Ich habe mich immer sehr darüber beklagt, in der Provinz zu wohnen, wenn es um Spirituosen geht. Die tollen Events fanden in Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt statt. Weitab vom Schuss. Das kleine, beschauliche Saarland findet auf der Landkarte der Organisatoren nicht statt. Nun, ich freue mich vermelden zu können, dass sich das ändern wird! Das 1. GIN Festival Saar, das am 14. Oktober 2017 in der Congresshalle in Saarbrücken seine Tore öffnete, ist, so hoffe ich, der Anfang einer Änderung dieses jammervollen Zustands.
Knapp 30€ für das Tagesticket legte man auf den Tisch, 20€ für das reine Partyticket für die, die eigentlich kein Ginfestival, sondern eine Party besuchen wollen. Da für eine Messe ein gewisses Besucher-Fläche-Verhältnis vorgeschrieben ist, waren die Tickets begrenzt, beinahe 1000 Stück des Tagestickets wurden aber dennoch verkauft, wenn ich recht informiert bin. Man sieht schon an den aufwändig gestalteten Tickets, dass hier kein Anfänger seine ersten Schritte tat – tatsächlich habe ich selten ein so reibungslos verlaufendes und gut organisiertes Event erlebt wie dieses 1. GIN Festival Saar.
Sogar das All-Inclusive-Bändchen, das man beim Eintritt ums Handgelenk gelegt bekam, war hochwertig gemacht, aus Stoff mit einem cleveren Zugmechanismus. Ein Stoffbeutelchen mit 10 Plastikcoins, die gegen Ginproben eingetauscht werden konnten, wurde dem Besucher ebenso freundlich vom zahlreich vorhandenen Personal in die Hand gedrückt, wie ein Tastingglas.
Kurz nach Vier, nur wenige Minuten nach der Öffnung des Festivals, ist der Westsaal der Saarbrücker Congresshalle noch angenehm unüberlaufen. Die Austeller sind noch frisch, gut aufgelegt, und man hat mehr Zeit, mit ihnen zu reden, als später, wenn die Massen anstürmen. Das Wetter, das an diesem Tag für Mitte Oktober herausragend gut war, sorgte wohl dafür, dass um diese Zeit die Besucher sich noch mit einem Kaffee oder Stück Kuchen auf der nahegelegenen Berliner Promenade, der relativ neu gestalteten Flaniermeile Saarbrückens, stärkten.
Eine Stunde später füllt sich das ganze schon erkennbar. Eine Messe für den normalen Gin-Trinker, nicht für den Profi (obwohl dieser sich hier auch wohlgefühlt hätte, was die Direktheit mit den Herstellern angeht). Stehtische mit Brotstücken und Palettensofas verhinderten ein Dauerstehen und Glashalten, insbesondere, wenn man neben dem Tastingglas sich von den Bars noch einen Gin & Tonic oder anderen Cocktail zubereiten ließ und man entsprechend viel zu tragen hatte.
Die Hintergrundmusik von DJ Garry Woodapple, die bereits um 4 begann, war von Lautstärke und Tempo ideal geeignet, die etwas kühle Atmosphäre eines Messehallensaals fluffig auszukleiden, gleichzeitig dabei aber nicht zu verhindern, dass man sich noch in normaler Lautstärke mit anderen Gästen unterhalten konnte.
Soviel erstmal zum Rahmen, kommen wir zum Sinn des Treffens, dem Verkosten von Gins. Als Aussteller waren mit ihren Produkten angereist Ferdinand’s, der Lokalmatador aus dem Saar-Mosel-Raum, Death’s Door aus den USA, Brockmans aus England, Bobby’s aus Holland, Copperhead aus Belgien, Dreyberg aus Deutschland und Sabatini aus Italien – eine tolle, bunte und abwechslungsreiche Zusammenstellung. Dazu wurden diverse Tonic Water vorgestellt, von Thomas Henry über Doctor Polidori bis hin zu den exklusiven Schweppes Premium Mixers.
Da ich viele davon bereits kannte, konzentrierte ich mich auf das, was neu für mich war. Highlight Nummer 1 des Tages war für mich daher persönlich Bobby’s Schiedam Jenever, auch wenn dies kein Gin ist – der ebenfalls am Stand vorgestellte Bobby’s Gin ist seit langer Zeit ein Dauergast in meiner Heimbar, für mich ist er das beste, was in einem Gin & Tonic landen kann. Tatsächlich kann der Genever aus dem Hause Bobby’s auch überzeugen, auch wenn man die kräftigen Malznoten, die ein gereifter Genever sonst oft aufweist, etwas vermisst.
