Ich glaube, ich hatte sie alle mal durchprobiert – die Biere der Rügener Insel-Brauerei waren vor einigen Jahren ein Trendsetter, was Craftbier im bierkonservativen Saarland anging. Auffällig gestaltet, mit polarisierender Preisgestaltung („3€ für e Bier? Hann die en Knall?“) und einem geschickten Product Placement auch in Supermärkten nicht nur mit Einzelflaschen, sondern direkt mit einem ganzen Regal. Das hat sich bis heute nicht geändert, das Sortiment wird erweitert und verändert, doch der neueste Trend ist, die hochwertigen Biere als limitierte Editionen anzubieten, teils im Geschenkkarton mit einem großen Stielglas, teils als nur auf Rügen (oder per Post) zu erwerbende Spezialsets mit einem durchgängigen Thema. Wie dem Rügener Insel-Brauerei German Aviation Beer, das ich dank meiner Bierfreunde von der Saarbrücker Beer Society mitbestellen konnte.
Trinken wir uns einfach gemächlich von links nach rechts durch das Viererset im passend gestalteten Tragerl (darauf wurde ich nach der Übergabe mitten in der Saarbrücker Fußgängerzone mehrfach neidvoll angesprochen). Beginnen wir also mit dem German Coast Double IPA und seiner dicken, stabilen Schaumkrone, die aus sehr vielen gemischtgroßen Bläschen besteht. Farblich haben wir hier ein trübes, opalisierendes Ockerbraun, mein IPA-Glas bietet genug Mousseuxpunkte, von denen ausdauernd und schnell die Perlage aufsteigt. In der Nase kommt sehr viel marmeladenfruchtigkeit an, Papaya, Mango, süßlich tropenfruchtig wirkend, ohne die Limettenspitzen, die man bei dieser Art Bier oft findet. Eine leichte Essignote, kombiniert mit Sekttrockenheit macht es der Nase aber auch nicht zu einfach. Prägnante Getreideeindrücke sorgen für eine unerwartete, gar nicht unangenehme Abwechslung zu dem sonst üblichen Hopfeneinerlei.
Auch im Mund wird das German Coast nicht kratzig oder biestig, sondern überschreitet eine angenehme Schwelle an Bitterkeit nicht. Im Gegenteil, im sehr cremigen Mundgefühl findet sich eine schöne Rundheit, die sich weich an den Gaumen legt. Dazu kommt eine Fruchtsüße, die im Gesamtbild fast schon Anklänge an Fruchtkaugummi, Zuckerwatte oder aber auf jeden Fall große Blumigkeit aufkommen lässt. Im Verlauf bildet sich eine sehr aparte säuerliche Trockenheit aus, auch hier, integriert, ohne zu dominieren. Der Körper wirkt dann leichter, heller, frischer, unterstützt die Rezenz. Die 7,5% Alkoholgehalt sind toll eingebunden.
Ein so richtig süffiges IPA, das sich weder anbiedert, noch den Genießer vor den Kopf stößt. Wer so richtig knallige IPAs mag, ist hier sicher falsch, für mich ist es ein richtig gut komponiertes Bier, das sich verdammt gut trinkt, Schluck für Schluck.
Ein guter Einstieg in die Welt der Deutschen Luftfahrt war das. Heben wir nun von der Küste ab, dampfgetrieben, und schauen uns das German Steam Wood Pale Ale an. Wie bei den Flaschenreifungsbieren der Insel-Brauerei üblich, sollte man beim Eingießen etwas vorsichtig sein – in dieser traditionellen Methode entsteht wie bei Champagner noch ordentlich Kohlensäure in der Flasche, die für Schaum sorgt. Am Ende kommt noch etwas Hefe nach, also sollte man die Flasche wie ein Hefeweizen eingießen. Die Trübung kommt daher, sie macht das Bier in seiner Haselnussfarbe dann blickdicht. Der Schaum sackt schließlich etwas in sich zusammen, ein paar Millimeter feinblasige Crema bleibt aber erhalten.
Die Nase wirkt, der Stilbezeichnung entsprechend, tatsächlich leicht holzig, sehr malzig, ohne Rösttöne allerdings, leicht getreidig. Wer bei einem Pale Ale auf viel Hopfen spekuliert, wird hier überrascht – da sind leicht hopfige Fruchttöne, aber sie prägen das Bier nicht. Im Mund entsteht eine sehr aparte Mischung aus Bockbier und Pale Ale, es erinnert mich etwas an ein belgisches Dubbel, ähnlich in der süßen Basis, doch es grenzt sich durch eine stärkere Trockenheit ab. Die sehr deutliche Karbonisierung („German Steam“ passt wirklich gut, da ist genug Luft drin, um den Ballon auf dem Etikett zu füllen!) sorgt für ein fettes Mundgefühl, man kann auf dem Bier kauen. Es wirkt rezent und frisch, bleibt dabei aber eher dunkeltönig, die Holzkomponenten integrieren sich gut. Man findet hier dann milde Hopfenfrucht, eher in Richtung Aprikose denn in Richtung Zitrus, mit ein paar Anklängen von Ahoj-Waldmeisterbrause, sowohl vom Geschmack als auch vom Effekt her; hier zeigt sich auch schöne Säure. 5,6% Alkoholgehalt passen gut zu diesem Bier. Der Abgang ist kurz, schaumig, nun sich aufs Getreidige konzentrierend, mit einem Nachhall von so richtig trockener Holzigkeit und leichter Rostigkeit, und einem deutlichen Säureeindruck.
