Verrücktes Vertrauen – Dada Chapel Aged Brhum

Dada Chapel Aged Bhrum Titel

„Rum ist eine Spirituose, die ausschließlich durch die Destillation des Produkts der alkoholischen Gärung von Melasse oder Sirup, die aus der Rohrzuckerproduktion stammen, oder von Zuckerrohrsaft selbst gewonnen“ wird, das schreibt die EU-Spirituosenverordnung 2019/787 so vor. Auch die US-amerikanische TTB, das Amt, das für die Definitionen von Spirituosen dort zuständig ist, macht das ähnlich, ist höchstens einen Ticken laxer dabei – für die Amis ist Rum ein „spirit distilled from the fermented juice of sugar cane, sugar cane syrup, sugar cane molasses or other sugar cane by-products“. Beide Gesetzgeber sind sich jedenfalls einig, dass es ausschließlich Zuckerrohr ist, das zu Rum verarbeitet wird, und definitiv nicht die Zuckerrübe oder andere Zuckerquellen.

Das soll natürlich nicht heißen, dass es nicht spirituelle Verwendungsmöglichkeiten für die gute, alte Zuckerrübe gibt, aus der wir in Schwaben als Kinder im Herbst Rübengeister geschnitzt hatten, dem Vorläufer der Kürbisköpfe, die man aus amerikanischen Gefilden importiert heutzutage. In Gent in Belgien verarbeiten sie regionale, belgische Rüben jedenfalls begeistert zu einem Brand – Dada Chapel Aged Brhum ist geboren. Der Name spielt schon darauf an, dass man sich irgendwie trotz der Gesetze in der emotionalen Nähe zu Rum sieht, das französische Wort „rhum“ wird clever und charmant um das große „B“ der sugar beet, also Zuckerrübe, ergänzt. Nach dem Brennen in einer Kupferpotstill wird der noch ungereifte Zuckerrübenschnaps abgefüllt und verkauft; und ein Teil darf es sich stattdessen eine Zeitlang in amerikanischer Weißeichenfässern bequem machen, um dann als gereifte Variante auf den Markt zu kommen. Letztere will ich heute vorstellen, nachdem ich eine Flasche davon in Spa in Belgien während des Salon du Rhum 2022 erworben hatte. Mein Erstkontakt war schon 2020 in Brüssel bei der damaligen Veranstaltung von Spirits Selection by Concours Mondial de Bruxelles, wo ich als Juror mitten in der Pandemie arbeitete, und Timon Salomez von Dada Chapel, der ebenfalls als Juror mitmachte, ihren Stoff dort vorstellte – es dauerte also zwei Jahre, bis ich das Konzept verstanden hatte.

Dada Chapel Aged Bhrum

Das Jahr, das die Zuckerrübenspirituose in Fässern aus amerikanischer Eiche (auf der Shopseite findet man den Hinweis, dass es sich um eine Mischung aus amerikanischer und französischer Eiche handelt) ruht, lässt eine elegante, gelbgoldene Farbe entstehen – es wird nicht gefärbt. Man sieht darüber hinaus schöne Viskosität beim Schwenken und langsam ablaufende Beinchen.

Die Nase hat durchaus etwas von Rum, aber auch etwas eigenständiges. Obwohl sie insgesamt sehr mild und zart ist, erkennt man schon deutliche Gewürznoten, mit Sternanis, Zimt und Vanille, dazu reife Banane und Pfirsich – das hat wirklich was von Bananenbrot oder Fruchtkuchen, mit etwas Nutella oder Nougat als Beilage. Diese würzig-fruchtig-schokoladige Mischung riecht sich ungewohnt, aber angenehm, und Ethanol erahnt man beim tiefen Schnuppern mehr, als dass man ihn wirklich wahrnimmt.

Dada Chapel Aged Bhrum Glas

Der Antrunk setzt diese Eindrücke fort, zunächst mit der Frucht, aus der sich dann schnell und sehr prägnant das cremige Nougat herausschält, das hat im Verlauf wirklich etwas von einem Kakaobrand. Sehr rund, sehr mild, zunächst trotz all der starken Süße und Schokoladigkeit fast zart und leicht. Die volle Textur unterstützt diese Noten natürlich voll, erst spät kommen die Backgewürze nach vorn, zusammen mit einer generellen, leicht pikanten Wärme, die die Zunge kitzelt und sie nach dem Abgang sogar etwas anästhesiert zurücklässt. Hier kommen dann irgendwie klassische Säulenrumaromen hervor, und das, obwohl das weder ein Rum noch in Säule gebrannt ist. Insgesamt könnte ich, gewiss, noch etwas mehr Komplexität erwünschen. Der Abgang ist eher kurz, Seitenaromen liegen aber noch eine Weile am Gaumen, mit viel Kakaopulver und Zimt.

Ich gebe zu, ich sah so ein Produkt zunächst mal hauptsächlich für den Einsatz im Bildungstrinken, um zu erschmecken, wie sich ein Destillat aus Zuckerrüben im Vergleich zu einem Zuckerrohrbrand anfühlt. Tatsächlich kann man den Aged Bhrum aber ohne Schwierigkeiten auch als Genussgetränk weiterempfehlen, diese Schokoladigkeit ist sehr ansprechend und macht wirklich viel Spaß; das Ganze wirkt trotz der nur kurzen Fasslagerung sehr reif und hat überhaupt nichts Experimentelles an sich, so dass keinerlei Gefahr besteht, dass die Flasche im Regal der Heimbar nach den ersten paar Versuchen verstauben könnte. Im Gegenteil, ich schlürfe das lieber als manchen Karibikrum.


Das Schöne an einem Royal Bermuda Yacht Club ist, dass es immer noch erkennbar ein Daiquiri-Twist ist, aber mit den zwei Likören eine kleine Abwechslung bietet. Hier kann man mit Rums schön spielen – und auch der Dada Chapel Aged Bhrum funktioniert bestens in so einem Ensemble, ohne dass er untergeht; man ahnt sogar noch die Charakteristik heraus, sowohl im Geruch des Cocktails, als auch im Geschmack.

Royal Bermuda Yacht Club Cocktail

Royal Bermuda Yacht Club
2oz / 60ml leicht gereifter Rum
¾oz / 23ml Limettensaft
½oz / 15ml Falernum
¼oz / 7ml Orangenlikör
Auf Eis shaken.

[Rezept nach Trader Vic]


Sehr auffällig ist die Flasche an sich – eine ungewöhnliche Form, flach und dafür breit, mit großem Holzdeckel auf dem Korken, und einem großen Etikett, das eine, nun, ja, dadaistische Zeichnung einer Rübe zeigt. Die Dada Chapel Distillery orientiert sich sowohl an dem historischen Gebäude, in dem sie untergebracht sind (erst ein Gasthaus, dann ein Nonnenkonvent), als auch an dem modernen Kunstkonzept des Dadaismus. Hier gelingen, meines Erachtens, genau diese Brücken zwischen schwer vereinbaren Ideen; „in odd we trust“ ist der Wahlspruch, und mit ihren unkonventionellen, innovativen Produkten machen sie dort genau das. Seltsame Konzepte, aber gut umgesetzt – ich mag die Truppe und ihre Destillate.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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