„Sonoma“, das klang für mich erstmal irgendwie nach Wüste und trockenen, kaktusbewachsenen Landschaften, und ich habe mich für diesen Artikel gedanklich ganz darauf eingestellt, hier über Sand und trockene Steine zu berichten. Wahrscheinlich hat sich mir das ähnliche klingende Wort „Sonora“, das tatsächlich eine eher aride Gegend in Mexiko bezeichnet, dabei heimlich eingemischt. Sonoma selbst ist doch eine ganz andere Landschaft, es liegt in Mittelkalifornien in der San Francisco Bay Area, und grenzt an das uns bekanntere Napa, und stellt ähnlich wie sein Nachbar eine Menge an amerikanischem Wein her, ist also bei weitem keine trostlose, arme Umgebung. Zum Glück habe ich recherchiert, bevor ich hier über Whiskey aus der Wüste fabuliert und mich damit blamiert habe – den Titel des Artikels behielt ich trotzdem, um mich immer daran zu erinnern! Außerdem leben wir ja in Zeiten des Headline-Journalismus, und ich hoffe, mit diesem Titel einfach ein paar Leser:innen zu triggern, wie das aktuell mit Winnetou ja sehr gut funktioniert für die relevanten Blätter der Mediengesellschaft.
Trotz der Weingegend ist der Sonoma Rye dennoch ein Whiskey, die Mashbill besteht zu 100% aus Roggen (gesetzlich sind mindestens 51% vorgeschrieben). Bei der Sonoma County Distilling Co. wird er über direktem Feuer in einer Potstill, die auch auf dem Etikett abgebildet ist, gebrannt, lagert dann ein Jahr in den für Rye Whiskey vorgeschriebenen Fässern, ist damit kein Straight Rye. Er wird schließlich auf 48% Alkoholgehalt eingestellt und von Hand abgefüllt. Vor einer ganzen Weile war er bei einem großen Versandhändler in einem nahezu lächerlich niedrigen Preisangebot verfügbar, ich hatte damals blind und ohne großes Nachdenken zugeschlagen und ihn dann im Regal vergessen, wie das oft passiert bei mir. Nun öffne ich ihn endlich und schaue mal, was die Kalifornier so drauf haben, was Roggenwhisky angeht.

Frisch ausgebrannte Eichenfässer geben einem Destillat schnell viel Farbe, selbst wenn es, wie hier, nur 1 Jahr ist – oder, wie es das Rücketikett blumig formuliert, „4 Jahreszeiten“. Das Weglassen der Filtrierung hat nicht für Rückstände oder Trübung gesorgt, das leuchtende Terracotta bleibt klar und rein. Sich sehr lebendig bewegend lässt der Roggenwhiskey erst einen Film an der Glaswand, der sich nur langsam in Beine aufgliedert und abläuft.
Eine sehr klare, reine Nase begrüßt uns beim Schnuppern. Da ist richtig viel Getreidefrucht, diese tolle Mischung aus brotig-teigigen, erdigen Körnern und deren vollfruchtige Note, wenn man sie drückt. Kirschen, Aprikosen, Pfirsich und Mango vereinen sich zu einem wunderbaren Gesamtbild, an dem man lange verweilen kann – auch, weil es mit deutlich würzigen Beinoten bereichert wird, und kräuterige Frische von Dill, Kümmel und etwas Anis dazu kommt. Vom Holz bekommt man noch fette, kräftige Vanille und Karamell, was für Volumen in der Nase sorgt und das ganze noch weicher und runder macht. Nur ein Ticken Lack und Ethanol taucht auf, das ist aber sortentypisch und erwünscht, in der Menge auch schön eingebettet, was zusätzliche Komplexität erzeugt. Ein tolles Geruchsbild.
Im Mund wirkt der Sonoma Rye erstmal wunderbar weich und sanft, die dicke, aber nicht wirklich fette Textur macht das möglich, zusammen mit der kräftigen, natürlich wirkenden Süße des Destillats und der Fassaromen. Vanille und Karamell bilden sich als erstes aus, mit einer helltönigen Fruchtnoten von reifen, weißen Früchten, Pfirsich, Aprikose und einem Anflug von Quitte. Das Highlight dieses Whiskeys entsteht aber erst im Verlauf, hier blüht der Roggen dann voll auf, bringt seine typische Würze mit ins Spiel, und eine herrliche, mentholige, fast schon minzige Frische, die immer mehr zunimmt und zum Schluss einen klaren Eiseshauch im Mundraum erzeugt, während die süßeren Frucht- und Holzaromen verhindern, dass es kantig und frech wird. Am Ende ist da ein sehr komplexes Geschmacksbild aus süßen, würzigen, leicht salzigen und sehr frischen Tönen, die miteinander harmonieren und den langen, würzigen, fruchtigen Abgang ermöglichen, der trotz der mentholigen Kälte im Mund parallel ein angenehm warmes Gefühl vom Rachen und der Speiseröhre bis in den Magen ausbildet. Das macht richtig Spaß zu trinken, und trotz der Komplexität und Vielschichtkeit bleibt es unkompliziert und rund – ein richtig spannender Rye Whiskey!
Ich trinke den Sonoma Rye sehr gern pur, bei Zimmertemperatur im Tumbler, ohne irgendwas dazu – ich schätze, dreiviertel der Flasche sind dafür draufgegangen. Aber auch im Cocktail macht er sich sehr gut, sorgt im Up in Smoke zum Beispiel für die Frische und das Volumen, das der Drink braucht, um sich nicht komplett vom Rauch beherrschen zu lassen. Die Schichtung mit Orangensaft macht den Cocktail auch optisch ansprechend, ich mag sowas ja, ein Rezept, das viele Sinne anspricht.
Up in Smoke
Das Gästeglas mit Rosmarinrauch räuchern.
1oz / 30ml Rye Whiskey
1oz / 30ml Weinbrand
1oz / 30ml Kirschlikör
Auf Eis shaken, ins geräucherte Glas abseihen, mit Orangensaft toppen.
Mit Rosmarin servieren.
[Rezept nach Jason Bartlett]
Sehr gefallen mir neben dem Inhalt aber auch die Details, die man auf dem Rücketikett aufgelistet findet – so erfährt man, welche Roggensorten eingesetzt wurden (kanadischer ungemälzter Roggen und britischer gemälzter Roggen), das Abfülldatum (bei mir 03.03.2016), sowie Batch- und Flaschennummer, und dass ein Batch aus 200 „cases“ besteht, was also eine Batchgröße von 2400 Flaschen bedeutet. Es ist immer schön, so eine wenigstens gefühlt individuelle Flasche in der Hand zu haben, Nummer 466 aus Batch 12, das hat schon was, finde ich.
Das Wachs dagegen, mit dem der Korken mit dem Flaschenhals verbunden wird, ist weniger meins – das ist eigentlich ein sehr benutzerunfreundliches Gimmick, denn es ist erstens schwer, beim ersten Öffnen mit einem Messer so zu arbeiten, dass man die richtige Stelle trifft und dabei nicht den Korken anschneidet, und zweitens bröckeln dabei leicht Wachsstücke in die Flasche oder später beim Eingießen ins Glas, das ist dann sehr lästig, das gleiche Problem habe ich auch bei Maker’s Mark und ähnlichen Produkten. Liebe Sonoma County Distilling Co., lasst das dumme Wachs weg, auch wenn es gut aussieht. Ihr macht es mir nur unnötig schwer, an euren wirklich tollen Stoff zu kommen!