Ich hatte es oft erwähnt – das Hauptproblem, das Baijiu lange hatte, ist, dass kaum jemand, der sich für diese Spirituosengattung interessiert, an die Produkte leicht herankommen konnte; vieles, was ich hier in vielen Artikeln über Baijiu besprach, war eigentlich ausschließlich in Eigeninitiative über Chinaimporte zu erwerben, und selbst das ist höchstkompliziert, denn es gibt nur wenige Hersteller, die der westlichen Neugierlangnase dahingehend entgegenkommen, wenigstens englische Informationsquellen anzubieten. Das ändert sich in den letzten wenigen Jahren etwas, erstens enstehen in Deutschland direkte und indirekte Bezugsquellen, und es gibt ein durchaus brauchbares Basisangebot sowohl für Leicht-, als auch Stark- und Soßenaroma-Baijiu. Oft sind es immer noch engagierte Kleinimporteure, die die Last dieser Pionierarbeit tragen (ja, Andreas, ich meine Leute wie Dich!), hin und wieder findet sich aber auch eine Gesellschaft in China, die das Expansionspotenzial dieser höchst exotischen Spirituose in Europa und der Welt sehen.
So zum Beispiel die Hauhan International Trading Co.,Ltd., die mit ihren Produkten aktuell versucht, die weiterhin große Lücke an hochqualitativen Abfüllungen zu verkleinern. Als Beispiel stelle ich hier nun den Kuanglang Shangjiang Baijiu (狂浪酱香酒-上酱) vor – man beachte, der Hersteller nennt diese Marke selbst „IKuang“, wobei ich mir über das initiale „I“ unsicher bin, ich halte es einfach für einen Designtrick, mit dem man den vertikalen Strich des Ks betonen will, denn in den offiziellen Werbevideos des Abfüllers wird das I nicht ausgesprochen. Die zwei prominenten chinesischen Zeichen 狂浪 auf Karton und Flasche jedenfalls pinyinisieren sich als „Kuanglang“; wer sich für diesen Baijiu interessiert, sollte also vielleicht parallel nach „Kuanglang“ und „IKuang“ suchen. Das ist natürlich nur der Markenname, die spezielle Sorte nennt sich „Shangjiang“ 上酱, und wir bekommen damit ein Exemplar des besonders in Süd- und Südwestchina beheimateten Soßenaroma-Stils, im Dorf Yunlongjie bei Luzhou in Sichuan wird der Baijiu hergestellt. Man verwendet dafür laut Dokumentation „red tassel sorghum“, was wohl Sorghum bicolor ist, und Weizen. Wie für den Stil üblich geschieht dies mittels Trockenfermentation und -distillation, in klassischer und entsprechend aufwändiger Weise in mehreren Zyklen, in denen das einmalige Aroma entsteht. Der Hauptteil des „Kunsha“-Destillats (was dem höchsten Qualitätsstandard für Sorghum-Destillate entspricht) wird mindestens 12 Jahre in Tonkrügen gereift, und dann mit einem kleinen Anteil von 30 Jahre altem Brand geblendet. Das Ergebnis dieses langen Prozesses wollen wir uns mal nun zu Gemüte führen.
Eine minimale Tönung erkennt man, aber höchstens Stroh, eher Crème, so ein ganz heller Weißweinton. Die Öligkeit dagegen ist sehr deutlich, richtig schwer schwappt der Baijiu hin und her, und lässt auch ordentlich was am Glas kleben, das dann in richtig fetten Beinen mit dicken Köpfen abläuft.
Der Geruch ist direkt sehr typisch, volle, schwere Aromen aus weißer Schokolade, Kokosnussfleisch, aufgeschlagener Sahne, Baiser und türkischem Honig, das wirkt fast wie eine Crème de Cacao, wäre da nicht noch eine sehr würzige Unternote von Balsamico, Sojasauce (der Name des Stils muss ja irgendwo herkommen), und eingelegten Sprotten. Je länger man schnuppert, um so mehr drängt sich diese Würze über die Schokolade, und am Ende kommt sogar noch etwas Feige und reifer Pfirsich dazu. Ein komplexer Duft, für die westliche Nase sicher etwas gewöhnungsbedürftig, dennoch interessant.
