Mit das beste an der Renaissance des Bierbrauerhandwerks („Craftbeerwelle“ hört sich für mich immer so hipsterig an) ist, dass alte Bierstile in Deutschland auch wieder eine Chance auf eine Frischzellenkur bekommen. Die Gose beispielsweise war hart an der Grenze des Aussterbens, und moderne Brauer haben nun durch ein grundsätzlich an Vielfalt interessierteres Publikum die Möglichkeit, sie zu fördern – und sogar in mehreren Varianten! Darum muss auf dem Etikett der Rügener Insel-Brauerei Baltic Gose auch als Stil „(contemporary) Gose“ angegeben werden, schließlich ist es eine Neuinterpretation. Die Grundlagen sind klassisch – obergärig, mit Meersalz gebraut, Einsatz von Gewürzen. Ich mag Gose sehr, und bin daher natürlich begeistert, wenn ich eine Flasche dieses Stils irgendwo finde.
Passend zum Wal auf dem typischen Ganzflaschenetikett der Rügener Insel-Brauerei zischt die Gose laut beim Eingießen ins Glas, wie bei den meisten Flaschengärungsbieren. Der zunächst üppige, großblasige Schaum fällt schnell in sich zusammen und bildet eine eher dünne Schaumtonsur. Das Bier selbst ist stark naturtrüb, mit leichter Perlage. Der Geruch ist, so kenne und liebe ich meine Sauerbiere, sehr wein- oder sektartig. Apfel, Weißwein, etwas milder Essig, Grapefruitschale. Etwas Hefe schimmert durch.
Im Mund ist direkt die schöne Balance zwischen Säure und Süße auffallend. Hier spielen die beiden Komponenten sich sehr schön die Bälle gegenseitig zu, anstatt gegeneinander zu wetteifern. Die Zugabe von Meersalz und Gewürz sorgt für die tolle, aber sehr dezente Würzigkeit. Kandiszucker, ein Hauch von Beeren, Sojasauce, Malz und Hopfen kombinieren sich zu einem sehr attraktiven Gesamtbild. Der Abgang ist trocken, feinherb ohne Kratzen oder Rumpeln. Im Nachhall ist Minze und etwas Fruchtkaugummi da. Die Rezenz ist ideal ausgebaut, was das Bier zusammen mit der Aromatik perfekt erfrischend macht. 6,5% Alkoholgehalt kümmern sich um die Kraft.
Wow, das ist ein sensationell gutes Bier, das ich jedem Freund von schönem Bier empfehlen will – der Sauerbierfreund bekommt darüber hinaus eine herrliche Gosevariante. Das Baltic Gose wird definitiv öfter bei mir im Glas landen.