Ein Fang aus dem Meer des Alkohols – Daqi Fengxiang (Yishuban) (大器凤香酒)(艺术版)

Daqi Fengxiang (Yishuban) (大器凤香酒)(艺术版) Titel

Baijiu! Ich weiß, ich nerve meine Leser wahrscheinlich inzwischen mit meinen Vorstellungen der chinesischen Spirituose. Doch die Angelegenheit ist spannend für mich, und da es sonst kaum Quellen gibt, die darüber schreiben, sehe ich es als meine Pflicht an, auch hierzulande ein bisschen Wissen darüber zu verbreiten. Und natürlich ist das Thema bei weitem noch lange nicht ausgereizt: Vor kurzem hatte ich einen der kleineren Baijiu-Stile, das Sesam-Aroma, vorgestellt, und heute gibt es wieder etwas komplett neues vorzustellen: Das Phoenix-Aroma (凤香)! Die Herstellungsweise unterscheidet sich etwas von der der anderen Stile, sie ist geprägt von einer für Baijiu-Verhältnisse kurzen Fermentationszeit von 10 Tagen, und die Erdschichten, die die Gruben bedecken, in denen die Fermentation passiert, werden jedes Jahr ausgetauscht. Der Hauptunterschied liegt aber in der Reifung: statt der sonst üblichen Tonkrüge werden riesige, bis zu 10 Tonnen Destillat fassende, mit Leinen oder Hanfpapier ausgeschlagene Rattankörbe, die mit Wachs und Öl wasserdicht gemacht werden, eingesetzt. Man nennt sie passenderweise 酒海, salopp übersetzt „Schnapsmeer“.

Der Daqi Fengxiang (Yishuban) (大器凤香酒)(艺术版) von der Shaanxi Liulin Liquor Group (陕西柳林酒业集团) aus einem der kulturellen, geschichtlichen und auch geografischen Zentren Chinas, der Provinz Shaanxi, ist ein Beispiel für diesen Stil, der laut offizieller Beschreibung das beste aus Leichtaroma- und Starkaroma-Baijiu miteinander verbinden soll. Zum Namensbestandteil „yishuban“ sage ich am Schluss noch ein paar Worte – die Spannung auf diese auch für mich neue Baijiukategorie lässt mich die Einleitung jetzt einfach verkürzen, und direkt auf die Verkostung weiterleiten. Ab ins Glas mit diesem frischen Fang aus dem chinesischen Meer des Schnapses!

Daqi Fengxian (Yishuban) (大器凤香酒)(艺术版)

Im Glas wirkt die trotz 10 Jahre Reifung völlig transparente Flüssigkeit schwer und ölig, beim Schwenken bewegt sie sich gemächlich und unaufgeregt. An der Glaswand bildet sich ein vieladriger Ölfilm, der sich ebenso gemächlich nach unten auflöst.

Der Geruch erinnert zunächst an einen Starkaroma-Baijiu, allerdings ist hier noch mehr Zitrusfrucht vorhanden; im Gegensatz zum eben genannten ist die deutlich dominierende Ananas aber auch nicht am Verrotten, sondern erinnert eher an eine frisch aufgeschnittene, nur gerade so reife Frucht. Guaven, Zitronen, Pfirsich addieren sich zu einem sehr runden, sehr aromatischen, aber gar nicht so überestrigen Bouquet zusammen, wie man das von Baijius oft kennt – hier wirkt alles rund und fein. Eine schokoladig-nussige Note unterfüttert diesen Eindruck mit Volumen und Süße, nur ganz milde, sehr gut eingebundene Lacktöne sorgen dafür, dass die Süße und die Frucht nicht allein schalten und walten können. Ein wirklich sehr angenehmer Duft – einem Phoenix würdig!

Daqi Fengxiang (Yishuban) (大器凤香酒)(艺术版) Glas

Man bekommt richtig Lust, einen Schluck davon zu probieren. Im Mund wandelt sich der Daqi Fengxiang nach der initialen, limettenschaligen Säureattacke noch etwas, Süße und Frucht werden dunkler, nussiger, schokoladiger, ohne ihre leicht bittere Tropenfruchtbestandteile völlig aufzugeben. Gerösteter Sesam, Gartenkräuter und reife Ananas dominieren nun, etwas für Baijius sehr typisches Teer entsteht, eine schöne, volle Textur legt sich auf die Zunge, die Kombination kommt einem hocharomatisch, aber zugleich sehr leicht und elegant vor. Eine klare Salzigkeit bildet sich aus, zusammen mit einer sehr wirksamen, aber nicht übermäßig astringierenden Trockenheit und dem milden Feuer von hervorragend eingebetteten 55% Alkoholgehalt wirkt das sehr überzeugend und erfrischend, der ganze Mundraum kitzelt und fühlt sich richtig sauber und gut an.

