Die Umrundung der Karibik – Rum Artesanal

Rum Artesanal Titel

Ich habe in letzter Zeit so einige Samples von Rum Artesanal zugesandt bekommen, und, ehrlich gesagt, ein bisschen ein schlechtes Gewissen, weil ich diese etwas stiefmütterlich behandelt habe und immer etwas anderes sich vor sie gedrängelt hat. Nun habe ich mir gedacht, da könnte man doch eine Story drumrumstricken, und das tue ich hiermit: Ich bitte meine Leser zu einer Rumreise durch die halbe Karibik, die wir gemütlich von zuhause aus machen können. Zusammen mit ein paar der Samples besuchen wir die Länder, in denen der enthaltene Rum hergestellt wurde.

Rum Artesanal karibische Rumsamples

Wir gönnen uns da wirklich was, denn alle sechs der hier vorgestellten Rums sind keine Pushovers oder Massenware, das sind respektable Single Casks mit einem klar definierten Brenn- und Abfülldatum, alle haben mindestens 54% Alkoholgehalt, alle sind ungefärbt, und entstammen der bewährten Fassauswahl der Heinz Eggert GmbH in Bad Bevensen. Im Gegensatz zu manch anderen Dingen, die ich hier sonst so bespreche, sind Vollflaschen von allen auch noch käuflich zu erwerben, zu vernünftigen Preisen. Nach meinen Erfahrungen mit Rum Artesanal und ihren Abfüllungen ist Top-Qualität eigentlich die Grundannahme und Erwartungshaltung, und ich freue mich darauf, das nun zu verifzieren.

Rum Artesanal Umrundung der Karibik

Der Übersicht halber habe ich eine kleine Grafik angefertigt, die unsere Reise illustriert, wir beginnen in Südamerika mit Venezuela und Guyana, gehen über auf die kleinen Antillen nach Trinidad, hin zu den großen Antillen nach Haiti und Jamaica und enden auf Kuba. Damit decken wir natürlich nur einen kleinen Teil der rumproduzierenden Länder in dieser Region ab, doch für den Anfang ist es eine weite Reise! Auf gehts, Segel setzen, Rum ins Glas und los!


Wir fangen in Venezuela an, mit dem Rum Artesanal Venezuela CADC 17 Jahre Single Cask. Gebrannt im April 2005 und abgefüllt im Oktober 2022, eingestellt auf 57,8%. Ein attraktives Terracotta haben die Jahre erzeugt, nachdem der aus Melasse gebrannte Rum aus der Säule geflossen ist. Viskosität ist erkennbar, der Rum bleibt aber beim Schwenken lebendig und beweglich. Die Nase überrascht mich direkt – diese interessante Mischung aus frischer Frucht und Anis ist frech, hell und klar. Aprikosen und Pfirsich zusammen mit Fenchel, das kenne ich so noch nicht. Ein bisschen Traubenmost dazu, apfelige Säure, dazu ein gewisser Holzeinfluss. Ich bin sehr gespannt auf den ersten Schluck!

Rum Artesanal Venezuela CADC 17 Jahre Single Cask

Und der überrascht mich dann tatsächlich nicht weniger. Hier ist Anis noch stärker ausgeprägt, im Antrunk hätte ich das nicht als Rum erkannt, mehr an einen fruchtigen, gesüßten Absinthe gedacht. Das affirmiert auch eine sehr kräftige Salznote, die mit der Basissüße kontrastiert. Rumcharakter entsteht im Verlauf dann aber doch, dunkle trockenfruchtige Komponenten versuchen, gegen Anis anzudrängen, schaffen es in der letzten Konsequenz aber nicht. Der Abgang ist lang und warm bis tief in die Speiseröhre, ohne wirklich feurig-scharf zu werden. Dann hallt Anis nach, zusammen mit einer aufblühenden Jasminfloralität, die sehr gut dazu passt – ein herrlicher Ausklang eines sehr ungewöhnlichen, sehr spannenden Rumerlebnisses!


