Spirituosenetiketten, das ist so ein Thema, das mich fasziniert. Ich wiederhole immer wieder gern meine Forderung, dass alles, was ich über eine Spirituose wissen muss, auf dem Etikett stehen sollte – und wenn das bedeutet, dass dann kein Platz mehr für exotische Illustrationen und Legenden über den mythischen Gründer der Marke und ähnliches dümmliches Gequassel ist, um so besser. Immer mehr Hersteller entdecken das auch für sich, gerade handwerklich-traditionelle Brände bekommen heutzutage stilistisch eher zurückhaltende, sehr textuell gehaltene Etiketten, die dem Kenner mehr entgegen kommen als das schrille und überladene Illustrationsdesign der Massenprodukte.
Auch der Mezcal Local orientiert sich eher an dem strengen Textstil, was mich als aufmerksamen Etikettenleser direkt auf zwei interessante Details stoßen lässt. Erstens, die Agavenart, die hier genannt wird: Agave Angustifolia. In dieser Form sieht man das nicht zu oft, dabei kennt jeder auch noch so unerfahrene Mezcaltrinker die Pflanze hinter diesem Namen; es ist einfach der wissenschaftliche Name für die wohlbekannte Espadín. Natürlich kommen die Pflanzen aus einer Kultur, 10 Jahre darf die Agave sich bei Mezcal Local entwickeln, bevor sie geerntet wird. Gekocht wird sie in unterirdischen Öfen, die mit Kiefern- und Eichenholz befeuert werden und in denen Flusssteine zur Hitzeübergabe genutzt werden.
Das zweite Auffällige ist die Phrase „destilado con – corazón de agave“. Dies ist der etwas versteckte Hinweis, dass es sich nicht um einen „normalen“ Mezcal handelt, sondern um einen sogenannten Pechuga. Pechuga ist eine Herstellungsweise für Mezcal, bei der während der zweiten Destillation noch „Beigaben“ mit in den Kupferbrennapparat gehängt werden. Was so eine Beigabe ist, variiert weit – ich hatte schon Pechugas mit Hühnerfleisch, und welche mit Obst und Chili. Beim Mezcal Local finden wir ein gekochtes Agavenherz (hier erklärt sich mein herrlicher Gag im Titel dieses Artikels) und einen kleinen Früchtekorb bestehend aus Äpfeln, Orangen, Bananen und Pfirsichen im Dampf. Das ist ja schonmal an sich eine spannende Herstellungsweise, die Frage ist – schmeckt man das im Endprodukt?
Sauber destilliert ohne Einschlüsse oder andere optische Fehler – ein völlig transparenter Schluck liegt da im Glas. Man erkennt beim Schwenken eine leichte Viskosität, doch insgesamt bleibt er auch lebendig und beweglich. An der Glaswand bildet sich ein Film, der in dicken Schlieren sehr schnell abläuft. Auch mit etwas Entfernung zum Glas ist beim Eingießen ein sehr fruchtiger Duft zu erkennen, geht man dann mit der Nase näher zum Glas, wird er immer deutlicher. Mich erinnert das schon fast an einen Obstler, zumindest von der Basis her. Natürlich liegt eine schwer mineralische, vegetale Komponente darüber, und auch ein Anflug von Rauchigkeit, die Typizität eines Mezcal bleibt erhalten, auch die Agave ist präsent. Doch das eingesetzte Obst ist für mich persönlich sehr deutlich erkennbar und gibt dem Mezcal einen ganz eigenen Charakter. Eine hochgradig spannende und abwechslungsreiche Aromatik.
Im Mund spürt man direkt eine gewisse Salzigkeit, die im Verlauf immer stärker wird. Gleichzeitig ist der Mezcal Local sehr weich und voll, fast schon schwer. Dabei kommt auch eine üppige Süße hervor, was ein sehr wohliges süßsalziges Gefühl am Gaumen erzeugt, das liegt richtig gut und rund im Mund. Das Obst tut auch hier sein Werk, die Fruchtnoten kombinieren sich ausgesprochen schön mit der wuchtigen, mineralischen, leicht gemüsigen Agavenkomponente. Man schwankt hier erneut zwischen Obstler und Mezcal hin und her, eine Komplexität, die ich wirklich mag.
