Bier am Freitag – Westvleteren 12 und Blond Trappistenbier

Westvleteren 12 und Blond Trappistenbier Titel

Ich habe „Sakrileg“ gelesen, ein unterirdisch schlechtes Buch, unfreiwillig komisch und handwerklich mangelhaft. Ich hoffe, ich trete hier keinem, dessen Lieblingsbuch das ist, auf die Füße, für mich ist es halt einfach unbegreiflich, dass so ein Machwerk soviel Erfolg hat – irgendwas macht Dan Brown dann halt doch richtig. Den heiligen Gral, der eine wichtige Rolle in dem Buch spielt, haben schon andere gesucht, Indiana Jones hat die Suche sehr viel spannender, unterhaltsamer und mit weniger Pseudowissenschaft erfolgreicher beendet als Robert Langdon – und auch ich habe den heiligen Gral des Biers gefunden, in einem kleinen Bierlädchen in Brüssel.

Trappist Westvleteren Kasten

Wenn einem das Bier, das sonst eher kompliziert zu bekommen ist (man muss ein Telefon, eine Landkarte und ein Auto dafür haben!), so kistenweise vorgesetzt bekommt, greife ich natürlich ohne jeden weiteren Gedanken zu. Der Gralsritter hätte sicherlich gesagt, dass ich weise gewählt habe, als ich mir drei Flaschen des Westvleteren 12, und ein Jahr später auch noch des Westvleteren Blond zugelegt hatte. Schauen wir uns das geheimnisvolle und mythenumrankte Trappistenbier in einem ihm angepassten Gefäß mal genauer an.


Farblich ist das Westvleteren 12 espressofarben und blickdicht. Auch die feinschaumige Crema auf der Bieroberfläche erinnert an italienischen Frischgebrühten – sie bleibt von Anfang an dünn, dafür aber lange erhalten. Perlage ist aufgrund der vollständigen Trübe keine zu erkennen.

Westvleteren 12 Trappistenbier

Die Nase ist frisch und mit Eindrücken von Zitrusfrucht, aber auch eine erkennbare Beerigkeit kommt hervor. Malz gibt viel Körper darunter und kombiniert sich mit den Beeren zu einer Erinnerung von Fruchtmarmelade und Ahornsirup. Eine leichte Grasigkeit und Anflüge von Thymian, barriquegelagerter Rotwein, das fühlt sich komplex und interessant an im Riechkolben.

Der Mund nimmt viele dieser Eindrücke wieder auf – Ahornsirup, Beerenmarmelade, Pflaumenmus, das ganze gewürzt mit Thymian und Nelken. Sehr aromatisch und vielschichtig. Eine sehr attraktive, fettcremige Textur sorgt dafür, dass sich diese Aromen schön im Mund breit machen können. Gleichzeitig fühlt sich das Trappistenbier aber auch frisch und rezent an – 10,2% Alkoholgehalt würde man nicht vermuten, wüsste man es nicht. Der Abgang ist sehr weich und wie Butter, mittellang, behält sich die Aromatik des Antrunks bis zum Schluss und setzt noch eine kleine kribbelnde Pfeffrigkeit am Ende drauf. Hier entsteht dann auch eine gewisse Blumigkeit, und eine vorsichtige Bittere kommt auf, ohne dabei die malzschwere Süße aufzugeben. Ein wirklich angenehmes Erlebnis!

Das trinkt sich wirklich extrem süffig, es läuft runter wie Öl und macht von vorne bis hinten Spaß. Ein wahres Genussbier, an dem man schön lange schlürfen kann, bei Kellertemperatur erfrischt es trotz seiner eher zum Süßen tendierenden Struktur, und die geradezu ideale Balance bezüglich vieler Aspekte in diesem Bier ist fast schon unheimlich.


Kommen wir zum Westvleteren Blond – die Flaschen sind dieselben, nur die Farbe des Kronkorkens ist anders, Verwechslungsgefahr! Alle Informationen zum Bier stehen auf diesem Kronkorken, kein Etikett verunstaltet die Braunglasflasche, das hat so ein Bier nicht nötig.

Westvleteren Blond Trappistenbier

Blond, ja, das passt – eidottergelb, naturtrüb, volltrüb. Etwas Hefe hat es beim Eingießen mit ins Glas geschafft und liegt in Bröckchen am Boden des Glases, und viele winzigste Partikelchen davon schwimmen auch im Bier. Schaum bildet sich von Anfang an nur wenig, eine dünne, feinblasige Krone bleibt eine ganze Weile allerdings stehen.

Man erschnuppert deutlich den Hopfen, schön fruchtig, ohne allerdings zu dominant zu werden, und danach auch gleich die leicht bittere Hefe. Etwas Malz, aber ich will hier auch keine falschen Erwartungen nähren – das Blond bleibt vergleichsweise schmal, was die Nase angeht.

Im Mund sieht das schon anders aus: Hopfig bitter und mildsauer beginnt es direkt, den Gaumen zum prickeln zu bringen. Ordentliche Karbonisierung aus der Flaschengärung sorgt für Rezenz vom ersten Schluck an. Feine Tropenfrucht, Ananas und Mango vielleicht, spielt mit zestiger Orange. Auch hier das Caveat – das hat kein Pale-Ale-Niveau, was diese Eindrücke angeht, sondern bleibt dezent, aber dennoch sehr expressiv. Liegt toll im Mund, mit dicker Textur, und bleibt trotzdem frisch und frech, fast kantig bitter, mit großartiger Würze: das gefällt mir. Der Abgang ist weich, mittellang, hopfig und leicht blumig, dazu eine leicht mentholige Frische. Mit 5,8% ist es deutlich leichter als das 12er.

Auch das Westvleteren Blond ist ein tolles Bier, ganz anders als sein 12 Jahre alter Bruder, aber man spürt auch hier die Mühe, die investiert wurde.


13€ wollte der Biershop in Brüssel für das Blond, 18€ für das 12er haben, persönlich bin ich sehr froh, diesen Kaufpreis investiert zu haben – ob es einem wirklich soviel Geld wert ist, das muss jeder für sich entscheiden. Es gibt sicherlich auch günstigere Biere, die ein ähnliches oder noch größeres Trinkvergnügen bringen, doch die Seltenheit ist als psychologischer Effekt natürlich immer mit dabei; und mich stört das auch nicht, es ist ein Luxus, den ich mir gern gönne. Eine zweite Flasche des Westvleteren 12 liegt sicher verstaut im Keller und wird in ein paar Jahren geöffnet werden, um zu schauen, was die Lagerung so mit dem Bier macht. Ich werde Euch auf dem Laufenden halten!

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.