Ein neuer Lote ist wie ein neues Leben – Los Danzantes Mezcal Añejo

Los Danzantes Mezcal Añejo Titel

Wir sind es gewohnt, uns Lieblinge zuzulegen. Das Lieblingsessen, das nur bei der Oma so schmeckt, wie es soll, oder der Wein, den man durch viel Ausprobieren gefunden hat. Oder der Whisky dieser speziellen Brennerei aus Schottland, der ist die Krönung, der Geschmack ist einmalig und man freut sich darauf, sich abends ein Gläschen davon einzugießen, in der Erwartung genau dieses Geschmacks. Es ist die Arbeit von Masterblendern und Sensorikern bei den Herstellern, sicherzustellen, dass jede Flasche einer Sorte, die man als Kunde kauft, genau gleich schmeckt, heute, und auch nächstes Jahr und das Jahr darauf.

Nun ist das aber sehr aufwändig, und eigentlich nur leistbar, wenn man mindestens halbindustrielle Anlagen hat, das dafür nötige Destillatlager, und das darauf geschulte Personal sowie den finanziellen Background, so ein Unterfangen durchzuziehen. Und, und das ist das entscheidenste, den Willen dazu. Bei Produkten wie dem Los Danzantes Mezcal Añejo ist wahrscheinlich keines dieser Kriterien erfüllt, und darum muss man damit leben, dass unterschiedliche „Lotes“, neudeutsch Batches oder Chargen, auch recht unterschiedlich schmecken können. Die Brenner sehen sich nicht in der Pflicht, jede Abfüllung einer Geschmacksangleichung zu unterziehen, sie benutzen manchmal sogar unterschiedliche Agavenzusammenstellungen, manchmal unterschiedliche Fasshölzer, da würde es eh schwer sein, den Geschmack vom letzten Jahr zu reproduzieren. Und ich verstehe es – ich als Brenner hätte auch keine Lust, mich dauernd zu wiederholen in meiner Arbeit und Rücksicht auf derartige nostalgische Befindlichkeiten zu nehmen. Ein neuer Lote ist wie ein neues Leben, sang schon Jürgen Marcus in den Siebzigern und drückte damit das Lebensgefühl der Mezcaleros in Oaxaca aus. Naja, beinahe zumindest. Darum sage ich nun vorab klar: Ich beziehe mich bei der nun folgenden Verkostungsnotiz auf Lote 11, Flasche 1400 von 1500.

Los Danzantes Mezcal Añejo

Für Mezcal gibt es ähnliche Alterskategorien wie bei seiner Unterkategorie Tequila – und die Zeiten sind auch identisch. Ein Mezcal Añejo hat also gemäß dieser Regelungen mindestens 1 Jahr im Fass geruht. Auf dem Etikett ist keine genauere Reifedauer angegeben – recherchiert man kurz auf der hervorragend informativen Seite des Importeurs, findet man aber schnell die Information, dass es sich um „bis zu 16 Monate“ handelt. Das Holz der eingesetzten Nevier-, Limousin- und Weißeichenbäume hat in dieser Zeit bereits ganze Arbeit geleistet, was die Farbe angeht – honigfarben, vielleicht etwas blasser. Im Glas schwenkt sich der Los Danzantes sehr viskos, was dicke Beine an der Glaswand hinterlässt, die schnell ablaufen.

Die Nase ist zunächst mildsäuerlich, aber sehr fruchtig, klar agavenlastig. Apfelessig und -saft, Anflüge von Birnen und eine vorsichtige seifige Blumigkeit, die mich etwas an Weichspüler erinnert, ergänzen das. Nur ganz am Rande riecht man Rauch und Röstung, aber keine speckige Komponente, die sonst bei Rauch oft mitkommt. Dunkle Elemente stützen das ganze, geben Volumen und erinnern an Kakao und Toffee, doch insgesamt bleibt die Aromatik hell und leicht.

