Der reine Genuss – Purtrinker und die Mischerhölle

Mit hochwertigen Spirituosen ist das für manche so eine Sache. Da kauft sich so mancher eine Flasche Single Malt Scotch oder 10 Jahre alten Bourbon, und ist im siebten Himmel: So feine Aromen, so herrliche Geschmäcker, so duftende Gerüche! Das ist wahrlich ein Premium-Produkt.

Und dann kommt so ein Heini daher, nimmt diesen wunderbaren Edelbourbon, und macht sich damit einen Cocktail, oder, noch schlimmer, einen Longdrink. Mit Cola.

The horror! The horror!

Da bricht für den hehren Purtrinker natürlich die Welt zusammen – wie kann man sowas wagen? Die Schlussfolgerungen sind ja klar. Der Mischer ist erstens ein Banause und Depp, überhaupt auf die Idee zu kommen; zweitens kann er kein Kenner sein, denn Kenner tun sowas nicht; und drittens ist der Mischer ein dekadenter, arroganter Schnösel, denn so teuren Whiskey in ein Getränk zu mischen – denkt niemand an die Kinder in Afrika?

Man ahnt nicht, wie oft ich diesem Nur-Purtrinker-Typus in Online-Foren schon begegnet bin. Meistens bringt es nicht viel, den Standpunkt diskutieren zu wollen – Purtrinker sind davon überzeugt, die „reine“ Wahrheit im wahrsten Wortsinne zu kennen. Und sie sehen es nicht ein, sich mit Mischern abzugeben, die ja scheinbar nicht an den „echten“ Aromen des Schnapses interessiert sind, sonst würden sie sie ja nicht absichtlich überdecken wollen.

Persönlich habe ich dazu ein entspannteres Verhältnis. Manche Spirituosen trinke ich sehr gern pur, insbesondere Bourbons, Scotches und Rums, doch habe ich noch keine angetroffen, die ich als „zu schade zum Mischen“ bezeichnen würde.

Ein Longdrink wie Whiskey-Cola, Campari-Soda, Gin-Tonic oder Rum-Sprite besteht aus zwei Komponenten. Das bedeutet, ich habe nur zwei Angriffsstellen, um die Qualität des Mischgetränks zu steuern. Einen guten Mixer zu verwenden scheint niemand zu stören (gerade Tonics sind durch den aktuellen Gincraze inzwischen zu einer Wissenschaft für sich geworden), doch wenn man an der anderen Schraube drehen will, nämlich die Spirituosenqualität anzuheben, führt das bei manchen scheinbar zu physischen Schmerzen. Fever Tree macht Werbung damit, dass man für die nichtalkoholische Komponente Qualität verwenden soll; warum sollte es für die alkoholische Komponente anders sein?

mixdrink-werbungIch will in Longdrinks keinen Fusel trinken müssen. Ich mache mir meine Whiskey-Cola weiterhin mit Knob Creek Small Batch Bourbon, meine Rum-Sprite kriegt auch gern einen Rum für 30€ spendiert, und in meiner Margarita oder Rosita will ich nur 100%-Agave-Tequila sehen. Gin-Trinker sind da schon einen Schritt weiter – der Gin-Tonic wird analog zu einer japanischen Teezeremonie zelebriert. Obwohl ich kein echter Ginfreund bin, das ist der richtige Weg.

Letztlich mag die gefühlte Grausamkeit des Longdrinks für die Purtrinker am schlechten Ruf liegen, den der Longdrink, und ganz besonders die Kombination mit Cola, hat. Viele erinnern sich vielleicht an Saufgelage der Jugend, denken an Whiskey-Cola als Schnellintoxikationsmittel ohne jeden Anspruch, halten es für ein Unterschichtengetränk. Vielleicht ist es auch die Tradition, die dazu verleitet. Insbesondere Whisk(e)y wird als edler wahrgenommen als andere Spirituosen und ist damit nicht mehr für die Vermischung freigegeben.

Die Wahrheit ist natürlich eine andere. Ein gut gemachter Longdrink ist eine tolle Erfrischung und oft genug der Einstieg in die noch höhere Kunst des Cocktails. Wer noch nie eine richtig gut gemachte Mischrezeptur verkostet hat, verpasst was. Gerade die Einfachheit ist ansprechend – und die Aromen so manchen Bourbons werden eher verstärkt durch die Mischung mit einem Mixer, als überdeckt.

Ich gebe aber gern zu, dass es mir auch missfällt, wenn man Schnaps nur deshalb mit Limonaden vermischt, um den Geschmack des Alkohols wegzubekommen – das ist Wirkungstrinkerverhalten, das aber wohl eh niemand wirklich gutheißt. Mit Genuss hat es aber auch nichts zu tun, wenn man sich abends teuren Scotch pur hinter die Binde kippt, um schneller einschlafen zu können.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

5 Kommentare zu „Der reine Genuss – Purtrinker und die Mischerhölle

  1. Auch in 2015 immernoch nichts als die Wahrheit. Ich trinke Whiskey-Cola auch weil er mir schmeckt. Dafür geh ich doch nicht extra billig Bourbon kaufen, sondern nehm das her was mir auch sonst schmeckt. Mit reinem Wirkungskonsum hat das auch nichts zu tun. Dafür gibts schließlich Wodka und Gewürzgurken.

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