Guter Rum kommt aus… woher? Wenn man einfach mal so im Bekanntenkreis herumfragt, hört man in der Regel Kuba, Barbados, Jamaica. Ja, das sind natürlich die klassischen Rumländer, das karibische Klima bietet halt schlicht die Möglichkeit, Zuckerrohr anzubauen und damit zu arbeiten, und entsprechend hat man seit Jahrhunderten auch die dazu nötige Erfahrung. Persönlich habe ich aber auch inzwischen einen starken Bezug zu, nennen wir ihn mal zur Abgrenzung „kontinentalem Rum“. Der wird inzwischen überall in Europa gemacht, auch in deutschsprachigen Gebieten, wo man erstmal nicht damit rechnet. Man ist da natürlich im Vergleich noch am Anfang, doch es hat sich für mich schon eine erkennbare Stilistik herausentwickelt, die aus den unterschiedlichen Gegebenheiten entstand – Melasse muss importiert werden, die Fermentation ist gesteuerter, das Brennen erfolgt in anderen Apparaten und mit anderem Selbstverständnis, das meist aus der Tradition des Obstbrands gewachsen ist.
Ich habe hier bereits diverse kontinentale Rums besprochen, heute gehen wir zu einem ähnlichen Zweck mal in eine Region, die man auch nicht so richtig mit Rumherstellung assoziert: Die Steiermark. Dort haben Carmen und Werner Krauss ihre Brennerei, und machen unter anderem den Distillery Krauss Rum Cask Strength und den Rum Sherry Cask Finished. Man bezieht sich in der Produktbeschreibung direkt auf das, was ich zuvor erwähnt hatte – das Können, das man sich beim Brennen von Obst angeeignet hat. Die eingekaufte Melasse (es ist wohl aber nur eine Frage der Zeit, bis Zuckerrohr auch im Leibnitzer Feld angebaut werden kann, wenn man die Anstrengungen zum Klimaschutz im aktuellen Umfang so weiterplätschern lässt) wird mit zwei ausgewählten unterschiedlichen Hefesträngen, die die Fruchtigkeit betont hervorbringen sollen, fermentiert und dann doppelt gebrannt. Es kommen weder Farb- noch Süßstoffe zum Einsatz, ich freue mich immer, wenn ich solche Aussagen auf Etiketten sehe.
Probieren wir den ersten des Duos, den Distillery Krauss Rum Cask Strength. Er ist, wie der Name schon sagt, in Fassstärke von 56,8% Alkoholgehalt abgefüllt, ungefiltert. Jenes Fass ist ein neues aus amerikanischer Eiche, und der Zeitraum wird mit 20 Monaten angegeben. „Natural color“ steht auf dem Etikett, und diese ist auch natürlich hübsch gelungen für einen nichtmal zweijährigen Brand – zwischen Gelbgold und Bernstein liegt die Farbe, die sich beim Schwenken passend lebendig zeigt und glitzert. Leichte Viskosität ist erkennbar, mit Schlierenfilmbildung an der Glaswand, da greift optisch eins ins andere.
Die Nase ist superfruchtig, eine schwersüße Fruchtvariante dabei, mit viel reifer Ananas ohne die Säure, die manchmal dazukommt, und braune Banane. Eine Assoziation ensteht bei mir, rote Apfelstücke, getunkt in eine Gewürz-Karamell-Sauce, und klare Erinnerungen an pflaumige Melasse. Holzeinfluss ist deutlich spürbar, mit viel Vanille, hier fühlt man die frischen Fässer, die verwendet wurden. Trotz all dem wirkt der Rum frisch und sauber, da finden sich keine teerigen oder überesterigen Noten. Etwas Ethanol ist da, bei dem angesetzten Alkoholgehalt kein Wunder, sicher aber nicht störend, auch nicht lackig, eher als Hauch.


Am Gaumen beginnt der Rum gemächlich, süßlich, mit einem ganz klaren, aber dennoch sehr weichen Mundgefühl. Die Süße wirkt sehr natürlich, mild, fast schon elegant, und sie trägt den gesamten Rest der Verkostung. Auf ihr bauen sich feine Würze und leise Wärme auf, ohne jedes Kratzen, trotz des hohen Alkoholgehalts. Honig, Ahornsirup, brauner Kandiszucker, dazu ein paar weiche Blütenaromen, das legt sich sehr schmeichlerisch an den Gaumen. Im Verlauf nimmt er aber erkennbar Fahrt auf, sowohl was Aromen, als auch was Effekte angeht, da erblüht dann die esterige exotische Fruchtmischung aus Ananas, Mango und würziger Papaya, und man bekommt auch diese leicht schmutzige Note, die an minimalen Rauch, feuchtes Holz und salziges Karamell erinnert, mit Ideen von Süßholz und Toffee. Im Abgang kehrt der Rum wieder zum Anfang zurück, Toffee und Bitterschokolade zeigen sich, und minimalst phenolisch hallt es dann nach, während die leichte Trockenheit gerade so erscheint, dass keine Astrigenz dazukommt.
Sehr balanciert, sehr ausgewogen, dabei aber nicht zu bequem – mit diesem Rum hat die Distillery Krauss einen wirklich runden Brand geschaffen, und, das will ich betonen, einen, der nicht allzu „sauber“ ist, man hat sich hier nach meinem Gefühl getraut, die Obstbrennerkrankheit abzulegen, die viele Rumproduzenten außerhalb der Karibik befällt, dass man zu streng brennt; ein Rum braucht etwas Lockerheit, vielleicht bei der Abtrennung von Vor- und Nachlauf oder bei der Fermentation, um wirklich Spannung entwickeln zu können und nicht rein zum Zuckerrohrler zu werden.
