Bier am Freitag – Orval Trappist Ale

Orval Trappist Ale Titel

Wir saßen in Brüssel im Bedford Hotel abends zusammen – meine geschätzten italienischen Spirituosenexpertenkollegen Davide Terziotti, Marco Callegari und ich, und die beiden hatten von einem kurzen Spaziergang außer Haus (das einzige, was zu dem Zeitpunkt im ausgangsgesperrten Brüssel erlaubt war) ein paar Flaschen belgischen Biers mitgebracht. Gastfreundlich, wie sie waren, ließen sie mich auch teilhaben, und so kam ich zum ersten Mal in den Genuss des Orval Trappist Ale. Selbst habe ich auch dann noch zwei Flaschen am nächsten Tag erworben. Auf dem Etikett finde ich die lobenswerte Angabe, dass die sehr hübsch geschwungene Flasche am 09.06.2020 abgefüllt worden ist, nur 3 Monate vor meinem Kauf in Brüssel. Die Zutatenliste enthält „Zucker“, dieser ist natürlich für die traditionelle Methode der Flaschengärung unverzichtbar und nicht als Aromastoff zu sehen. Zuhause gibts nun ein weiteres Glas, auf das ich mich mehr konzentriere.

Orval Trappist Ale

Haselnussbraun mit voller Trübung – selbst bei Gegenlicht sieht man nicht durch dieses Bier. Man kann kräftige Perlage geradeso noch erkennen; die Flaschengärung sorgt dafür, dass man beim Eingießen vorsichtig sein muss, denn die Schaumentwicklung ist enorm. Ein Großteil des Schaums besteht aus extrem großen Blasen, die beim Platzen beinahe spinnenwebartige Gebilde hinterlassen und das Bier von oben betrachtet fast wie ein in sich zusammensackendes Mousse aussehen lassen.

Der Geruch wirkt säuerlich, erinnert an Verjus, milden Apfelessig, grüne Äpfel und Joghurt. Johannisbeeren und Nelken, eine interessante Kombination, unterfüttern. Die empfohlene Trinktemperatur ist 12-14°, da riecht man das Orval nach dem Eingießen durchaus schon einen ein paar Zentimeter vom Glas entfernt.

Ein ungewöhnliches Geschmackserlebnis erwartet einen – das ist von Anfang an sehr trocken, sehr bitter, erinnert mich etwas an Schorle aus Grapefruitsaft. Tatsächlich ist Grapefruit für mich der dominierende Eindruck, etwas Naturjoghurt kommt dazu, die Säure ist gar nicht so ausgeprägt, wie man nach der Riecherfahrung hätte denken können. Leicht beerige Frucht entsteht, und die süßliche Malzbasis wird erkennbar. Erstaunlich ist das überraschend schale Mundgefühl, das dem Schaum spottet; durch die Helltönigkeit und die Säure wirkt das Bier dennoch rezent, wenn auch nicht prickelnd. Der Abgang ist kurz, erneut mit deutlicher Grapefruit in Bezug auf Bittere und Säure, und auch leichter Adstringenz; ein sehr frisches, klares Gefühl verbleibt eine ganze Weile am Gaumen.

Hm, da bin ich überrascht, das ist schon ein belgisches Bier, das sich nicht in die Dubbel-Tripel-Schiene einpassen lässt. Es wirkt auf mich etwas eindimensional und schmal, etwas arg dünn und leicht. In dieser Form begeistert es mich nicht wirklich – doch mir wurde von belgischen Freunden nahegelegt, eine Flasche etwas im Keller nachreifen zu lassen, denn Biere dieser Art profitieren von langer Lagerzeit. Ich denke, in 3 bis 4 Jahren werde ich die zweite Flasche dann hervolholen und diesen Artikel mit den neuen Eindrücken ergänzen. Bis dahin!

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.