Eine Reise in Südamerika, und wir landen in Guyana. Dort probieren wir den Rum Artesanal Enmore 1991 KFM. Enmore ist so ein Name, der bei mir immer direkt eine Gänsehaut auslöst, und ich bin gespannt, was der Rum aus der Versailles Single Vat Still, destilliert 06/1991 und abgefüllt 01/2022 mit seinen 54,5% so liefert. Farblich ist Pariser Rot mit leuchtenden orangefarbenen Lichtreflexen zu sehen, passend dazu bewegt sich die Flüssigkeit edel schwer im Glas.

Rum Artesanal Enmore 1991 KFM

Der Duft ist einfach besonders – hier kommen Aromen von Süßholz, Tabak, Leder und Holzfarbstiften zusammen. Zuckerrohrsüße scheint durch, getrocknete Früchte und braunes Karamell. Das ist sowas, woran ich gerne lange und ausführlich schnuppere. Im Mund beginnt der KFM sehr zurückhaltend, mit schwerer Süße und einer weichen Textur, hier bereits voll und dicht, mit zunächst den Trockenfruchtaspekten. Im Verlauf neigt sich das ganze langsam, aber unaufhaltsam zur Trockenheit, feuriger Würze und edler Bittere mit viel Eukalyptus und Malz. Hier kommen die Gewürze nach vorn, das Leder und das Süßholz, und auch Wachsbuntstifte bilden sich noch später heraus, die dann mit einer leichten kräuterigen Floralität am Ende sogar dominieren. Dabei bleibt das alles rund und elegant, wirkt aus einem Guss. Der Nachhall bleibt lange am Gaumen, mit feiner Wärme. Ein wunderbarer Rum, kräftig und stark. Die Typizität ist da, und nach jedem kleinen Schlückchen weiß ich und werde darin bestätigt, warum ich diese Art Rums aus Guyana so liebe.


Wir nehmen das Schiff zur Insel Trinidad, die vor der südamerikanischen Küste liegt. Dort gelandet, gießen wir uns den Rum Artesanal Trinidad Ten Cane Distillery 2008 ein, der zur Abwechslung in der Runde aus Zuckerrohrsaft gemacht ist – und im weiteren Unterschied zu dem bekanntesten Rum der Insel in einer Potstill gebrannt wurde. Die Marke ist aber, hier nähert man sich Caroni an, 2015 wieder aufgegeben worden, wir trinken also Rumgeschichte, die zwischen 05/2008 – 10/2022 entstanden ist und nun mit 58,2% vor uns in sehr hübscher hennaroter Farbe vor uns schwer im Verkostungsglas schwappt.

Rum Artesanal Trinidad Ten Cane Distillery 2008

Die Nase ist auch nach Offenstehzeit deutlich vom Lack geprägt, man riecht darunter Gewürztöne von Muskatnuss und Sternanis, und auch etwas einzeln aufblitzende Trockenfruchtnoten. Holz ist dominierend, lässt kaum etwas anderem Raum. Im Mund kommt direkt die Waldfee, holla, das ist auch hier dermaßen holzgesteuert, dass vom Antrunk an astringierende Trockenheit, Bittere und würzige Schärfe losgehen. Ja, die Textur ist aber toll, richtig dicht und breit, das muss man kauen, und die wunderbare Zimtnote, die im Verlauf entsteht, entschädigt für die Mühe. Gegen Ende kommen Zuckerrohrsafteindrücke auf, schwere, reife Frucht, ohne je esterig zu werden. Süße und Säure sind dann in Balance, kalter Eukalyptushauch und -aroma bleiben lang am Gaumen, wenn grasige Komponenten endgültig auf die Herstellungsweise hindeuten. Ein Rum, dem man auch im Mund Zeit geben muss, erst dann erschließt er sich dem Genießer – komplex und charmant, aber nicht ganz einfach. Definitiv aber eine Alternative zum viel bekannteren Inselkollegen!


Es wird Zeit für einen großen Sprung über das karibische Meer, nach Haiti. Im Moment sind Clairins in aller Munde, doch die Brennerei Barbancourt lieferte schon lange, bevor wir diese Produkte kannten, Rum nach Europa. Der Rum Artesanal Haiti BC 2004 ist ebenso wie der Vorgänger hier aus Zuckerrohrsaft gemacht, reifte zwischen 06/2004 – 01/2022 also über 17 Jahre im Fass, und ist dann mit 58,3% abgefüllt. Für das Alter wirkt er hell mit seiner Safranfarbe, doch Farbe ist ja Schall und Rauch.