Los Danzantes Mezcal Añejo Glas

Das Mundgefühl ist sehr weich im Antrunk, mit einer süßlichen Note. Auch hier tritt die florale Lavendelkomponente von Anfang an stark in den Vordergrund. Im Verlauf wandelt sich dieser Mezcal dann aber stetig hin zum Trockenen, Feurigen, Würzigen, und der Lavendel verliert dann schließlich auch klar gegen die Espadín-Agave. Letztere gibt dann richtig viel weißen Pfeffer und Ingwerschärfe; 46% Alkoholgehalt sind sehr gut gewählt, sorgen für viel Breite und Tiefe. Holz ist natürlich deutlich schmeckbar, aber unterstützt nur, statt zu überwältigen, wie das leicht passieren kann bei fragilen Agavendestillaten. Eine sehr wirksame Schwarztee- oder Lapsang-Souchongnote ist beständig da und bis zum letzten Hauch erkennbar.

Der Abgang ist lang, mildwarm, sehr trocken, sehr aromatisch nach gekochter Agave, milde, fast grün wirkende Holzaromen und eine extrem dezente, aber wirksame Rauchigkeit. Ganz am Ende kommt Wintergrünöl und Jasmin hervor, und letzterer klingt sehr lange nach. Ein sehr kraftvoller, voluminöser und starker Mezcal, dabei handwerklich gut ausgebaut, hier greifen die Komponenten des frischen Destillats und der Holzreifung wirklich passgenau ineinander – ich bin sehr begeistert.

Erneut habe ich mich bei Robert Simonson und seinem sehr guten Buch „Mezcal and Tequila Cocktails: Mixed Drinks for the Golden Age of Agave“ bedient, und mir daraus mit dem The Last Mechanical Art einen Drink herausgesucht, in dem der gereifte Los Danzantes eine der vier gleichberechtigten Rollen übernimmt und zeigt, dass es nicht immer kratzig-rauchige Ergebnisse sein müssen, wenn man Mezcal in einem Cocktail einsetzt, nein, es kann auch dunkelflauschig-aromatisch sein.

The Last Mechanical Art Cocktail

The Last Mechanical Art
¾oz / 23ml gereifter Meczal
¾oz / 23ml Cynar
¾oz / 23ml roter Wermut
¾oz / 23ml Campari
Auf Eis rühren.

[Rezept nach Maks Pazuniak]


Die Flasche ist sehr ungewöhnlich, mit ihren Dellen und dem Bügelverschluss – vor kurzem hat Axel Huhn, der Importeur von Los Danzantes in Deutschland, ein Video veröffentlicht, das zeigt, wie die Verschlüsse noch von Hand aus Ton hergestellt werden, interessant und bei Facebook auf seiner Seite nachschaubar. Die Etikettierung wirkt edel und vornehm, hält sich aber leider mit Details zurück, was ein Jammer ist – denn zu verstecken gibt es hier nichts, im Gegenteil, man könnte ruhig ein bisschen angeben mit Details.

Ich habe aber bereits die informative Seite von mezcaleria.de angesprochen, die für ihre Produkte diese Details nachliefert, und so erfährt man dort auch, dass dieser Mezcal sehr traditionell hergestellt wird, was bei mir immer gut ankommt. Eine mit Mesquiteholz befeuerte Erdgrube, wilde Hefen, Vergärung in offenen Pinienholzbottichen, eine echte, vom Pferd gezogene Tahona – da versteht man, warum so eine Spirituosenkultur schützens- und unterstützenswert ist, sie ist der Kontrapunkt zu einer seelenlos gewordenen Industrieproduktion, einer Sackgasse, in die wir uns hineinbewegt haben, weil wir immer mehr und mehr wollen, zu immer niedrigerem Preis. Qualität und Tradition werden weniger wichtig als Preis- und Verteilungsstrukturen gesehen, wir sind da in einer Abwärtsspirale, in der sich Konsument und Hersteller gegenseitig verstärken. Es ist wichtig, dass wir als Genießer aus dieser Spirale aussteigen, und die Hersteller dabei mitnehmen. Mezcal hat noch die Chance, diesen Weg mit uns zu gehen: retten wir ihn, bevor auch er abstürzt, er ist kurz davor.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.