Der Abgang ist lang, aromatisch und effektvoll kühl von Eukalyptus bestimmt, Rosmarin und Thymian klingen irgendwie mit, ganz am Ende kommt das pure Sorghum-Getreide noch etwas zum Vorschein und ringt mit Ananas und Pfirsich um die Gunst, die letzten Eindrücke bestimmen zu können. Oh, das ist ein richtig runder, toller Baijiu, der sich ohne Mühe weit vorne einreihen kann in meine Liste der Lieblingsbaijius.

Sowas lässt sich leicht in einem Cocktailrezept unterbringen, etwas, was man nun wirklich nicht von allen Baijius sagen kann. Diese Fruchtigkeit und Unaufdringlichkeit wirkt perfekt in einem Drink, den ich aus einem Originalrezept, das eigentlich gereiften Cachaça als Hauptspirituose nutzt, abgeleitet habe – der Chinese Spell II ist wirklich höchst trinkbar und ein wunderbarer Überzeuger für die, die sonst mit Baijiu so überhaupt nichts anfangen können.

Chinese Spell II Cocktail

Chinese Spell II
1½oz / 45ml Phoenix-Aroma-Baijiu
2oz / 60ml Saft aus grünen Trauben
1oz / 30ml Ananassaft
¾oz / 22ml Zitronensaft
½oz / 15ml Zuckersirup
Auf Eis bauen, swizzeln und mit Crushed Ice toppen.

[Rezept adaptiert nach Kevin Beary’s „Polynesian Spell II“]


Die Flasche muss natürlich besprochen werden – es handelt sich dabei um eine „Kunstedition“, was der Namenszusatz „Yishuban“ (艺术版) andeutet. Baijiu-Flaschen sind sehr oft sehr üppig designed, da wird gern geprotzt; hochwertiger Baijiu ist in China auch heute noch ein Prestigeobjekt, und da muss die Verpackung natürlich mit dem Inhalt mindestens mithalten können, wenn Gäste beeindruckt werden sollen. Hier gelingt das ganz enorm: Die Literflasche ist mattiert und bedruckt mit goldenen Symbolen und Text. Dazu der riesige Echtholzstöpsel (darunter verbirgt sich leider der für China übliche Plastiknachfüllstop). Im Gegensatz zu vielen auf den ersten Blick zwar hübsch aussehenden Baijiuflaschen, die sich bei genauerem Hinsehen als billiges Plastik und schlecht verarbeitete Keramik herausstellen, hält diese Flasche auch einer zweiten Inspektion stand und ist damit ein echter Blickfang für jede Heimbar.

Xu Liaoyuan (许燎源), ein in China bekannter und erfolgreicher Designer, ist für das Gesamtkonzept verantwortlich und hat ganze Arbeit geleistet – es nimmt klassische chinesische Motive auf und verbindet sie mit einem modernen Anstrich, ohne zu experimentell zu werden. Der Hersteller spricht von Sammlerwert und erwarteter Wertsteigerung; ich kann mir vorstellen, dass das zutrifft – der Ausgabepreis ist mit knapp 5000 Yuan (aktuell 700€!) zumindest schonmal dazu geeignet, nur potente Käufer, die sich auch das Sammeln leisten können, anzusprechen. Nicht, dass ich diese Art von Spekulation mit Spirituosen unterstützen will, sie macht es, durch die Preisspirale, die dabei entsteht, echt am Destillat Interessierten immer schwerer, an verknappte Produkte überhaupt heranzukommen. Aber wir sehen das zur Zeit ja in allen Spirituosenkategorien.

Ich weiß, dass es für meine Leser in Deutschland praktisch unmöglich sein wird, in den Genuss dieses Baijius zu kommen – dennoch halte ich es für wertvoll, darüber zu schreiben, einfach, weil es wirklich guter Stoff ist, mit einer sehr ungewöhnlichen Herstellungsweise, die für uns im Westen völlig fremd und unerwartet ist – es zeigt, dass man auch in der Schnapswelt immer wieder etwas neues findet, das man vorher nie gesehen oder auch nur vermutet hätte; Reifung in Weidenkörben? Verrückt, oder? Vielleicht kommt der Tag, an dem man auch hierzulande diese Art hochwertigen Baijius leichter erwerben kann. Ich bin mir sicher, dass er auch seine deutschen Freunde finden würde.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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