Bier in Fässern zu lagern ist eigentlich ja eine höchsttraditionelle und biergerechte Haltung, auch wenn heute die Fässer eher aus Metall sind als aus Holz. Manchmal gehen Brauer aber auch den Schritt ganz zurück, es ist inzwischen durchaus Trend, Bier in Spirituosenfässern zu finishen – gerne nimmt man dafür Whiskyfässer, oder eben Rumfässer. Spirit of Rum aus Berlin macht öfters eigene, exklusive Abfüllungen unter dem Label „Rumclub Private Selection“, und tut sich dann mit Brauereien zusammen, um die geleerten Fässer einem zweiten Zweck zuzuführen, zum Beispiel mit der Brauerei Lemke Berlin GmbH für das Spirit of Rum HD Cask Finish. Sowas gönne ich mir sehr gern hin und wieder.
Als Basislinie habe ich mir dazu das Lemke Original Dunkles Lager geholt, einfach um zu schauen, was die Brauerei so als Grundeinstellung bieten kann. Es ist mit 5,4% Alkoholgehalt in einer Drittelliterflasche erhältlich. Beim Ziehen des Kronkorkens gibt es ein leichtes Gushing, beim Eingießen zischt es laut – da ist ordentlich Gas im Bier. Optisch gefällt es mir außerordentlich gut, eine sehr attraktive rotbraune Flüssigkeit ist da im Glas, wunderbar opalisierend, leicht trüb, mit rubinroten Lichtreflexen im Gegenlicht. Die Crema auf dem Bier ist zunächst grobblasig und kurzlebig, nach ein paar Minuten ist noch ein Schaumrand und ein großer Schaumkontinent erhalten.
Die Nase ist sehr metallisch und getreidelastig, deutlichst eher malzig als hopfig, wie das Auge das irgendwie schon angedeutet hatte. Bei diesen Malzen hat man sich für Pilsner, Wiener, Karamell und Chocolate entschieden, seit 1999 wird das Bier unverändert so gebraut. Man ahnt aber schon im Geruch, dass hier trotzdem viel helltönige Frische drin sein wird.
Und genauso kommt es: klar dominieren aromatisch die Malze, leicht röstig, etwas nussig, getreidig und metallisch. Dennoch wirkt das Bier frisch, klar und sauber. Sowohl die Karbonisierung als auch eine milde Säure tragen dazu bei, der Körper ist höchstens mittelschwer, wirkt jedenfalls trocken und findet eine schöne Balance, was die Textur angeht. Der Abgang ist dann sehr leicht, weiterhin zestig säuerlich, was von der Röststruktur aufgefangen wird, kurz und erfrischend. Ein sehr süffiges Bier, das sauber komponiert und strukturiert ist, und frech mit der Malzigkeit spielt. Das hole ich mir nochmal, ohne Frage!
Dann also weiter zum eigentlich Grund dieses Artikels, dem Spirit of Rum Rumclub Private Selection HD Cask Finish. Es ist, wie gesagt, nicht die erste Zusammenarbeit zwischen den beiden Firmen, das Etikett erzählt von der „5. Rumclub Beer Selection“. Man deklariert sich auch als „Single Cask Craft Beer“, die Bedeutung ist mir nicht hundertprozentig klar. Als Grundbier dient nicht das oben besprochene Dunkle Lager, sondern das Lemke Original Wiener Lager, das mit 6,0% Alkoholgehalt für 5 Wochen in einem Rumfass gelagert wird, das vorher ein Destillat der jamaikanischen Hampden-Destillerie („HD 2000“) beherbergte.
Farblich ähnelt es trotzdem dem dunklen Lager, ist aber erkennbar trüber, weniger opalisierend. Die Farbe der Flüssigkeit ist haselnussbraun, die der langlebigen Schaumkrone ein helles Beige. Auch hier ist beim Öffnen des Kronkorkens dezente Vorsicht geboten! Der Geruch überrascht mich direkt: da klingt etwas Sauerbier mit, finde ich. Apfelessig, Verjus, deutlich bittere Joghurtnoten. Danach finde ich, hampdentypisch, schon leicht verrottende tropische Frucht, säuerliche Ananas, vergorene Mango.
Am Gaumen zeigt sich das aber viel zahmer, als die Nase das erwarten ließ, da ist deutlich weniger Säure da, eher ein tiefer Körper mit einer vorsichtigen, natürlichen Süße, gespeist aus Malzigkeit. Dabei bleibt das Bier sehr frisch und rezent, man ahnte das ja schon vom Gushing. Die Textur ist weich und cremig und kauig, hat aber eine gewisse bittersaure Kante, die das ganze noch weiter aufhellt. Aromatisch herrscht das Malz, es klingen aber schon fruchtige Noten durch, die teilweise auch ins Esterige gehen, bei der Hampdenvorbelegung des Fasses kein Wunder. Nur in Anklängen scheint Holz durch, insbesondere im Abgang, wo eine trockenholzige Komponente etwas die Spucke ansaugt, bevor das Bier kurz, minimalst rauchig, kaffeepulverhaft und effektvoll mit dann etwas Zitruszeste ausklingt. Ja, das macht Spaß, gerade weil das Rumfass hier nicht alles umkrempelt und einen Rumsprudel aus dem Bier macht, sondern nur Charakter und Seitennoten zufügt und das Bier weiterhin ein Bier sein lässt. Handwerklich toll gemacht!
Beide Biere gefallen mir, wie man wohl gemerkt hat, sehr gut, auf ihre eigene Art und Weise. Dass sich das Basisbier nicht verbiegen lässt, mag ich besonders, das ist vielleicht so eine Eigenart der Berliner Brauerei und passt zum Wesen Berlins, wie ich es leider bisher nur kurz kennengelernt habe. Ganz sicher schaue ich mal, ob ich noch an andere Fasskooperationen von Lemke und Spirit of Rum herankomme, und auch das Wiener Lager ohne Fassfinish steht auf meiner Wunschliste.