Wenn man sich mal anschaut, wo in der Welt die meisten Äpfel wachsen, so stößt man neben China, das wohl in fast jeder Liste dieser Art weit oben und darüber hinaus sowieso das Ursprungsland des Apfels an sich ist, direkt auf die USA. Insbesondere der Nordosten ist eine traditionelle Apfelregion; schon früh in der Geschichte der Besiedelung des nordamerikanischen Kontinents durch Europäer waren Apfelhaine, herangezogen aus aus Europa mitgebrachten Apfelsamen, der Stolz und das Einkommen so manchen Kolonisators. Nicht, dass man hauptsächlich auf den Nährwert geschaut hätte – nein, die Herstellung von Alkohol war eines der Hauptziele. Cider als leichtalkoholisches Getränk in einer Zeit, in der sauberes Wasser nicht immer gut erhältlich war, kam selbst für Kinder regelmäßig auf den Tisch.
Von Cider ist es nur ein Katzensprung zur Idee, diesen Apfelwein dann zu Höherprozentigem zu verarbeiten – geboren war der Applejack. Hergestellt zunächst wahrscheinlich in einem der Eisbockherstellung ähnlichen Verfahren, in dem Apfelwein gefroren und dann das Eis entfernt wird, so dass nur der alkoholstärkere Teil, der nicht gefriert, erhalten bleibt (englischsprachig jacking genannt, daher auch der Name der Spirituose), wurde später dann auch destilliert. Entsprechend ist im Kontrast zu Laird’s Applejack – der allerdings heutzutage auch nicht mehr gejackt wird – beim heute vorgestellten Laird’s Straight Apple Brandy die Bezeichnung „Branntwein“ prominent auf dem Etikett – schmeckt man den Unterschied zwischen diesen Produkten?
Wie üblich stelle ich mir beim Betrachten der Flüssigkeit im Glas zuerst immer die Frage nach der Farbe. Das leuchtende, klare Kupfer im Glas muss aus einem Grund natürlichen Ursprungs sein – keiner Spirituose, die in den USA mit dem Vermerk „Bottled in Bond“ versehen wird, darf irgendeine Art von Zusatz beigefügt werden. Keine Färbung, keine Aromatisierung, nichts, und sie muss mindestens 4 Jahre gereift werden. Das „Straight“ des Etiketts dagegen, das wir von vielen Bourbons kennen, hat in Bezug auf Apfelbrand keine regulatorische Definition, ist hier wohl nur erklärendes Beiwerk, um dem Kunden in Analogie zum bekannten Begriff bei Bourbon klarzumachen, dass hier nicht hinter den Kulissen im Labor nachgearbeitet wird.
In der Nase ist dann erstmal deutlich weniger Apfel, als man als Kenner vielleicht von einem deutschen Apfelbrand oder einem Calvados gewohnt ist. Hier riechen wir zwar Apfel, aber das Holz ist doch sehr präsent und übernimmt zum Großteil. Ein Bourbon mit leichtem Apfelaroma, so würde ich den Eindruck beschreiben. Karottig, vanillig, holzig, leicht apfelig, mit deutlich zwickender Ethanolnote. Den muss man erstmal etwas offen stehen lassen, finde ich.
Das Mundgefühl beginnt sehr weich und mild, süßlich, dezent fruchtig; er entwickelt sich aber stetig weiter bis zu einem sehr würzigen, scharfen, vorsichtig trockenen und heißen Finish. 50% Alkoholgehalt halten sich nicht zurück und fügen der Würze der Holzreifung noch ordentlich Power dazu. Leicht seifig wirkt der Laird’s auf mich, und bleibt aromatisch im Holz verfangen – das Ding hat jedoch eigentlich allein dadurch Feuer und Pfeffer. Der Apfel kommt nur in Ansätzen durch, doch das ist wohl auch so gewünscht – ich wiederhole mich, wir haben hier sensorisch eindeutig einen Whisky aus Äpfeln vor uns, nicht einen Obstbrand; das macht den Apple Brandy aber auch besonders, und sehr trinkbar und spannend, wenn man die Schärfe abkann.
Der Abgang ist vom Effekt her mittellang, sehr würzig, glühend heiß und dabei aromatisch eher kurz. Im Nachhall hängt noch eine Idee von gewürztem Bratapfel nach, und ein gewisser Eisenton mit etwas Vanille. So feurig er im Mund ist, so flüchtig ist er auch, und macht schnell Platz für mehr – worauf ich durchaus Lust habe.
Wenn ein Cocktailrezept nach einem deutlich nach Apfel schmeckenden Brand wie Calvados verlangt, ist ein Applejack oder Apple Brandy nicht die allererste Wahl, aus obigen Gründen. Dennoch hat er eine Aromatik, die in Cocktails hervorragend wirkt, wenn man ihn richtig einsetzt. The Ruffian ist entsprechend ein Whiskycocktail, und durch die Beigabe von Laird’s Straight Apple Brandy bekommt er einen interessanten Touch, den ein Bourbon allein nicht bringen würde.
The Ruffian
3 Thymianzweige in ¾ oz Zuckersirup muddeln
1 oz Rye Whiskey
¾ oz Applejack
½ oz Zitronensaft
Auf Eis shaken.
Doppelt abseihen, in einem Glas, das mit Absinthe ausgespült wurde, auf Eis servieren.
[Rezept adaptiert nach Alla Lapushchik]
Es ist oft so, dass man gute, bekannte Qualität nicht mit flashigen Verpackungen verkaufen muss, und auch beim Laird’s Straight Apple Brandy ist das so. Die Flasche ist unauffällig, ein Plastikdrehverschluss ist zwar optisch unschön, aber doch praktisch, und das Etikett glänzt auch nicht mit augenschmeichlerischem Zucker. Hier wurde offensichtlich jeder Cent in den Inhalt gesteckt, und das schätze ich sehr. Ich habe bereits auch die ungereifte Variante im Regal, ein Artikel folgt natürlich bald.
Für Whiskyliebhaber, insbesondere die, die auch Bourbon oder Rye Whisky mögen, ist das eine echte Alternative für die Momente, wo es im Mund mal krachen darf. Ich finde die ungebremste Wucht sehr attraktiv. Apfelliebhaber dagegen müssen schon etwas suchen, um die Frucht ihrer Begierde in dieser Spirituose zu finden. Doch die Mühe lohnt sich sicher auch für diese – die verrückte Abwechslung ist allein schon toll, und das Qualitätsversprechen hinter dieser Traditionsspirituose, die so schon seit 200 Jahren hergestellt wird und eigentlich der wahre amerikanische „native spirit“ ist, den schon George Washington herstellte und liebte, ist für mich auch ein Wert für sich.