Man findet ja recht viel Material zweifelhafter Qualität, wenn man sich über Spirituosen, deren Herstellung und Geschichte informieren möchte. Alte Mythen halten sich lang, neue Fantasien breiten sich schnell aus, und oft genug haben Hersteller auch sehr großes Interesse daran, die eigene Variante der Geschichte von Rum und wie man ihn traditionell herstellt als die einzig wahre darzustellen, oder seltsame Praktiken zu rechtfertigen. Man braucht schon etwas Sitzfleisch und Einblick, um manche der Aussagen, die in diesem Geschäft getätigt werden, richtig einordnen zu können. Um so mehr freut es mich, wenn man im Fernsehen auf Arte plötzlich auf eine kleine Minidokumentation stößt, die zwar herstellernah gedreht ist, aber doch mit genug Hintergrundinformation den gesamten Beitrag aufwertet – und hübsche Fernweh-Bilder dazu mitliefert.
Nicht, dass ich den Mount Gay XO Triple Cask Blend Reserve Rum unter den Verdacht stellen wollte, an unstatthaften Praktiken, von denen es im Rumgeschäft mehr als genug gibt, teilzuhaben, im Gegenteil: Den Vorgänger dieses Rums hatte ich oft genug als Beispiel empfohlen, wenn mich jemand nach ehrlichem, sauberen, typischen und hochwertigen Rum gefragt hat. Vorgänger? Ja, denn die hier besprochene Variante ist ein neuer Blend, den die neue Master Blenderin von Mount Gay, Trudiann Branker, als eine ihrer ersten Amtshandlungen vor einigen Jahren einführte. Er ist anders zusammengestellt, und in Deutschland zumindest etwas teurer geworden. Kann ich ihn trotzdem weiter genauso empfehlen, wie ich es früher mit dem Blend ihres Vorgängers Allen Smith getan habe? Ich nehme das Fazit vorweg und sage: Ja. Die Details zu dieser knappen Aussage folgen nun.
In Deutschland muss, wenn Farbstoff eingesetzt wird, dies auch bei Spirituosen deklariert werden, und entsprechend findet man den Hinweis hier auf dem Rücketikett und der Kartonunterseite (im Gegensatz zu dem ganzen Restetikett verrückterweise in deutsch). Selbst bei hochwertigen Produkten meinen die Hersteller, es sei nötig, auch wenn es nur in kleinsten Mengen zur Chargenangleichung getan wird – irgendwie sollte sich diese Sitte auch irgendwann mal selbst erledigen. Es hinterlässt höchstens ein schlechteres Gefühl, wenn man diese wunderbare, leuchtend bernsteinfarbene Flüssigkeit vor sich hat, die sich mit leichter Viskosität im Glas bewegt und dabei mit erstaunlicher Krummwinkligkeit nach unten strebende Beinchen an der Glaswand hinterlässt.
Die Nase ist für mich persönlich ein kleines Träumchen, eine hübsche Melange aus Kokosfleisch, Marzipan, Nougat, Shortbread und Butter. Eigentlich wie ein leckerer Kuchenteig, dazu ein paar zerdrückte Nüsse und dezente Fruchttöne von Aprikosen, Rosinen und Orangen. Von letzterer ist vielleicht noch etwas Zestigkeit da, die das Gesamtbild etwas auffrischt und nicht zu dunkel werden lässt. Ein gewisser Alkoholhauch sollte nicht unterschlagen werden, schnuppert man zu tief, zwickt es etwas in der Nase, aber bei diesem Duft hat man eh wirklich schnell Lust, den Stoff auch zu probieren.
Ein dazu passendes Mundgefühl begrüßt den Verkoster dann auch, süß und mit all diesen Kuchenteigaromen von Marzipan bis Streusel, aber leicht und luftig von der Textur her, gar nicht so schwer, wie man es vielleicht erwarten würde. Sehr süffig und rund, ganz ohne jede Kante, erst im Verlauf bildet sich ganz vorsichtig etwas Würze heraus, die aus den drei zur Reifung verwendeten Holzsorten stammen könnte – aber gar nicht wirklich holzig wirkt. Etwas Zimtschärfe kommt dazu, wärmt zusammen mit den gut gewählten 43% Alkoholgehalt den Gaumen, und bereitet die Leinwand für die so typischen Barbados-Rum-Aromen von Kokosfleisch und Nougatschokolade, unterfüttert von Trockenobst, Honig und Butterscotch, mit minimalen Anflügen von Ledrigkeit und Tabakblättern. Der Abgang ist leicht und eher kurz, hier kommt diese Kokosnote ganz besonders zum Tragen, und etwas Holz taucht dann auch noch auf. Mit ganz milder Anästhesierung und Astringenz klingt der Mount Gay XO dann aus – ein wirklich archetypischer Barbados-Rum, mit extrem hoher Typizität, einfacher Drinkability und einem sehr schmeichelnden Charakter.
Rum dieser Art funktioniert in praktisch jedem Rumcocktailrezept, da muss man nicht groß überlegen. Ich dachte mir, er könnte in einem December Morn durch seine natürlich Süße den sauren Komponenten etwas zusätzlich entgegenstellen, und, was soll ich sagen, das funktioniert prächtig. Ein wirklich hübscher Drink, der mit dem Mount Gay XO Triple Cask nahezu perfekt wirkt.
December Morn
1½oz / 45ml gereifter Rum
½oz / 15ml Apple Brandy
¾oz / 23ml Grenadine
½oz / 15ml Zitronensaft
1 Eiweiß
Auf Eis shaken, dry shake. Mit Zimt bestreuen.
[Rezept nach Jane Danger]
Die dem Triple Cask namensgebenden drei Fässer waren vorher mit American Whiskey, Bourbon und Cognac belegt (zum Unterschied zwischen „American Whiskey“ und „Bourbon“ verweise ich gern auf die Bourbon-Artikel bei mir). Es heißt nicht, dass das gesamte Destillat in drei Holzarten gereift wurde – es ist nur ein Teil in der jeweiligen Holzart gelagert worden und die Teile werden dann miteinander verblendet. Die gesamte Reifung fand in tropischem Klima statt und dauerte zwischen 5 und 17 Jahren für die einzelnen Blendteile. Das Destillat dafür entstammt einer Fermentation mit Wild- und Zuchthefen von Melasse aus Barbados und „der Karibik“, d.h. man greift auch auf importierte Melasse zurück, wie in vielen Ländern und bei vielen Herstellern, selbst, wenn selbst noch Zucker hergestellt wird; die eigen hergestellte Menge reicht einfach nicht mehr aus. Vier unterschiedliche Brennapparate kommen zum Einsatz, Pot Stills wie Column Stills. Man sieht: Das ist ein wirklich stark durchmischter Blend, da kommt alles zum Einsatz, was die Brennerei an Material und Technik zu bieten hat.



Zu guter letzt gilt es, noch die Geschenkverpackung und das opulente Design anzusprechen. Neben den unzweifelhaften Qualitäten dieses Brands und der aufwändigen Herstellung weckt dieser letzte Punkt sicherlich auch das Interesse von Präsentsuchern – und mit dem sehr guten Preisleistungsverhältnis in Kombination mit dieser geschenktauglichen Verpackung ist der Mount Gay XO Triple Cask Blend Reserve Rum ganz sicher für viele Käuferschichten interessant und kaufenswert. Ich mag ihn einfach, weil er toll schmeckt, mir reicht das als Anreiz.