Schön zu trinken, sehr süffig, rezent und mit angenehmer Textur. Mir mangelt es etwas an Komplexität, aber nur, weil ich von der Brauerei inzwischen immer etwas Besonderes erwarte, und das ist ungerecht – bei vielen anderen Brauereien wäre ich wahrscheinlich viel enthusiastischer. Man bedenke dies beim Lesen.
So, nun sind wir in der Luft, und darum ist jetzt der ideale Zeitpunkt, sich das dritte Bier vorzuknöpfen: German Sky Bière de Saison, ich hoffe, der Zeppelin auf dem Etikett deutet nicht auf eine historische Gegebenheit hin – ein Absturz ist aber, wenn ich die Produkte der Brauerei betrachte, keine echte Gefahr.
Fast schon ins Rötliche übergehendes Sienabraun liegt im Glas. Volltrüb mit einer minimal gefärbten Crema, die aus einer Schicht gröberer, und darüber liegend einer Schicht feinster Flaumbläschen besteht. Die Nase ist zunächst würzig, nach Nelken und Kardamom, unterlegt mit etwas frecher Limettenzestenfrische. Erinnerungen an Sekt kommen auf; dazu grüner Apfel, milder Essig, darunter dann frisch geerntetes Getreide. Der Antrunk ist direkt sauer und frisch, klar und mit deutlicher Kante, die sich über Zunge und Gaumen zieht. Zitrusfrucht und fast schon minzig im Eindruck. Im Verlauf lässt dies erkennbar nach, eine feine Süßherbe ersetzt die Säure. Zusammen mit der fetten Struktur entsteht ein volles Mundgefühl, ohne dass die Rezenz dafür aufgegeben wird. Kirschen und Nelken stehen vorn in der Aromatik, das hat wirklich was. Im mittellangen Abgang werden dann wieder die Säureeffekte dominant, es kitzelt und prickelt auf Zunge und Gaumen, dass es eine wahre Freude ist, man hört fast das Zischen. Der Nachhall ist fast Zuckerwattig, mittellang, und hinterlässt einen leicht anästhesierten Geschmacksapparat.
Ein toll frisches, leichtes Sommerbier, das sich gerade in der Sonne wirklich toll macht, auch wenn man da mit den 5,6% Alkoholgehalt etwas vorsichtig sein sollte – als Genussbier jedenfalls eine wahre Freude, auch als Sektersatz bei einem Stehempfang kann ich mir das für Bierfreunde wirklich gut vorstellen.
Wer sich so von Küste mit Dampf in die Luft erhebt, ist wirklich ein Pionier. Die Krönung der Luftreise ist darum das letzte Bier aus dem Mottoset, das German Pioneer Bière Brut. Vom bei der Flaschenreifungsmethode, wie bereits erwähnt, durchaus üblichen üppigen Schaum habe ich während des Eingießens, das etwas Zeit in Anspruch nimmt, immer wieder einen Mundvoll abgesaugt – ein sehr cremiger, feinblasiger, aber bereits auch sehr aromatischer Schaum, der sich am Ende eine ganze Weile auf dem Bier hält. Die Farbgebung ist dabei auch sehr attraktiv: das eidottergelbe, volltrübe Bier im Kontrast zur reinweißen Blume darüber. Im Gegenlicht erkennt man das feine Mousseux an der Glaswand – nicht nur hier eine Nähe zu Schaumwein. Der Geruch ist bitterfruchtig, sehr zurückgenommen, leichte Getreidigkeit, ein bisschen Weinessig – da gibt es nicht viel zu schnuppern und zu berichten. Am Gaumen konkurrieren direkt die zwei definierenden Eigenschaften des German Pioneer: die flauschigweiche Cremigkeit in der Textur, und die mildherbe Säure in der Aromatik. Zitrone, Apfelessig, Verjus, aber nicht wirklich kratzig sauer oder frech werdend. Eine hübsche, dezente Säure, bei der man dieses Bier eher nur mit etwas Fantasie zur Kategorie der Sauerbiere zählen kann, selbst wenn sie ein prägendes Element ist. Mir fällt es schwer, das einzuordnen, ich kann nur sagen, dass es mir gefällt; ein Zwitter aus halbtrockenem Sekt und einem herben Hellen, vielleicht. Man muss hier nicht nach vielen Aromenbeispielen suchen, das Bier steuert sich über die Effekte, klar, sauber: Ein Bier für die Zunge und deren natürliche Fähigkeiten, nicht für die Zusatzarbeit, die die Nase sonst beisteuert. Dahingehend ein wirklich spannendes und interessantes Erlebnis für den aufgeschlossenen Bierfreund. Der Abgang hält sich entsprechend des Verkostungsbogens wieder deutlich zurück, bleibt aromatisch mager, dafür effektvoll und von dem Tanz von Säure, Texturweiche und Zartherbe gesteuert.
Hochinteressant; das German Pioneer ist ein höchst ungewöhnliches, dafür umso feineres und edleres Bier, das mit 5,6% Alkoholgehalt auch nicht überfordert bei der nun nötigen Landung.
Nachdem ich die Reise in die deutsche Bierluftfahrt nun hinter mir habe, bleibt ein etwas melancholisches Gefühl zurück – diese vier German Aviation Beers der Rügener Insel-Brauerei werde ich mit großer Sicherheit vermissen. Sie sind wirklich, ohne zu übertreiben, „seltene Biere“, und auch „besondere Biere“, um zwei der Catchphrases auf den Etiketten zu nutzen. Es freut mich sehr, auch solche Biere in Deutschland inzwischen durchgängig erhalten zu können, wenn auch mit etwas mehr Aufwand – darum danke ich nochmal der Biersommelière Katharina Rolshausen, dass sie die Sammelbestellung angeleiert und durchgeführt hat. Gerne wieder bei Gelegenheit!