Der Abgang ist warm, mittellang, weiterhin etwas salzig, dabei aber mit viel Agave und einer plötzlich aufblühenden Blumigkeit. Letztere hängt noch lange nach, zusammen mit milder Adstringenz und leichtem Prickeln auf der Zunge; erst hier zeigen sich 42% Alkoholgehalt, ein gut eingestellter Wert, vielleicht hätten 45% noch etwas mehr Feuer und Zündstoff rauskitzeln können, das ist aber Meckern auf hohem Niveau. Das trinkt sich verdammt gut – mancher mag denken, dass ungereifte Spirituosen nur schwer als Sipper taugen, hier lässt sich das Gegenteil beweisen. Der Stoff hier braucht keine Reifung, der hat alles, was man sich von einer Spirituose erhofft und erwartet, im Übermaß.
Ich habe damit, wie man auf dem Bild oben sieht, auch meine jícara eingeweiht, die ich von meiner Freundin Lala Noguera, einer bekannten Kultur- und Agavenaktivistin aus Mexiko, 2019 zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. In so einer jícara, einer Schale hergestellt aus einem getrockneten Flaschenkürbis, testen Mezcaleros oft ihren Brand während des Destillationsvorgangs. Nicht ideal zum Verkosten, denn die jícara verändert den Geschmack des enthaltenen Mezcal etwas, doch sehr atmosphärisch und eine schöne Erinnerung wiederaufleben lassend.
Gerade der schwere Körper, den dieser Pechuga hat, macht ihn zu einer idealen Cocktailzutat, zum Beispiel im Better & Better, wo karibische Zutaten dem Mexikaner noch ein paar verrückte Aromen hinzufügen: vielleicht kein ganz einfacher Drink, einer, den man erst verstehen muss, der aber tatsächlich mit jedem Schluck besser und besser wird, wie sein Name schon sagt.
Better & Better
1½ oz Mezcal
½ oz jamaikanischer Rum
¼ oz Falernum
Auf Eis rühren. Mit Zitronenzeste servieren.
[Rezept nach Jan Warren]
Bei mexikanischen Spirituosen sehe ich zwei grobe Trends, was die Flaschengestaltung angeht – einerseits sehr lange, sehr schmale, elegante Flaschen; auf der anderen Seite das genaue Gegenteil, gedrungene, breite, wuchtige Flaschen. Der Mezcal Local gehört offensichtlich in zweitere Gattung, dazu kommt die sehr aparte Glasfarbe, in der man die kleinen Bläschen in der Glasstruktur erkennen kann – schön, dass hier auf Recyclingmaterial zurückgegriffen wurde, um die Natur zu schonen. Ein hübscher Stopfen komplettiert eine gelungene, zurückhaltende und gerade dadurch um so wirksamere Präsentation.
Preislich liegen wir bei diesem Pechuga bei rund 60€ für die Flasche, das ist tatsächlich, wenn man den Hintergrund von Mezcal an sich kennt und dazu die traditionelle, aufwändige Herstellungsweise berücksichtigt, ein angemessener Preis – sehr viel billiger könnte es eigentlich nur durch Industrialisierung der Herstellung werden, und was dann passiert, hat man bei Tequila gesehen. Es ist für mich persönlich durchaus wünschenswert, dass der laute Schrei nach „the next hot shit“, der Mezcal als nächsten großen Hype sehen will, kein Gehör finden wird, und Mezcal sich seinen traditionellen Charakter noch lange bewahren kann.
Offenlegung: Ich danke dem Importeur Dr. Sours, dem deutschen Vertrieb bei fifteenlions GmbH & Co KG sowie Tequila-Mezcal-Shop für die kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche des Mezcal Local.
3 Kommentare zu „Mit Herz gemacht – Mezcal Local“
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