Die Berliner haben sie, und die Bayern auch. Beide nennen ihr liebstes Bier „Weisse“. Wer beide Sorten schonmal getrunken hat, wird mir zustimmen – unterschiedlicher können Biere kaum sein. Das Haupstadtbier ist ein sehr saures und leichtes Bier, das süddeutsche Getränk ein eher süßes, vollmundiges Schaumbier. Während ersteres eine Weile kurz vor dem Aussterben stand und praktisch nur durch das Interesse an alten Bierstilen im Zuge der Craftrevolution wiederbelebt wurde, hat letzteres ganz Süddeutschland, und auch Teile Restdeutschlands im Sturm erobert und wurde zu einer der beliebtesten regionalen Biersorten überhaupt. Die meisten Nichtbayern kennen es allerdings unter einem anderen Namen – Weizenbier, manchmal auch Hefeweizen.
Für die meisten Biertrinker ist das relativ irrelevant, doch die Weisse (ab sofort nutze ich diesen Begriff ausschließlich für die bayerische Variante) zeichnet gleich zwei Dinge aus. Erstens, sie ist der eine obergärige Braustil, der die Industrievereinheitlichung der deutschen Bierkultur auf ein standardisiertes untergäriges Pils in den letzten Jahrzehnten ohne Schaden überstanden hat, sogar floriert; alle anderen, wie Kölsch, Alt oder eben die Berliner Weisse, sind nur in Kulturtaschen übrig geblieben. Zweitens: einst war das Weißbierbrauen ein Privileg für die Hochherrschaftlichen. Das Weizenbiermonopol sollte dafür sorgen, dass der gute Weizen, eigentlich für die Brotproduktion geschützt durch das Reinheitsgebot, wenn dann doch verbraut wenigstens noch ein gute Einnahmequelle für den Landesherrn darstellte. Heute ist das natürlich nicht mehr der Fall, im Gegenteil, das Weißbier ist das Sommerbier, das die Leute im Biergarten über groß und klein miteinander verbindet.
Eine der ganz klassischen Marken in diesem Segment ist die Maisel’s Weisse. Seit Mitte des letzten Jahrhunderts stellt die Bayreuther Brauerei Gebr. Maisel dieses Bier her, rund 400000 Hektoliter pro Jahr inzwischen. Fünf Sorten von Weißbier werden inzwischen hergestellt, die ich heute hier vorstellen will: Maisel’s Weisse Original, Kristall, Dunkel, Light und Alkoholfrei. Halten wir es bei einer solchen Menge von anstehenden Verkostungen einfach mal mit dem Herzkönig aus Alice im Wunderland: Beginnen wir am Anfang, fahren dann fort bis zum Ende, und hören dort auf.
Der Anfang ist natürlich das Maisel’s Weisse Original. Wer Weißbier stilecht trinken will, braucht dafür aber erstmal ein entsprechendes Glas – durch die starke Schaumentwicklung, die durch die Flaschengärung entsteht, ist ein „Aus-der-Flasche-Trinken“ bei Weißbier auch schon rein technisch nur sehr suboptimal möglich. Ein echtes Hefeweizenglas präsentiert das Bier darüberhinaus auch schön, so dass man den kräftigen Safranton und die wunderbare Weißbierkrone beim Eingießen bewundern kann. Leider ist letzteres zügig verschwunden.
Der Geruch aber bleibt: Äußerst stark nach Banane. Leicht hefig. Nelken. Der wahre Kick bei Weizenbieren ist aber nicht die Nase, sondern der Geschmack. Und beim Maisel’s Weisse Original bekommt man ein archetypisches Hefeweizen. Voluminös im Körper und seidig im Mundgefühl. Dabei supererfrischend und durstlöschend dank sehr runder Süße-Säure-Balance; es läuft mir jedenfalls ohne jeglichen Widerstand zügig die Kehle runter.