Die beerige Fruchtigkeit des Brockmans Gin überraschte mich sehr. Natürlich bewegen wir uns dabei doch recht weit von dem klassischen Bild eines Gins, dessen Hauptaromatik sich durch Wacholderbeeren definieren sollte, weg – aber in einer Zeit, in der der „Contemporary Style Gin“, alternativ oft auch „New Western Dry Gin“ genannt, immer mehr an Beliebtheit gewinnt, muss man sich als kategorientreuer Stilfreund daran gewöhnen, dass hier eine neue Kategorie entsteht, die man nicht unbedingt mit einem London Dry Gin vergleichen darf. Unabhängig davon – der Brockmans Gin ist für mich sicher etwas, das ich für fruchtige Gincocktails im Auge behalten werde.
Gin ist ein aromatisierter Vodka, das vereinfacht die Sache vielleicht etwas, im Grunde stimmt es aber. Sehr viele Hersteller produzieren ihren Ausgangsstoff nicht selber, sondern kaufen Neutralalkohol ein und aromatisieren ihn nur noch. Nicht ganz so einfach machen es sich die Produzenten von Death’s Door Gin – sie brennen ihre Alkoholbasis selbst. Sehr spannend war es daher für mich, am Stand dieses Herstellers die Basis des Death’s Door Gin tatsächlich zu verkosten – die Aussteller hatten den Death’s Door Vodka dabei. Ähnlich wie bei modernen Craftvodkas wie Florian Renschins Freimut Vodka ist auch hier das altbekannte Muster von Vodka als „geschmacks- und geruchslosem“ Destillat aufgebrochen, man erkennt die Getreidebasis deutlich heraus. Wunderbar, dass man die beiden miteinander verwandten Produkte so toll vergleichen konnte.
Man kann auf so einer Messe nicht nur dauernd Gin und Gin & Tonic trinken, man braucht ganz besonders im bierverliebten Saarland auch was vernünftiges, wie ein kühles Bier – das Helle Eck bot beispielsweise das relativ neu auf den Markt gekommene Karlsberg Helle an. Auch wenn ich persönlich kein wirklich großer Fan der Marke bin, so finde ich es doch großartig, dass hier ein kauziger, uriger Stand mit dem Bier zusammengezimmert wurde.
Auch der Hunger konnte vor Ort gestillt werden – Manin Currywurst und Pulled Pork Burger von Arnie & Jules (wer mich oder meinen Blog kennt, weiß, was ich von den beiden Betreibern dieser BarBQ halte, darum halte ich mich hier nicht lange mit Lobeshymnen auf diese tolle Bar auf) waren ebenso über Coins erwerbbar. Man muss für den ganzen Gin ja eine Basis schaffen!
Über die Zeit strömten dann doch immer mehr Leute in die Congresshalle, und gegen Abend war der Saal dann gut gefüllt, die Lichtanlage sorgte für lauschige Atmosphäre, der DJ wurde immer wärmer und lauter, man merkte, dass sich der Partyteil der Veranstaltung langsam näherte. Die Stände der Aussteller waren dabei immer noch geöffnet, und inzwischen von neugierigen und interessierten Ginfans umlagert, man musste sich fast schon etwas durchkämpfen, um noch an einen Probe heranzukommen.
Draußen wurde es dunkel, im Saal kam nun immer mehr ein Clubfeeling auf. Die Gäste mit Partyticket wurden nun eingelassen, und die zumindest im Saarland und Rheinland-Pfalz wohlbekannte rotbekleidete Soulfamily übernahm dann von DJ Garry Woodapple und sorgte live mit ihrem heißen Soul-, R’n’B- und Funk-Mix fürs Mitwippen und -schwingen; mitten im Saal auf Augenhöhe platziert konnte man ihnen von allen Seiten so direkt wie kaum zuvor begegnen.
Ich muss sagen – dafür, dass dies meines Wissens die erste Spirituosenveranstaltung dieser Art und Größe im Saarland war, haben die Organisatoren ganze Arbeit geleistet. Für mich gab es nichts zu meckern. Fürs zweite Festival würde ich mir vielleicht noch ein paar mehr Aussteller wünschen, aber sonst – Hut ab, Denis Reinhardt und vor dem ganzen Team der Winefactory! Jedenfalls etwas, für das es sich für den Ginfreund beim nächsten Termin lohnt, ins Saarland zu fahren!
„Das kleine, beschauliche Saarland findet auf der Landkarte der Organisatoren nicht statt.“
Soso! Und wer hat es- der Größe angemessen- präsentiert? Nun, ich nicht, aber irgendwie.. dann doch…
https://dinkelschnitte.wordpress.com/2017/03/26/gross-groesser-saarland/
Ich konnte das Saarland auf der Käsescheibe direkt identifzieren! :D