Viele beschweren sich immer darüber, dass Anglizismen unseren Sprachgebrauch inzwischen dominieren. Ich will wirklich kein fingerpointing betreiben, aber bei mir im Beruf ist es oft besonders schlimm: Im Endgame liegen die Nerven blank, und selbst tolle Achievements werden dann schnell geskippt, weil der Forecast auch nicht so awesome ist. Bullshit Bingo ist dann der liebste Zeitvertreib während so manchem Meeting.
Manchmal geht es aber auch in die andere Richtung. Neben den Germanismen, die die englische Sprache schon seit langer Zeit aufweist, wie Kindergarten, Gesundheit, Sauerkraut, Poltergeist oder Rucksack, hat sich auch eine urdeutsche Biergattung ins Herz und die Bezeichnung dafür in die Sprache der Amerikaner geschmuggelt: Das leckere Wort Hefeweizen.
Wie man auf dem Etikett des kalifornischen Sierra Nevada Kellerweis Hefeweizen erkennen kann, haben die Amis mit solchen Übernahmen herzlich weniger Probleme als wir, sie mögen solche Wörter, die sie an ihre Ursprünge erinnern (immerhin 50 Millionen Amerikaner können sich auf deutsche Wurzeln berufen) scheinbar sogar so sehr, dass sie das Bier mit einem seltsamen anglizierten Deutsch benennen.
Auch wenn man sich in exotischen Herstellungsgefilden, was Hefeweizen angeht, wähnt: Die Farbe dieses Biers ist, wie man es von einem Hefeweizen gewohnt ist: ein strahlendes Saftgold. Man hört auch das sehr kräftige Blubbern im Glas.
Die Nase ist schön fruchtig und frisch, leicht blumig und leicht hefig. Ein wirklich ansprechender Anfang – von dieser Aromatik können sich ein Großteil der deutschen Hefeweizen eine Scheibe abschneiden. Im Mund kommt dann die amerikanische Interpretation des Weizen zum Vorschein: eine gute Bittere, kein Wunder bei den hopfenverliebten Amis, und eine knackige Frische. Ein deutlich erkennbarer Touch von Cognac oder Brandy gibt dem Kellerweis eine edle Note. Eine ungewöhnliche, aber sehr gelungenene und spannende Variante des altbekannten Biergartengetränks!
Die sehr starke und ausdauernde Perlage weiß zu gefallen und ist einem Hefeweizen auch würdig, aber leider ist von Anfang an praktisch kein Schaum auf dem Bier, die herrliche Schaumkrone, die man vom deutschen Hefeweizen kennt, fehlt komplett (mit dem Eingießen von Hefeweizen kenne ich mich aus und schließe eine Fehlbehandlung daher aus).
Die kleine 330ml-Flasche enthält natürlich nicht genug Bier für ein Standard-Halbliter-Hefeweizenglas, da kommt endlich mal das süße kleine Hacker-Pschorr-Weizenglas, das ich damals aus München mitgebracht hatte, zum Einsatz, das sonst ein tristes Dasein im Glasschrank fristet. Mit 4.8% Alkohol bewegen wir uns im sortentypischen Rahmen.
Erneut enttäuscht Sierra Nevada nicht. Bereits deren IPA, Stout und Barleywine waren Kronen der Bierbraukunst; das Kellerweis gesellt sich dazu. Wäre da nicht die leidige, vom weiten Import getriebene Preisfrage (3,50€ habe ich für das kleine Fläschchen latzen müssen), ich würde es zu meinem Haus- und Hofbier machen. So spare ich mir dieses tolle Bier für besondere Gelegenheiten auf – ich hoffe, es bald mal meiner etwas standardbierseligen Verwandschaft vorsetzen zu können.
Ohne Schaum? Da kann ich ja gleich nach Holland, das wird billiger… :-)
Ja, das ist tatsächlich etwas störend bei einem Hefeweizen. Vielleicht war es nur meine Flasche? Ich hole mir demnächst noch eine davon, denn: Beim nächsten Mal wird alles besser!