Der nicht erwähnenswerte, kurzer Abgang mit einer etwas vordergründigen Süße sorgt dafür, dass der Gaumen wieder schnell offen für neues ist: Ein ideales Gebrauchsbier für die heißen Tage. Mit 5,2% sind wir auch dafür bereit, mal zwei oder drei davon zu konsumieren, wenn der Durst schlimm ist.
Man kennt es von anderen Bierstilen – eine natürliche Trübung wurde früher gern als Mangel wahrgenommen, der Traum war die strahlende Kristallklarheit. Dass diese scheinbar nur optische Veränderung auch Nachteile mit sich bringt, war der aufs Äußere gerichteten Biergesellschaft lange Zeit egal. Die Folge davon sind Biere wie das Maisel’s Weisse Kristall.
Blassgolden, fast schon bleich, und wie der Name schon sagt, kristallklar, steht es im Glas. Da auch erstmal wenig Schaum auftritt ist der optische Eindruck dann doch nicht so wie gewünscht. Auch beim Geruch muss man mit Einschränkungen rechnen: Leicht nach Hefe, Banane und Nelken – sonst geruchlich ziemlich neutral, sehr deutlich ärmer als das Hefeweißbier. Eine Nummer kleiner ist es auch im Alkoholgehalt: 5,1% weist das Kristall auf. Ich hoffe auf Verbesserung im Geschmack.
Dieser ist süßlich nach Nelken, doch mit einer vorbildlichen klaren Kante im Mund; würzig und dabei trotzdem recht klar. Leider bleibt das Kristall geschmacklich, bis auf die deutliche Nelkenkomponente, fast so neutral wie im Geruch. Mittelmäßig rezent ist es dennoch gut durstlöschend – das einzige, was dieses Bier noch rettet.
Die Einleitung zu diesem Bier machte es vielleicht schon deutlich: Ich bin kein Freund nachfiltrierter Biere. Mir ist unklar, warum jemand ein filtriertes Kristallweizen einem vollsatten, viel aromatischeren Hefeweizen vorziehen will. So ehrlich muss ich dann auch bei dem Bier von Maisel sein: Das Kristall ist ein dünner, oberflächlicher, recht langweiliger Durstlöscher, kein Bier, das man genießt. Das gilt für mich aber auch für die Kristallweizen aller anderen Hersteller. Man kann es aber schön im direkten Vergleich als Beweis dafür hernehmen, dass bei der Filtration und Klärung eine enorme Menge an Aromastoffen mit aus dem Bier herausgeschöpft wird.
Da wir schon bei der Farbe sind, können wir fortfahren mit einem Bier, das die Gemüter spaltet. Die einen lieben dunkles Weizenbier, die anderen wollen nichts damit zu tun haben, aus dem einen oder anderen Grund. Wie schlägt sich das Maisel’s Weisse Dunkel in dieser Kategorie?
Kräftige braune Farbe, gebrannte Siena, hefetrüb, dabei im Gegensatz zu manch anderem Dunkel in seiner Intensität nicht mit Colabier verwechselbar. Wenig Schaum für ein Weißbier, der nach einigen Minuten sogar fast ganz verschwunden ist. Erster Geruchseindruck: Metall. Das verfliegt aber schnell, und macht Platz für eine sehr tiefe, feine Würze. Malz, Holz, Rauch. Dazu ein Hauch Aprikosen. Sehr angenehm.
Auch im Mund sind diese Komponenten schön erschmeckbar. Die unabstreitbare Malzigkeit ist dabei aber nur leicht süß, die Würze steht im Vordergrund. Klar holzig und mit einem Anflug von Rauch. Nelken. Sehr attraktiv zu trinken. Hohe Rezenz, gut gekühlt auch sehr erfrischend, mit 5,2% Alkohol auch sortentypisch nicht zu stark. Wer mit dunklem Bier immer schwere Malzbrocken verbindet, wird hier eines besseren belehrt. Wer daher, wie ich oben erwähnte, kein dunkles Weizenbier anfassen will, weil er meint, es sei zu malzig-süß, sollte definitiv mal einen Blick auf das Maisel’s Weisse Dunkel werfen, um Vorurteile abzubauen.