Der zweite Rum, den ich hier vorstelle, ist der Distillery Krauss Rum Sherry Cask Finished. Die Herstellung ist praktisch identisch zum zuvor vorgestellten Rum, der Twist ist eben das sechsmonatige Finish – und hier handelt es sich eigentlich nicht um ein klassisches Sherryfass, wie wir es von vielen Scotches kennen, sondern um ein Fass, das zunächst PX-Sherry enthielt, und danach mit Islay-Whisky nachbelegt wurde. Mit diesem Wissen spekulieren wir auf zwei Einflüsse aus dem einen Behältnis; ich bin gespannt, wie sich das äußert.
Von einem Sherryfass erwartet man jedenfalls erstmal Färbung, das wird hier auch nicht enttäuscht, Kupfer, das schon in Terracotta übergeht, steht hier im Glas, mit vielen orangenen und gelben Lichtreflexen. Beim Drehen des Glases bildet sich dank der fühlbaren Öligkeit eine fette Kante, aus der der Rum in Beinen recht zügig abläuft, dabei aber noch Reste hinterlässt, die das Licht schön brechen.


Initial ist die Nase noch leicht unschlüssig, man erkennt zwar den Krauss-Rum als Basisdestillat heraus, doch bei weitem nicht so breit, wie man das bei zuvor besprochenem gespürt hatte. Steinfrucht ist da, der Apfel weiterhin, und viele süße Töne von weißer Schokolade, Vanille und auch etwas Zimt – das ganze ist aber unterdrückter, und wird von einer Komponente feuchten Holzes, das sogar in Karton übergeht, bedrängt. Ein Ticken Schwefel ist vorhanden. Das ziept auch etwas in der Nasenschleimhaut, schnuppert man tiefer.
Im Mund ist initial auch hier die schöne, natürliche, dichte Süße dominierend, mit vielen reifen Fruchteindrücken und Honigwürze. Die Textur ist rund und weich, der Rum breitet sich schnell aus und fühlt sich angenehm viskos an. Nach einer Zeit, in der man die Flüssigkeit im Mund hin und her geschoben hat, zeigt sich dann aber das Fass: holzige Noten drängen sich nach vorne, der Rum wird leicht brotig oder teigig, und deutliche Astringenz setzt ein. Die Süße verschwindet, Trockenheit übernimmt stattdessen. Hier fühlt man relativ plötzlich die Vorbelegung des Fasses, und zwar weniger den Sherry, als vielmehr den Islay-Whisky, mit leicht torfig-rauchigen Noten, die immer stärker werden, bis im Abgang kaltes, säuerliches Feuer sie löscht und die Frucht des Sherrys und des Basisrums wieder zum Vorschein kommen lassen.
Das ist für mich zugegebenermaßen nicht ganz einfach. Ich mag die einzelnen Schritte, die der Rum durchläuft, von süß über trocken, von fruchtig zu holzig, von Islay nach Jerez, und die jeweiligen Zustände einzeln für sich – doch die Übergänge zwischen diesen Schritten hakeln etwas. Vielleicht benötigt der Rum etwas mehr Ruhezeit, um sich zu runden, vielleicht ist eine Islay-Vorbelegung auch etwas streng für ein diesbezüglich noch nicht ganz gefestigtes Basisdestillat. Ich könnte mir vorstellen, dass das mit längerer Reifung richtig spannend werden kann.
Der Sunset at Gowanus ist, das sieht der Kenner sofort, ein Twist auf einen Daiquiri. Ich nutze als Apfelkomponente, das bot sich einfach natürlich an, den Sulm Valley Apple aus derselben Brennerei Krauss. Irgendwie fühlt sich das ganze wie eine jamaikanisch-steirische Kooperation an, und die kräftigsaure, aromatische Mischung lässt mich sowohl vom einen Land als auch vom anderen träumen (beide sind ideale Urlaubsdestinationen für mich!), während ich an dem Drink nuckle – Steiermaica halt.
Sunset at Gowanus
2oz / 60ml gereifter Rum
¼oz / 7ml Apfelbrand
¼oz / 7ml Chartreuse jaune
¾oz / 23ml Limettensaft
¼oz / 7ml Ahornsirup
Auf Eis shaken.
[Rezept nach Alex Day]
Alle Produkte, die ich von der Brennerei Krauss habe, folgen demselben Designschema – eine schwere, rundliche Flasche mit Glasstandfuß, dem aufgeklebten Metalllogo und schlichten, aber dennoch hochwertigen Etiketten, sowie einem Rücketikett mit Tasting Notes. Das liegt gut und haptisch in der Hand, man verzichtet auf Kitsch und künstliches Rumbrimborium, eine sanfte und angenehm schlichte Präsentation, die dem Auge trotzdem gefällt.
Als Einstieg in kontinentalen Rum dieser Machart empfehle ich den Cask-Strength-Rum der Krausses ausdrücklich, da ist viel der Typizität drin, die ich dieser immer noch neuen Rumuntergattung zuspreche, und handwerklich ist das einfach top. Wer sich dann noch dort weiter umschauen will: ein fassgereifter Gin macht Spaß, der schon beim Cocktailrezept angesprochene Apfelbrand zeigt die traditionellere Seite der Steirer, und diverse Liköre gibt es auch, für die mit dem süßeren Zahn. Einige der Produkte werde ich hier in Zukunft noch besprechen, versprochen!
Offenlegung: Ich danke der Distillery Krauss für die bedingungslose Zusendung je einer Flasche des Cask-Strength- und des Sherry-Cask-Finished-Rums, und True Spirits für die Vermittlung.