Es gibt Ereignisse im Leben, die einen fast aus der Bahn werfen. Mir ging es neulich so, als meine Stamm-Bar in Saarbrücken dicht machte. Das ¿Qué tal? war für mich ein zentraler Anlaufpunkt gewesen, hier lernte ich zum ersten Mal, dass ein Cocktail nicht unbedingt ein Literglas voll Saft mit einem Schuss möglichst neutral schmeckenden Schnapses sein muss, sondern auch ein kleines, feines, edles und spannendes Getränk sein kann. Hier lernte ich ein paar Leute kennen, die mir zeigten, dass Gastrokultur vor allem eins ist: Gastfreundschaft. Ein Jammer, wenn so ein Ort schließen muss. Danke an Martin, Zoltan, Dennis, Sven, Julian und besonders Julia und Michael für die tolle Zeit.
Doch eine Tür geht zu, eine andere öffnet sich. Wer heute in Saarbrücken gute Cocktails abseits des Saftpitchers trinken will, geht zum Beispiel in die neueröffnete Viertel Mühle, in der ein wahrer Könner (leider nur abends) perfekte klassische Cocktails und wagemutige Rezeptinterpretationen für echte Kenner präsentiert, in ansprechendem Ambiente; oder, wenn es legerer sein darf, ins Milk, wo ein junger, dynamischer Barchef mit ebensolchem Personal ganz hervorragende Mischgetränke aller Art unprätenziös und charmant raushaut.
Oder natürlich man mischt sich seine Cocktails selbst daheim. Wenn man meinen bisherigen Empfehlungen gefolgt ist, hat man bereits einen Grundstock an allem, was man braucht; eventuell fehlt es aber noch an Rezepten und Inspiration. Und auch wenn es spannend ist, sich selbst mal an der Zubereitung eines Rusty Nails, Mint Juleps oder eines Old Fashioned zu versuchen, so braucht man doch erstmal die Rezepte dafür, und für die vielen anderen Cocktails, die man sich daheim nun selbst zusammenstellen kann. In diese Bresche springen Cocktailbücher, wie das GU Cocktail Basics.
Ich bin ein großer Fan von klassischen Highballs und spirituosenlastigen Drinks. Ein gut gemachter Manhattan oder El Presidente sind der perfekte Einstimmungsdrink auf einen schönen Abend, oder der ideale Ausklang eines Arbeitstags. In der „blue hour“ einfach nur dazusitzen, ein bisschen Ambient-Musik oder Sinatra zu hören, und das Klimpern der Eiswürfel im Glas – das ist Luxus pur. Viele dieser klassischen Cocktails sind in diesem Buch vorhanden, wenn auch manchmal seltsam übermäßig leger – in den Sazerac kommt kein Absinthe wie im Rezept angegeben, dieser wird nur dazu verwendet, das Glas auszuspülen; in einen Rob Roy gehört nicht „Whisk(e)y, am besten Scotch“, sondern einfach nur Scotch, und für mich persönlich ist es nicht „reine Geschmackssache“, ob in einem Mai Tai nun Orgeat drin ist oder nicht und statt dessen Ananassaft eingesetzt wird. Bei solchen Dingen bin ich pingelig, und das sollte jeder Cocktailfreund sein.
Was im Buch meiner Meinung nach auch völlig falsch dargestellt wird: Die Autorin meint, dass man auch billige Ersatzprodukte nutzen kann, da in Deutschland die Qualität selbst bei diesen sehr hoch sei; das stimmt nach meiner Erfahrung nur sehr bedingt und nur in Ausnahmefällen. Es kommt eben doch sehr auf die Materialien an. Der Highball lebt sowohl von gutem Whisky/Bourbon/Rum/Gin, als auch vom Füllmaterial. Das billige Aldi-Cola kommt mir nicht in meinen herrlichen Captain & Cola, und wer einmal einen Red Stag Ginger & Lime mit einem guten Ginger Beer getrunken hat, will nicht mehr zurück. Ein Negroni profitiert unendlich vom guten Wermut – das pappsüße Ersatzmaterial, das oft in „happy hour“-Cocktailbars verwendet wird, macht aus dem bitter-edlen Drink eine klebrig-zuckrige Brühe.
