Die Blicke waren unbezahlbar – da stehe ich inmitten einer Gruppe von wahren Rumfreunden, beim Rum-Club-Treffen 2017 Mitte Juli in Köln, wo jeder einen tollen Tropfen seiner Wahl mitgebracht hatte, und ich packe einen Rumlikör aus. Als wäre ich von einem anderen Stern. Gerade ich, der ich immer so über Zuckerbeigaben und Reinheit bei Spirituosen labere! Man konnte die Fragezeichen über den Köpfen der Teilnehmer am Tisch fast schon plastisch sehen.
Nun, vielleicht muss ich das klarstellen. Ich mag es nicht, wenn hinter meinem Rücken Rum manipuliert wird. Wenn es unnötig passiert, nur um vielleicht die eine oder andere Flasche mehr an die an Süße gewöhnten Käufer verscherbeln zu können. Wenn es nötig ist, um ein schlimmes Destillat überhaupt verkaufen zu können. Wenn es aber klar und transparent ist, dass wir keinen Rum vor uns haben, sondern einen Spiced Rum, eine Spirituose auf Rumbasis oder einen Rumlikör, dann kann ich damit gut leben und genieße auch Produkte aus diesen Kategorien, ohne mich deswegen zu echauffieren. Und dass der RumChata Liqueur with Rum in letztere Gruppe gehört, ist aufgrund der fehlenden Transparenz der Flüssigkeit natürlich sofort transparent (ha, man verzeihe mir diesen Kalauer).
Beim RumChata hatte ich deswegen auch überhaupt keine Gewissensbisse, diese Flasche auch mit in die Höhle der Löwen des Rum-Clubs mitzunehmen und dort zu präsentieren. Auch wenn die Nachfrage nach Kostproben eher übersichtlich war, zugegebenermaßen. Gab es Grund dazu, oder war nur das Alternativangebot an wunderbarem Pure Single Rum aus aller Herren Länder zu groß?
Die Farbe des Inhalts der Flasche ist der der Flasche selbst sehr ähnlich; wir finden im Glas allerdings kein Reinweiß vor, sondern ein milchfarbene Flüssigkeit, die mich rein optisch an Kondensmilch erinnert (keine Farbstoffe wurden zugesetzt). So ähnlich bewegt sie sich auch im Glas; beim Schwenken entsteht ein blasser Schleier, der breitflächig abläuft und kaum Beine bildet. Die Mischung ist homogen und ohne Ausflockungen oder Separierung.
Im Geruch denke ich sofort, spontan und ohne Zweifel an Spekulatius. Diese Eindeutigkeit ist deswegen so frappierend, weil man das bei Spirituosen selten erlebt, dass einem auf Anhieb ein klares Wort für Aromen einfällt. Die Mischung aus Zimt, Backgewürzen, Kardamom, Sahne und Vanille führt mich dazu. Wer also Butterspekulatius in der Vorweihnachtszeit (die inzwischen ja im September, also bald, beginnt) mag, sollte hier definitiv einen Blick riskieren. Riecht man tiefer, entdeckt man noch ein leicht muffiges Lederaroma und einen Hauch des Basisalkohols, der für einen Alkoholgehalt von 15% sorgt. Rum suche ich allerdings vergebens.
Im Mund liegt der RumChata sehr breit und voluminös. Die Sahnekomponente sorgt natürlich für die extreme Cremigkeit. Eine leichte Fruchtigkeit beginnt, sich bemerkbar zu machen, ich nehme an, dass hierfür die Rumbasis verantwortlich ist. Dennoch tue ich mich auch im Geschmack schwer, wirklich typische Rumaromen identifizieren zu können. Natürlich ist der Gesamteindruck extrem süß, vielleicht an Stellen sogar klebrig süß; das ist aber dem Konzept eines Sahnelikörs geschuldet und ich kreide es entsprechend nicht an, auch wenn es nicht meinen persönlichen Geschmack trifft. Ansonsten finde ich eben den schon errochenen Spekulatius, Vanille und viel Zimt.
Im Abgang kommt die andere Seite des Zimts heraus, deutliche Zimtschärfe, die auf der Zunge kitzelt. Das empfinde ich als sehr angenehm, es hebt diesen Likör von vielen vergleichbaren Produkten wie Bailey’s oder Crema de Tequila ab. Ansonst klingt die Verkostung mit einem leichten Weihnachtsgefühl aus.
Der Hersteller selbst empfiehlt auf der Rückseite der Flasche eine Vermischung mit Vodka, Kaffee oder „jedwedem anderen Mixer“. Tatsächlich empfinde ich das etwas wenig Vertrauen in sich selbst, mit einem kleinen Eiswürfel pur macht sich RumChata ganz allein schon recht gut. Auch in einer 1:1-Mischung mit Cointreau wirkt dieser Likör sehr schön. Als Cocktailzutat bietet er zu wenig eigene Aromen abseits der Sahne, als dass er wirklich viel leisten könnte. So unterstützen wir ihn mit ein bisschen mehr Rum, und machen einen herrlichen Dessert-Drink – der Mint Orange Choco Chata fühlt sich an, wie ein 2000cal-Nachtisch. Aber manchmal muss man sich halt sowas gönnen können.
Mint Orange Choco Chata
2 oz RumChata
1 oz weißer Rum
½ oz grüne Crème de menthe
¼ oz Orangen-Schokoladen-Likör
Auf Eis shaken.
[Rezept stark adaptiert nach einem Originalrezept der Herstellerseite]
Für einen Sahnelikör ist im Gegensatz zu anderen Spirituosen natürlich eine Mindesthaltbarkeit zu beachten. Diese ist bei meiner Flasche mit Ende 2018 angegeben. Wurde sie einmal geöffnet, empfiehlt der Hersteller, sie innerhalb von 6 Monaten aufzubrauchen, da keine Konservierungsstoffe eingesetzt wurden; eine Kühlung ist dabei aber nicht erforderlich.
Die Flasche ist, das muss man ohne jeden Zweifel zugeben, sehr hübsch designt, mit viel Schwung und Kurven, erinnernd an einen überdimensionierten Parfümflakon. Das auffällige Weiß, die goldene Schraubverschlusskappe und die Schrift in derselben Goldfarbe sorgt für einen Hinguckereffekt – RumChata ist sicher ein Blickfang in jeder Heimbar. Und Süßmäuler, denen es egal ist, dass das Zeug letztlich auch VodkaChata oder TequilaChata oder WhiskyChata heißen könnte, weil man kaum Rumaromen herausschmeckt, werden sicherlich auch sehr glücklich damit, auf jeden Fall ist es eine interessante Alternative zu den bekannten anderen Sahnelikören. Diesen Sahneliebhabern lege ich einen Kauf sehr nahe – dem puristischen Rumfreund, der sonst in seiner Freizeit ausschließlich Caroni und Grande Arôme trinkt, eher weniger. Alle dazwischen können, wenn sie entsprechend veranlagt sind, sich mit RumChata schonmal langsam auf die Weihnachtszeit eintrinken.
Offenlegung: Ich danke der Sélection Prestige GmbH für die Zusendung einer kostenlosen Flasche dieses Rumlikörs.