Der Abgang bleibt eher kurz, knackig-säuerlich und nur leicht bitter, mehr edelherb, und trocken. Die von vielen anderen dunklen Bieren erinnerte pappige Süße am Gaumen fehlt komplett. Ich fasse mal kurz zusammen: Ein tolles Bier.
Während diese bisher vorgestellten Sorten typisch und althergebracht sind, bewegen wir uns nun auf ein Segment der Bierherstellung zu, das in den letzten Jahren immer mehr an Anhängern gewonnen hat. Diese müssen dabei allerdings so einiges an Spott seitens der traditionellen, eher etwas unflexiblen konservativen Biertrinkerschaft einstecken.
Trüb und fast schon hennarot, mit feinem Schaum und hübsch anzusehen: Man würde nicht für möglich halten, dass es sich hinter dieser hübschen Oberfläche eine freakige Mutation versteckt – alkoholreduziertes Bier. 3,1%, also 40% weniger als das Original, weist das Maisel’s Weisse Light auf, das schmerzt auf den ersten Blick, da Alkohol ja Geschmacksträger ist. Ich riskiere es trotzdem, daran vorsichtig zu schnuppern, man muss aufpassen, vielleicht beißt es ja.
Etwas metallisch direkt nach dem Eingießen, das verfliegt aber nach wenigen Minuten. Es bleibt eine bananige Note, sahnig, minimalst fruchtig nach mildem Obst wie Birnen. Es ist aber schon zurückhaltend, beißt also nicht. Da kann man ja einen Schluck wagen.
Hm, bei allem vorurteilsbehafteten Spott, das Light weiß schon zu gefallen. Im ersten Antrunk merkt man erstmal nichts von der Alkoholreduktion, da kommen weißbiertypische Aromen wie Bananen und Nelken zum Vorschein, Süße und Säure spielen sich gut ein. Sehr süffig zu trinken, und mit weichem Mundgefühl. Erst im Abgang erkennt man einen deutlichen Unterschied zum Original – da ist sehr viel weniger Körper und Dichte, etwas weniger Würze, was dazu führt, dass die Süße vielleicht überhand nimmt.
Insgesamt bin ich aber sehr positiv überrascht, und mir sicher, dass sehr viele Biertrinker den Unterschied kaum wahrnehmen werden. Und wenn das so ist, dann stellt sich die Frage, warum man nicht öfters lieber ein leichteres Bier trinken sollte, wenn es aromatisch so ähnlich zum Vollbier ist. Wir trinken ja schließlich nicht wegen des Effekts, sondern wegen des Genusses, oder? Ich empfehle das jedem mal auszuprobieren. Gerade als Essensbegleiter ist das Maisel’s Weisse Light daher ein Geheimtip.
Nun begeben wir uns aber auf gaaaaanz dünnes Eis. Alkoholreduziert mag ja noch angehen. Aber komplett ohne Wirkstoff? Spaß beiseite – die allermeisten alkoholfreien Biere, die ich schon probiert hatte, haben durchweg enttäuscht. Doch optisch ist das Maisel’s Weisse Alkoholfrei erstmal nicht vom Original zu unterscheiden, selbe Farbe, selber Schaum, ein Zwilling. Geruchlich ist das Alkoholfrei aber deutlich metallischer, wie eine Packung neuer Stahlnägel aus dem Baumarkt. Etwas Banane, aber nur, wenn man genau aufpasst. Sonst recht neutral.
Geschmacklich ist es natürlich dann aber doch kein echter Vergleich zu einem alkoholhaltigen Bier. Das, was ich beim Light schon dezent angemeckert hatte, trifft hier noch mehr zu: Weniger Körper, deutlich weniger Aromen, bis fast hin zur Neutralität, eine sehr seltsame Süßsäure drängt sich zu stark nach vorn, die Karbonisierung wirkt dadurch zu stark. Mir fehlt diese klare Kante, die Alkohol in ein Bier bringt, hier einfach zu sehr. Auch der Abgang ist dann entsprechend zu trocken, und, im Gegensatz zum diesbezüglich noch gut erträglichen Light, ist die säuerliche Trockenheit im Abgang nicht mehr angenehm.
