Manchmal ist es schon seltsam. Bei vielen bebilderten Rezensionen zum 1776 Straight Rye Whiskey findet man auf dem Etikett über der großen Jahreszahl noch die schwungvolle Unterschrift von James E. Pepper, der für diese neue Interpretation eines Rye in altem Gewand Pate stand. Auf meinem Exemplar fehlt diese Signatur. Man meint, es müsste leicht herauszufinden sein, warum auf manchen Etiketten die Unterschrift weggelassen wurde. Ich habe mich nun an die Herstellerfirma gewendet, um Licht ins Dunkel des Labelling zu bringen. Schnell bekam ich eine Antwort: Für den Export haben sie dieses vereinfachte Etikett entworfen, um von vornherein auszuschließen, dass sie, als kleine Firma in irgendwelche Rechteprobleme mit dem Namen laufen. Ich vermute, sie wollten genau das vermeiden, was Ron Diplomático/Botucal passiert ist. Sie garantieren aber, dass bis auf das Exportlabel alles sonst identisch zum US-Produkt ist. Nun, dann gieße ich mir mal beruhigt ein Gläschen des Whiskeys ein.
Ocker ist die Farbe im Glas. Zumindest mein Korken ist scheinbar etwas bröselig, ich habe immer beim Öffnen kleine weiße Krumen auf der Flaschenöffnung, die hin und wieder mit ins Glas wandern und dann darin schweben.
Sehr vanillig ist der Geruch zunächst, einen Hauch Minze vom Roggen, da denke ich mir, ah, das wird ein feiner, zarter Rye sein. Entsprechend lege ich mir schonmal im Geiste die Vokabeln zurecht. Zart, weich, blumig – alles Begriffe, die ich schon für Whiskey benutzt habe. All das ist der 1776 Straight Rye Whiskey, nach der Geschmacksprobe, dann aber nicht. Im Gegenteil: Wie ein Bulldozer greift dieser Roggenwhiskey mit gesenkter Schaufel an. Ein ausgesprochen brutaler Antritt, ultraaggressiv, schwer und scharf. 100 proof, also 50%, das spürt man. Etwas Wasser schadet nicht, um das schlimmste Feuer herauszunehmen.
Entsprechend sind auch die Eindrücke: Pfeffer, Eukalyptus, brennend. Auf jeden Fall muss man sich nicht beklagen, dass man nach Aromen suchen muss: ausladend macht sich der Whiskey im Mund breit. Hat man sich an die Wucht etwas akklimatisiert, zeigt der 1776 Rye aber doch auch eine ganz umgängliche Seite. Sehr starke Vanille, die man ja schon gerochen hat, weitere süße Aromen, wie Ahornsirup und Karamell sowie etwas Aprikose, gesellen sich dazu.
Leider ist der Abgang dann etwas kurz, die Gewalt, mit der dieser Whiskey angefangen hat, ist auch schwer über mehr als wenige Minuten aufrechterhaltbar. Ein echter Bankräuber: Schnell rein, schnell raus. Mir fehlt auch etwas Körper – sehr tief unter die Oberfläche geht der 1776 Rye nicht. Dennoch: Ein Rye, der einem zeigt, wo der Hammer hängt. Und zwar der Presslufthammer. Ein bisschen weniger Aggro hätte nicht geschadet.
Passend zum namensgebenden Datum und zum unwirtlichen Wetter draußen mache ich mir heute mal einen engen Verwandten des Hot Toddy, einem uralten Rezept gegen Erkältung oder sonstige Unbill: einen Whiskey Skin. Laut Cocktailhistoriker David Wondrich machte man ihn eigentlich ohne Zucker, und mit Scotch oder höchstens irischem Whiskey; doch selbst Wondrich gibt zu, dass Zucker diesem Herz-, Bauch- und Seelenwärmer gut ansteht. Und der 1776 Rye dann sowieso.
Whiskey Skin
Eine Tasse anwärmen und halbvoll mit kochendem Wasser füllen
1-2 Teelöffel braunen Zucker darin auflösen
Ein großes Stück unbehandelte Zitronenschale mit 4 Nelken spicken und dazugeben sowie
2 oz 1776 Straight Rye Whiskey
Whiskey-Grog.