Mallorquinische Kräuter – Hierbas Túnel 14 Reserva Familiar

Hierbas Túnel 14 Reserva Familiar Titel

„Ein typisches Produkt der Baleareninsel“ mitzubringen, das war das Ziel, als ich letztes Jahr einen Kurzausflug nach Mallorca gemacht hatte. Natürlich flüssig, natürlich mit Alkohol, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Es gibt eigentlich kaum Regionen, wo so eine Anforderung schwierig umzusetzen ist, regionale Spezialitäten gibt es überall, schwieriger ist, eine zu finden, die wirklich lokale Tradition hat und die nicht unbedingt von einem Riesenkonzern in Masse produziert wird. Ich erwarte da dann natürlich keine Herstellung, bei der die Oma im Hinterhof sitzt und die Zutaten noch von Hand schält (obwohl das in ganz seltenen Ausnahmefällen manchmal noch zu entdecken ist), wir leben ja nicht mehr im Mittelalter, und eine gewisse Form der Automatisierung und Industrialisierung lässt sich einfach nicht vermeiden, wenn der Brenner auch nur ansatzweise ambitioniert ist und mehr als 1000 Liter im Jahr verkaufen will.

1 Millionen Flaschen im Jahr, das ist trotz der scheinbar großen Zahl eine eigentlich noch übersichtliche Menge, füllt man bei Antonio Nadal Destil·leries für die größte hauseigene Kräuterlikörmarke Túnel de Mallorca ab – Deutschland ist der größte Absatzmarkt dafür, wer hätte das erwartet. Aber Tradition hat man jedenfalls genug – und auch Qualitätsstandards, denn der „Herbes de Mallorca“ ist seit 2002 eine geschützte Herkunftsbezeichnung. Nur ausgewählte Kräuter, die auch auf der Insel geerntet worden sein müssen, dürfen verwendet werden, und die Produktion wie Abfüllung müssen ebenso auf der Insel stattfinden. Drei Kategorien gibt es, die süßen Dolços/Dulces, die „trockenen“ Seques/Secas, und die Mischform zwischen den beiden, die Mesclades/Mezcladas/Barrejades, sie unterscheiden sich nur anhand der zwei Kriterien des Alkohol- und Zuckergehalts. Der Hierbas Túnel 14 Reserva Familiar, den ich mir schließlich aus dem Sortiment ausgewählt hatte, fällt wohl in die mittlere Kategorie, er hat 28% Alkoholgehalt. Mal schauen, ob er auch im kühleren Deutschland schmeckt, auf Mallorca hat er mir jedenfalls Spaß gemacht!

Hierbas Túnel 14 Reserva Familiar

Ein blasses, strohiges Pastellgold hat sich in der braungrünen, nur kaum durchschaubaren Flasche verborgen. Schon beim Ausgießen aus jener erkennt man die hohe Viskosität, und wenn man den Likör etwas länger im Haus hat, auch die Zuckerkruste, die sich an der Flaschenöffnung bildet. An der Glaswand bleiben die dicken, fetten Beine, die sich beim Schwenken gebildet haben, ewig bestehen.

Der Hierbas Túnel 14 Reserva Familiar hat eine sehr prägnante, anisgeprägte Nase, wie es laut den EU-Bestimmungen auch sein muss. Dazu kommen ähnlich gelagerte Aromen – Fenchel, Dill, Kümmel. Milde Zitrusfrucht. Etwas Gummi, Chlor und Ethanol rieche ich allerdings auch, das klingt jetzt vielleicht etwas unangenehmer, als es tatsächlich ist; im Gesamtbild passt das alles gut zusammen.

Weich und breit lagert sich dieser Hierbas im Mund, ein tolles Mundgefühl beim Antrunk. Sehr süß ist er zunächst, natürlich, mit nur langsam aufkommenden Kräuternoten. Diese werden aber im Verlauf immer dominanter, es kommt eine milde Hitze dazu, die Würze kommt nun gegen die Süße an. Anis ist vorhanden, aber nicht völlig überwältigend, wie das bei vielen Anisettes der Fall ist, die Kräuter bilden ein schönes, rundes Bouquet. Die süßen Aromen vervielfältigen sich in unterschiedliche Richtungen: Honig, Kandiszucker, Zuckerwatte.

Hierbas Túnel 14 Reserva Familiar Glas

Der Abgang ist kurz, warm, sehr würzig, eine leichte Ingwerschärfe verbleibt noch etwas auf der Zunge, dazu die Kandiszuckersüße auf den Lippen. Der Nachhall schließlich besteht aus langsam verfliegenden Kräutern und mildem Anis.

Ein toller Kräuterlikör, sehr aromatisch, sehr rund, ohne eine Komponente extrem in den Vordergrund zu stellen. Trinkt sich verdammt süffig, auch im kälteren Klima Deutschlands, das muss ich sagen.


Auf der Seite des Herstellers finden sich diverse Rezepte für Mixed Drinks mit dieser Spirituosengattung – meist sind es Long Drinks oder klassisch gehaltene Urlaubscocktails, einfach herzustellen und einfach zu trinken im wunderbaren Klima Mallorcas. Gewiss ist es passend, doch dass der Kräuterlikör auch anders und ein bisschen seriöser kann, sieht man im Fontainebleau Special. Elegant, würzig, ein toller Aperitif.

Fontainebleau Special Cocktail

Fontainebleau Special
1½ oz Hierbas oder Anisette
1½ oz Cognac
¾ oz trockener Wermut
Auf Eis rühren.
[Rezept nach unbekannt]


Die Flaschenform und -gestaltung ist außergewöhnlich und gefällt mir sehr – die dreieckige Grundform der Flasche wird schwungvoll und mit vielen Details in Blattform gebracht, um die Kräuterhistorie zu visualisieren. Das ist ein Augenfang, ohne Zweifel, und allein deswegen schon ein ideales Mitbringesel von der Insel.

In deutschen Supermärkten findet man häufig die anderen Liköre der Túnel-Marke, in den grünen, schlankeren Flaschen, das ist natürlich ein anderes Produkt – dort kann man dann auch die Unterschiede zwischen den Herbes-Kategorien nachvollziehen, denn zumindest bei mir in Saarbrücken gibt es alle drei leicht erhältlich. Aber, das ist klar, wenn man auf Mallorca war und schon eine kleine Bindung zu dem lokalen Likör aufgebaut hat, ist das Probieren hierzulande dann einfach viel direkter und bietet neben dem reinen Geschmackserlebnis immer auch die Möglichkeit, sich an eine gute Zeit zu erinnern. Zumindest geht es mir oft so.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.