Nun, letztlich muss man als Genießer einen Tod sterben – entweder, man trinkt ein Bier, und muss mit dem Alkohol leben, oder man man lässt es und trinkt Limonade. Ich als größerer Brauer würde zwar durchaus was Alkoholfreies herstellen, dann aber nicht mehr „Bier“ aufs Etikett schreiben, einfach, um klarzustellen, dass dieses Getränk zwar erfrischend und qualitativ gut sein kann, aber mit einem echten Bier in eigentlich keinem der Faktoren, die wir Biertrinker an unserem Getränk der Wahl so schätzen, mithalten kann. Wie aber schon einleitend gesagt – mich hat noch kein alkoholfreies Bier überzeugt, das von Maisel schafft es auch nicht, landet in dieser Gruppe vielleicht sogar eher nur im Mittelfeld.
Alle diese Biere habe ich gut gekühlt frisch aus dem Kühlschrank getrunken, wie das die meisten Bierfreunde wahrscheinlich tun. Denn es gibt für viele kein größeres Grauen als warmes Bier – dass aber auch erwärmtes Bier durchaus charmant sein kann, sieht man in einem Biercocktail, der die langsam kühler werdenden Herbstabende, vielleicht sogar eine frostige Bayreuther Winternacht vorwegnimmt: dem Winter Sun. Nicht, dass man sowas nicht auch im Sommer trinken könnte.
Winter Sun
2 oz Weißbier (z.B. Maisel’s Weisse Original)
1 oz heller Rum (z.B. Saint James Royal Ambré)
½ oz Grand Marnier Cordon Jaune
1 oz Orangensaft
½ oz Limettensaft
Alle Zutaten verrühren und leicht erwärmen. Warm servieren.
[Rezept leicht abgewandelt nach Frank Zirn]
Was ist mein Fazit? Dazu hole ich etwas aus. Ich habe seit einiger Zeit viele Dutzende von Bieren verkostet. Das, so merke ich, geht ein bisschen zu Lasten des Genusses – man schenkt sich ein Bier ein, und macht seine Verkostung, achtet auf alles, schnuppert und schmeckt, und notiert sich dabei dann Eindrücke. Mir macht das zwar Spaß, aber ab und zu will sogar ich dann einfach nur mal ein erfrischendes Bier trinken, ohne über Aromen, Farben, Schaum, Rezenz und Bitterkeit nachdenken zu müssen, und ohne dabei aber auf Qualität verzichten zu wollen. Das Maisel’s Weisse ist ein ideales Bier für derartige Gelegenheiten – es ist nicht übermäßig komplex (das würde mich wieder in die Verkosterschiene zwingen), aber gleichzeitig auf einem Niveau, das kaum Wünsche offen lässt. Besonders das Original und das Dunkel sind darüberhinaus archetypische Vertreter ihrer Biergattung, die ich jedem Weißbierfreund, oder denen, die es werden wollen, bedenkenlos ans Herz legen will, und das Light hat Potenzial, meine bevorzugte leichte Privatbiergartenweisse zu werden.
Und wenn man dann doch mal etwas modern-craftiges im Glas haben will, bietet die Brauerei mit ihrer Tochter Maisel & Friends ja sogar ganz hervorragende Alternativen – auch wenn konservative Traditionalisten, die sich mit der Weissen von Maisel noch gut arrangieren können, dazu vielleicht bayerisch-offenherzig Pfui Deife sagen werden.
Offenlegung: Ich danke der Brauerei Gebr. Maisel für die Zusendung von jeweils einer Flasche jedes hier vorgestellten Produkts, und für das passende Weißbierglas.
Das Rheinland ist also ne Kulturtasche. So so.
Für uns weitgereiste, weltgewandten Saarländer schon. :-D