Sizilianisch für Fortgeschrittene – Averna Riserva Don Salvatore

Averna Riserva Don Salvatore Titel

Die gewöhnliche Heimbar eines typisch deutschen Haushalts ist (wenn überhaupt vorhanden) klein, besteht meist nur aus wenigen Flaschen. Je nach Geschmack findet sich darin ein Whisky, ein Obstbrand oder ein Likör – am häufigsten sehe ich aber einen Amaro, meist dann Ramazotti oder Cynar. Die italienischen Kräuterbitterliköre haben den Vorteil, dass sie sowohl ein bisschen Urlaubsfeeling geben, als auch mit ihrem verrückten sowohl süßen als auch bitteren Geschmacksprofil eine breite Schicht an Interessenten ansprechen.

Es gibt diverse Kategorien von Amaro – eine davon, „Medium“, beinhaltet die großen Marken, die wir alle in Deutschland aus dem Supermarkt und der Fernsehwerbung kennen, darunter auch den sizilianischen Averna. Von dieser Marke wurde 2018 eine Sonderedition herausgebracht, die ihr 150. Jubiläum feiern soll. Nicht nur wurde die „Edizione Riserva“ entsprechend nach dem Gründer der Firma, Salvatore Averna, benannt, sondern ist auch ein vom Standard-Averna deutlich abweichendes Produkt. Der Averna Riserva Don Salvatore hat einen höheren Alkoholgehalt und wurde dazu 18 Monate in kleinen Eichenfässern im sizilianischen Caltanissetta gereift. Das allein klingt für den Spirituosenfreund schon aufregend – hat auch der bescheidene deutsche Heimbarbesitzer was davon, seinen Schrank mit dieser Sonderauflage zu bestücken?

Averna Riserva Don Salvatore

Man ahnt es auf den Fotos, hat man es vor sich, ist es noch frappierender – der Amaro ist beinahe schwarz, völlig blickdicht und nur, wenn man etwas Gegenlicht hat, sieht man braunrote Reflexe in der Tinte. Beim Schwenken legt sich ein bräunlicher Film an die Glaswand, der lange stehen bleibt, selbst wenn der Großteil der dicken und sehr öligen Flüssigkeit schon wieder abgelaufen ist.

Gar nicht unerwartet sind dann die Eindrücke, die man über die Nase sammelt: Süßholz, allerlei aromatische Küchenkräuter; süßliche Komponenten wie Karamell und dunkle Schokolade; aber auch hellere Töne, wie etwas Minze, Eukalyptus, Bitterorange und Mango. Ein leichter Ethanolhauch schwingt noch mit, wenn man tiefer schnuppert. Durchaus vielschichtig und mit Unterhaltungscharakter.

Ein Amaro ist ein Likör, und darum wundert es nicht, wenn sich beim Antrunk erstmal eine fette Zuckerschicht auf Zunge und Gaumen legt. Diese Süße ist teilweise schon pappig, aber auch sehr aromatisch, brauner Kandis, Karamell, schwerer Nougat. Kurz danach entsteht aber die amarotypische, knackige, harzige Bittere, die sich über die Süße legt – Chicoree, Süßholz, Fenchel. Kräuterig, schwer und passend zur Farbe auch sensorisch schwarzbraun. Leichte Bitterorangentöne hellen minimal auf. Die für einen Amaro üppigen 34% geben dem Don Salvatore ordentlich Power und Körper.

Averna Riserva Don Salvatore Glas

Der Abgang ist schwer, bittersüß, recht herb und lang. Man spürt richtig, wie sich Reste im gesamten Mund festgesetzt haben, wie man das schon im Glas mit dem Film gesehen hat. Süße bleibt auf den Lippen, starke Bittere im Rachen, ein leichtes Kitzeln und Betäubung auf der Zunge. Mit deutlichen Holznoten, ja, die anderthalb Fassreifungsjahre schmeckt man wirklich raus, und einem leicht minzigen Nachhall klingt die Verkostung aus.

Manche Dinge, die man früher gekauft, und unter der Kategorie „Kitsch“ nach einer Weile dann doch in den Keller verbannt hatte, sind nahezu ideal dafür geeignet, den überfließenden Exotikdrang von Tikicocktails zu begleiten. Die Tukan-Tasse ist als Kaffeebehältnis grenzwertig, als Tiki Mug genial. Und der Drink mit dem Namen Tuscan Toucan passt dann halt wie die Faust aufs Auge in so eine Tasse; und der Don Salvatore wiederum wie die Faust aufs Auge in diesen Cocktail. Man sieht hier, Amaro ist eine echte Tiki-Sensation.

Tuscan Toucan Cocktail


Tuscan Toucan
1½ oz Amaro
1 oz ungereifter Overproof-Rum
1 oz Limettensaft
¾ oz Zimtsirup
¾ oz Ananassaft
¾ oz Grapefruitsaft
Auf Eis blenden.

[Rezept nach False Idol]


Für den deutlichen Aufpreis (rund 20€ bezahlte ich für die Flasche des Averna Don Salvatore) bekommt man im Vergleich zum Standard-Averna schon eine Packung, die sich rentiert: allein schon die 5% mehr Alkoholgehalt machen sich in jeder Beziehung bezahlt, doch auch die Holzreifung sorgt für ein sehr viel tieferes, komplexeres Trinkgefühl. Die schöne Flasche mit dem edel gestalteten Etikett macht sich auch hübsch in einer Vitrine zuhause. Für mich persönlich eine absolute Empfehlung für Freunde des italienischen Bitterlikörs. Solange die limitierte Auflage erhältlich ist, kann man ohne jeden Gewissensbiss zuschlagen.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.