Drei Reihen von Fässern, übereinander gestapelt, in einem dunklen Keller. Der Kellermeister steigt mit seiner flackernden Kerze vorsichtig die steile Treppe hinab, und zapft sich im Kerzenschein aus der untersten Reihe aus einem Fass ein schönes Fläschchen Sherry. Er freut sich auf den feinen Tropfen, der bis zu 20 Jahre alten Sherry enthält, aus einer Quelle, die nie versiegt.
Nun ja, ganz so romantisch muss man das Solera-System heutzutage nicht mehr sehen. Es dient eigentlich dazu, einen Verschnitt aus mehreren Alterungsstufen einer Spirituose herzustellen, eben Sherry, Brandy, aber auch Rum und Whisky. Man sieht das häufig oft auf Rumflaschen, hispanisiert als „sistema solera“. Der Vorteil ist klar – man hat durch die Vermengung bereits gereiften Geists mit jüngerem, frischen Brand immer eine relativ gleichbleibende Qualität; der jüngere Brand wird durch den älteren gemäßigt, der ältere durch den jüngeren aufgefrischt.
Das Solera-System wird gern dahingehend kritisiert, dass man eben keine Altersangabe machen kann, viele Hersteller es aber trotzdem tun. Sie schreiben dann beispielsweise beim Ron Zacapa 23 Sistema Solera-Rum eine fette „23“ aufs Etikett (früher sogar noch in der frechen Form „23 años“) und lassen den Zusatz weg, dass dies das Maximalalter ist, von dem wahrscheinlich nur noch wenige Tropfen in der Mischung enthalten sind, nicht das Minimalalter, wie es bei Cognac oder Scotch sein muss.
Dafür kann jedoch das Solera-System nichts, doch sollte man immer, wenn man diese Worte auf einem Flaschenetikett sieht, sich dessen bewusst sein. Solera-Spirituosen sind per se erstmal nicht schlechter als Brände, die jahrelang in einem einzigen Fass liegen, es hängt wie immer vom Können und Wohlwollen des Kellermeisters ab.
Wie komme ich zu diesem Sermon? Vor kurzem habe ich bei einem meiner Lieblings-Vlogger, Ralfy, einen tollen Bericht über ein Experiment gesehen, das er durchgeführt hat. Für ein kleines Heimbar-Solera-System braucht man nämlich nicht weitläufige Keller, viele gestapelte Fässer und tausende von Litern Destillat; es geht auch im kleinen, mit einer einzelnen Flasche – der Solera-Flasche.
Tatsächlich ist kaum ein Projekt einfacher durchzuführen als dieses. Man besorge sich einfach eine gefällige Glasflasche, fülle eine dezente Basisspirituose hinein, und lasse den Inhalt ein bisschen ruhen. Für jedes Dram, das man der eigenen Solera-Flasche entnimmt, gibt man ein Dram eines anderen Whiskeys wieder dazu. So entsteht über die Zeit eine ganz eigene, die persönliche Trinkhistorie wiederspiegelnde Mixtur, die man nirgends kaufen oder herstellen lassen kann. Wenn man pathetisch sein will: Diese Flasche könnte zum Familienerbstück werden, das von Generation zu Generation weitergereicht wird. In 100 Jahren freuen sie sich darüber, eine Flasche zu haben, in der zumindest anteilig 100 Jahre alter Whiskey enthalten ist.
Durch das Solera-System muss man auch nicht sonderlich auf einzelne Zugaben achten; der Verdünnungseffekt über die Zeit sorgt dafür, dass viele unerwartete Kombinationsaromen Stück für Stück aus der Flasche wieder verschwinden, und durch andere ersetzt werden. Kein Glas schmeckt wie das andere. Natürlich ist das keine echte Solera, dazu fehlt die Reifung, die in der Glasflasche nicht mehr stattfindet, und das stufenweise Vermengen in den criaderas, doch die Idee ist charmant und stilvoll.
Für meine Zwecke, der eigenen kleinen Private Barrel Whiskey Solera 2015, habe ich mit einem einfachen Bourbon, dem Four Roses Yellow Label, begonnen. In eine leere Glasflasche habe ich 400ml dieses Bourbons gegeben, dazu 50ml Ben Bracken 12 years Single Malt Scotch, und 50ml Old Grand-Dad Bourbon. Die erste Nachfüllung mit Rittenhouse Rye BiB ist auch schon erfolgt. Man sieht, man kann auch unterschiedliche Spirituosen, bei mir Scotch, Bourbon und Rye mischen, das macht die Solera nur noch interessanter und lehrreicher. Man sollte vielleicht höchstens stark torfig-rauchigen Scotch auslassen, der übernimmt schnell die ganze Aromatik.
Ich lasse das ganze mal eine Weile laufen. Wenn das Ergebnis überzeugt, werde ich vielleicht auch noch eine Rum-Solera beginnen, oder, wenn ich dann noch ganz abenteuerlustig werde, eine Gesamt-Solera, in die alles reinkommt, was da ist, von Rum über Tequila bis Whiskey. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Warum macht man sowas, fragt sich vielleicht so mancher Purtrink-Fetischist. Nun, ich verfolge mit meinem Blog auch das Ziel, die Leser dazu zu animieren, ihren Gaumen weiter zu schulen. Neues auszuprobieren, sich nicht auf „das macht man halt so“ zu verlassen und auch mal für konservative Augen seltsame, unkonventionelle Wege zu gehen. Und sich nicht von anderen sagen lassen, wie man den Schnaps, den man selbst gekauft und bezahlt hat, zu trinken hat. Und auch wenn diese Idee zur Whiskey-Solera nicht von mir stammt, so ist sie es doch auf jeden Fall wert, weiter in die Welt hinausgetragen zu werden.
2 Kommentare zu „Die Mischung machts – Private Barrel Whiskey Solera 2015“