man nicht ausschließlich auf supertrockene Exemplare steht. Gerade das sehr aparte An- und wieder Abschwellen der Schärfe und die Eukalyptusfrische finde ich toll; mir persönlich ist der Saint James Cuvée 1765 aber letztlich im Gesamtbild einen Ticken zu unverbindlich, als dass ich ihn in Zukunft in die ganze enge Wahl ziehen würde.
Ein Kommentar zu “Kurz und bündig – Saint James Cuvée 1765 Rhum Vieux Agricole”