Rum Artesanal Haiti BC 2004

Geruchlich hält der Barbancourt sich aber auch erkennbar zurück, eine hübsche, dezente Mischung aus Fruchtigkeit und Floralität, mit schön sahniger Toffeenote als Basis. Leichte Ledertöne sind mit dabei, und eine gewisse kiesige Mineralität. Zurückhaltend, ja, aber gar nicht unkomplex, und irgendwie für mich persönlich sehr ansprechend. Geschmacklich wechselt der Eindruck dann erkennbar, denn während die grundsätzlich gerochenen Aromen auch am Gaumen präsent sind, kämpfen schon im Antrunk Süße und Säure miteinander, eine kantige Bittere ist als Dritter auch nicht so toll integriert, dazu am Schluss auch noch sehr pikante Schärfe und Salzigkeit. Hier haben wir den Fall, dass mir ein Rum sensorisch eigentlich gefällt, die Struktur und Textur aber sehr unrund und wenig balanciert zueinander sind, das ist in der Nase bezaubernd, im Mund aber Krieg zwischen den Komponenten. Die 17 Jahre haben nicht ausgereicht, all die Einzelteile, die gut sind, zu einem Ganzen zu vermählen. Rustikal.


Die nächste Insel, die wir besuchen, brachte den Rum Artesanal Jamaica Long Pond 2000 hervor, hergestellt im klassischen Jamaica-Stil, Melasse im Juni 2000 in einer Pot Still gebrannt, dann hopp ins Fass, und im März 2023 mit also 22 Jahren wieder rausgeholt dann mit 55,8% Alkoholgehalt auf Flaschen gezogen. Älter, aber nicht viel dunkler als der Haiti-Rum zuvor, sehr lebendig im Schwenkverhalten allerdings.

Rum Artesanal Jamaica Long Pond 2000

Marzipan, Butter, Sahnekaramell und esterige, vollreife tropische Frucht – da kommt richtig viel Typizität rüber, das ist ein Stil, den erkennt man selbst als Laie unter allen diesen Rums hier sehr deutlich heraus. Etwas Kokosfleisch, viel Vanille, weiße Schokolade kommen danach, und etwas fette Macadamia-Nuss. Insgesamt durchaus etwas von gemischtem Küchenkompost an einem heißen Tag, ohne das negativ zu sehen. Auch am Gaumen zeigt sich diese Mischung aus fett-buttriger Marzpanigkeit oder Nussbutter und überreifer Frucht, sehr viel milder in der Struktur allerdings, als ich das erwartet hätte. Man verstehe mich nicht falsch, gerade im Verlauf explodiert der Long Pond mit Würze, angenehmer Hitze und Dichte, doch das ist alles wohl integriert und zeigt eine nachvollziehbare Entwicklung von schokoladiger Süße und Textur im Antrunk über bananige Esterfrucht bis hin zu Thaichilibrummen am Ende, das lang anhält und die buttrigen Noten weit über das erwartete Maß hinaus am Leben hält. Hier spürt man die karibische Sonne in reiner Form. Charakterstark, singulär und doch typisch, ohne die Dinge, dich mich manchmal an Hochesterrums überfordern. Toll und sehr probierenswert.


Zu guter letzt setzen wir noch auf die Ruminsel schlechthin über, Kuba, mit dem Rum Artesanal Cuba Venezuela CADC Cask Finish – das sieht man nicht zu häufig, dass ein Rum ein Finish in einem anderen Rumfass bekommt, und wir greifen den Anfang des Artikels hier wieder auf. 7 Jahre alt ist er jedenfalls insgesamt, und wurde abgefüllt im Januar 2022 mit 59,6%. Ein für das Alter helles, aber ehrlich wirkendes Gelbgold gefällt schonmal. Die Viskosität, die sich beim Schwenken zeigt, legt sich auch direkt in richtig fetten Schlieren an die Glaswand.