Ansonsten enthält das Buch viele Tips, Hinweise auf Basisaustattung für die private Cocktailbar und ein breit gefächertes Angebot an Mixgetränken, aufgelistet und gruppiert nach der Hauptspirituouse. Viele Bilder, nette Anekdoten und ein üppiges, freches und knalliges Layout machen das Buch auch zum einfachen Durchblättern interessant. Wer sich schon etwas mit Cocktails auskennt, lässt das Buch aus oben genannten Gründen dennoch lieber im Regal. Wer aber die ersten Schritte wagen will, und lieber dem gedruckten Buch als meinen tendenziösen Tips glaubt (wer tut sowas?), kann sich damit in die Thematik einlesen.
Doch eins ist klar: Nur mit Büchern und einer privaten Hausbar lernt man nicht das wahre Wesen des Cocktails kennen, denn dies besteht zu einem großen Teil daraus, dass man ihn in Gesellschaft, zubereitet von einem Profi und bei guter Musik trinkt.
Schön! Set und Setting sind das wichtigste! Und ja, schon früh bekam ich den Hinweis: Von Rausch- und Genußmitteln immer nur das beste, alles andere ist rausgeschmissenes Geld und verschwenete Lebenszeit. Ich kenne von Basic nur ein paar Kochbücher. Die haben mir den Einstieg unglaublich erleichtert und ich würde sie jedem Anfänger unbedingt ans Herz legen, grade weil sie die Einstiegsschwelle so extrem niedrig legen, was Fähigkeiten und Zutaten betrifft.
„Von Rausch- und Genußmitteln immer nur das beste“
In der Tat! Ich bin immer wieder überrascht, dass ganz schlimmer Sprit sich so gut verkauft. Persönlich gebe ich lieber 40€ für eine Flasche, als 4*10€ für 4 Flaschen aus. Aber ich will auch nicht dauerberauscht sein, wie das bei manchen der Fall ist – ein Rausch muss immer etwas besonderes bleiben, sonst gleitet man in die Sucht ab, und er wird beliebig und verliert an Kraft.
Ich las mal in irgendeiner Zeitung, Luther könnte Schuld sein. Klar, selbst war er kein Kostverächter. Aber für Protestanten scheint es wohl OK zu sein, den Körper mit möglichst billigem Treibstoff am Leben zu halten, damit er die Seele zum jüngsten Gericht schleppt. Während die Katholen allein wegen ihrer Fastengebote – und deren trickreicher Umgehung – viel mehr mehr Mühe in ihre Ernährung investierten…
Hallo, lieber Rezensent,
ich habe mich sehr darüber gefreut, daß mein Buch Cocktail Basics auch 13 Jahre nach Erstveröffentlichung noch eine Rezension wert ist. Ich glaube, da darf ich dann von einem Klassiker sprechen. Einem Klassiker aber für Einsteiger! Für Genußmenschen, die noch nie zuvor selbst gemixt haben und an einem Savoy oder Ritz Cocktail-Buch (oder gar dem Lexikon der Bar von Bolsmann) hoffnungslos verzweifeln würden. Von denen ich mir aber wünsche, daß sie nicht nach Namen, sondern nach Nase trinken. nach mehr als 30 Jahren als Autorin in der Branche kann ich nämlich dazu stehen: manche klangvolle Markennamen vberkaufen deutlich schlechtere Qualität als es die No Name-Ware von Discounter bieten muß, die mit gesetzlich geschützten und kontrollierten Herkunftsbezeichnungen arbeiten. Aber Sie haben natürlich auch recht, daß die Lust am Branding mittrinkt! Ich wünsche IHnen jedenfalls auch weiterhin viel Spaß mit der eigenen Hausbar und vor allem, daß Sie wieder ein „Home away from Home“ in Ihrer Umgebung finden. Mit herzlichen Grüßen vom Ammersee, Ihre Bibiana Behrendt
Liebe Frau Behrendt,
es ehrt mich außerordentlich, dass Sie als Autorin dieses Buchs die Zeit gefunden haben, auf meine Rezension zu antworten. Tatsächlich war dieses Buch auch für mich das erste Cocktailbuch, das ich gekauft hatte, und ich blättere noch heute hin und wieder gern darin herum.
Vielen Dank für Ihren Kommentar, über den ich mich sehr gefreut habe!