Der Antrunk ist schon leicht salzig, deutlich umami, mit einer sehr breiten Textur, die sich erstmal weich an den Gaumen legt; schnell kommt aber eine kräftige, leicht astringierende Trockenheit auf, zusammen mit mildfeuriger Pikanz, die dann die fast schon holzig wirkenden Bitteraromen trägt – erneut Kokosnussfleisch, Süßholz, Leder. Eine feine Gewürznote aus Muskatnuss und Sternanis kommt dazu, aber nur als elegante Kopfnote. Im Verlauf scheint der Baijiu immer mineralischer zu werden, fast schon kiesig-algig, bevor im Abgang letzteres dominiert, mit einem Touch von Teer. Die entstandene Wärme, zum Teil natürlich den 53% Alkoholgehalt geschuldet, die man noch im Rachen und in der Speiseröhre verfolgen kann, kippt im Mund dagegen um in Eiseskälte, leicht minzig, leicht eukalyptisch – ich betone immer wieder, wie wichtig der Nachhall bei einem Baijiu ist, und hier wirkt das ganze sauber, immer noch getreidig-aromatisch, mildsäuerlich und lang andauernd, dabei nicht krawallig, eher fein, frisch und hell. Richtig angenehm, toll gemacht, sich schlicht und ergreifend großartig im Mund anfühlend; so einen Abgang voller Kraft und dennoch viel Finesse bekommt man nur bei Baijiu.
Sehr trinkbar, komplex, und dabei auch wirklich einsteigerfreundlich, ohne den Kenner zu langweilen, im Gegenteil: an diesem Baijiu findet jeder etwas, was gefällt. Ich gehe nicht so weit, zu sagen, das sei ein Crowdpleaser, dazu ist Sauce-Aroma-Baijiu dann doch zu speziell, aber beim Kuanglang Shangjiang stimmt halt dennoch alles, da passt alles zusammen. Ein richtig runder, klarer, aromatischer Repräsentant des Stils.
Gerade die schokoladigen Noten sorgen dafür, dass sich so ein Baijiu schön in einen Drink einpasst, der eher mit süßlich-bitteren Komponenten spielt. Ich habe für den Mangmang, den ich für diesen Baijiu zusammengestellt habe, Zutaten ausgesucht, die einzelne Aspekte des Baijius aufgreifen – die Mineralität durch Suze, die Bitterwürze durch Amaro, die Schokolade durch Crème de Cacao und die gewisse Frucht durch Peychaud’s.
Mangmang
1oz / 30ml Baijiu (Sauce-Aroma)
1oz / 30ml Suze
1oz / 30ml Amaro
¼oz / 7ml Crème de Cacao
2 Spritzer Peychaud’s Bitters
Auf Eis shaken.
[Rezept nach Helmut Barro]
Ich muss irgendwann einmal herausfinden, woher die Vorliebe der Chinesen für diese spezielle Flaschenform kommt – ich habe bestimmt ein Dutzend Baijius unterschiedlichster Hersteller in meiner Heimbar, die in genau derselben Flaschenform (meist aber in weiß gehalten) abgefüllt sind. Dazu ein hübsches rotes Bändchen, und ein attraktiv gestaltetes Etikett, das sich gut an den hochwertigen, stabilen Geschenkkarton anpasst. Zwei Dinge machen deutlich, dass man in China doch mit Produktpiraterie zu kämpfen hat, der Nachfüllstop in der Flasche, und das Drucksiegel am Karton selbst, das man mit etwas Kraft öffnen muss und nachher nicht wieder sauber verschließbar ist; beides ist sehr typisch für Baijiu-Abfüllungen.




Ich habe noch einen zweiten Sauce-Aroma-Baijiu des Herstellers, auf dem letzten Bild sieht man den blauen Karton dazu. Diesen bespreche ich natürlich auch noch in naher Zukunft. Es gibt noch diverse weitere Abfüllungen der Firma, auch mehrere Starkaroma-Baijius stellt Hauhan her.
Ich weiß, dass es wahrscheinlich aktuell trotz allem, was ich in der Einleitung gesagt habe, schwer sein wird, an diesen Baijiu heranzukommen. Doch Hauhan sucht Importeure für Europa und Deutschland, und daher gehe ich davon aus, dass sich die Situation bald ändern wird. Jedenfalls wäre der Kuanglang Shangjiang eine echte Bereicherung für das noch recht dünne Angebot von 酱香-Baijiu hierzulande – daher hoffe ich und wünsche Hauhan, dass das schnell geht!
Offenlegung: Ich danke der Hauhan International Trading Co.,Ltd. für die kosten- und bedingungslose Bereitstellung dieses Baijius.