Rum Artesanal Cuba Venezuela CADC Cask Finish

Der Duft ist intensiv und verströmt sich schon beim Eingießen, mit einigem an prägnantem Kokosfleisch, das leicht mit tropischer, würziger Frucht wie Papaya und Guave unterfüttert ist. Rosinen, Datteln und Melasse kommen im Verlauf hervor, der Alkoholgehalt ist aber durchweg erkennbar, wenn auch eher als ethanolischer Hauch denn als Zwicken. Der allererste, kurze Eindruck ist schokoladige Süße, die aber praktisch im gleichen Moment durch unastringierende Trockenheit ersetzt wird. Heller Tabak, würziges Heu, durchaus schon salzig, mit einer Idee eines maritimen Einflusses. Die Textur ist voll und breit, wirkt richtig schwer, bewegt die ganze Aromatik ins Dunklere. Im Abgang entsteht Chilischärfe auf sehr angenehmem Niveau, die zusammen mit der Heukomponente lange am Gaumen bleibt. Insgesamt sehr ungewöhnlich und überraschend, doch mir gefällt das in toto ausgesprochen gut. Ich denke ernsthaft darüber nach, mir davon eine ganze Flasche zu holen, das ist extrem süffig.


Das ist eben das Schöne an Samples – man kann so eine Rundreise machen, ohne wirklich wahnsinnig viel Geld investieren zu müssen, oder nachher eine Flasche teuren Rums im Regal stehen zu haben, die man nicht wirklich mag und nicht gekauft hätte, hätte man vorher probiert. Oder umgekehrt, wie bei mir, die 60€ für den RA Cuba hätte ich wahrscheinlich nicht blind ausgegeben. Und es war ein lustiger Trip für mich, da war kein Ausreißer nach unten drin, alles Rums, von denen ich mich extrem freuen würde, eine ganze Flasche daheim zu haben. Der nächste Schritt: die ganzen Brennereien und Länder dann auch tatsächlich besuchen. Nun, man darf ja träumen.

Offenlegung: Ich danke Rum Artesanal für die kosten- und bedingungslose Zusendung dieser Rumsamples, und für die Geduld, die es brauchte, bis ich sie verkostet habe.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

5 Kommentare zu „Die Umrundung der Karibik – Rum Artesanal

  1. Guten Tag und danke für den NL!

    Ich dachte Rum Artesanal ist grundsätzlich aus Zuckerrohrmost gebrannt, und niemals aus Melasse. War das ein Irrtum und was bedeutet dann „Artesanal“ – einfach nur handwerklich in Abgrenzung zu industriell, also eher unkonkret?

    Beste Grüße…

    Marcus Johst von unterwegs ?? +49 1732457313 ________________________________

    1. Hallo Marcus!

      Rum Artesanal ist ein Abfüller, d.h. die Firma brennt nicht selbst, sondern kauft Rum aus aller Welt ein und vermarktet ihn dann unter dem Namen „Rum Artesanal“. Das bedeutet auch, dass es nicht festgelegt ist, woher der Rum kommt, ob er aus Zuckerrohrsaft oder Melasse gemacht wird und anderes. Der Namensbestandteil „Artesanal“ hat im globalen Rum keine feste Definition (im Gegensatz zu Mezcal, beispielsweise, wo dieser Begriff geregelt ist) – er soll hier wohl einfach darauf hindeuten, dass man hier keine Massenware abfüllt, sondern ausgewählte, hochwertige Rumsorten. Ich hoffe, das hilft in aller Kürze erstmal!

      1. Danke für die rasche Rückmeldung! Je mehr ich darüber nachdenke, desto stärke fürchte ich, etwas verwechselt zu haben, nämlich artesanal mit agricole…

        Sorry!

        Marcus Johst von unterwegs ?? +49 1732457313 ________________________________

  2. … „etwas von gemischtem Küchenkompost“, das haben einige Jamaika-Rums an sich. Das erste mal begegnete mir dieser sensorische Effekt in Hampden, die ja für ihre Estherreichen Rums bekannt sind. Wir haben an die 40 Jamaika-Rums (mein Mann achtet streng auf die Herkunft) daheim und keiner schmeckt gleich.

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