Jede Spirituose schmeckt einfach besser, wenn man sich durch Souvenirs an die Situation erinnert, in der man so direkt vor Ort war und alles live erlebte, wie mir das im September 2025 im Zuge von Spirits Selection by CMB Jalisco in Mexiko erging. Die tolle Agavenskulptur aus Stahl auf Holz, die man auf dem Bild unten sieht, stammt von El Refugio de San Antonio, einem Geschäft in Tonalá bei Guadalajara, das als Aussteller bei meinem Besuch im Tequila Lab mehrere dieser wunderbaren Kunstwerke zeigte, und ich musste es für mein eh schon an solchen Devotionalien überquellendes Wohnzimmer zuhause kaufen, da führte kein Weg daran vorbei. Normalerweise gehört in die kleine Aussparung, in der die kleine Miniatur des El Tequileño Platinum Tequila Blanco 100% de Agave steht, ein Shotglas, doch die Kombination mit der Miniatur ist einfach wunderbar, finde ich.
Bei dem Tequila handelt es sich um einen Blanco, der rein aus Agaven hergestellt wird, die auf dem Anwesen der Brennerei wachsen. Hergestellt wird er ganz klassisch (davon sieht man am Ende dieses Artikels ein paar Bilder, die ich vor Ort für meine Leser hier geschossen habe), doch ein kleiner Twist kommt dazu – nach der Destillation kommt er für nur 14 Tage in Fässer aus amerikanischer Eiche. Nicht, um dem Destillat Farbe oder Geschmack zu verleihen, sondern rein, um eine Art Kantenabschleifung zu erreichen, das Fass ist hier also nur ein Weichmacher. Man verzichtet dafür auch auf jede Art von Zusätzen, selbst die erlaubten. Das klingt spannend – funktioniert dieses Vorgehen beim El Tequileño Platinum, ohne dass die Blanco-Typizität, die ich ja so liebe an Tequila, verloren geht?
Klar, sauber, fehlerfrei – wie man es von einem Blanco erwartet; die 14 Tage im Holzfass haben keine optischen Spuren hinterlassen. In meinem neuen Kristalov-Verkostungsglas, das ich ebenso wie den Tequila aus Mexiko mitgebracht habe, bleiben fette Artefakte an der Wand hängen, die ein ausdauerndes Gitter aus Beinen bilden, die Viskosität ist ansprechend.
Eine sehr mineralisch-säuerliche Note springt mir aus dem Glas entgegen. Die Agave ist dabei voll präsent und liefert diese grün-vegetabile Grundsubstanz, die ich an Tequila so liebe, ohne jedes Zögern ab. Unterbaut wird das mit einem sehr erdigen, fast schon wurzelig wirkenden Aspekt, Topinambur oder ungeschälter Ingwer vielleicht, und einer Erinnerung an einen feuchten Keller. Ein sanftes Gewürzbouquet spielt mit, Kampot-Pfeffer und Kardamom, und dazu eine kräuterige Frische von Koriander. Tiefer im El Tequileño Platinum findet man einen leicht alkoholischen Hauch, der noch zusätzliche Varianz ins Spiel bringt. Sehr unterhaltsam, das Wasser läuft mir im Munde zusammen.
Da muss man natürlich einen Schluck nehmen. Die Textur am Gaumen ist extrem rund, sehr mild und wirklich die Definition von „smooth“, wie es nicht jede Spirituose liefern kann. Breit und dicht, auf einer natürlichen Süße aufbauend. Im Antrunk hält sie sich noch etwas zurück, im Verlauf baut sich die Agavenaromatik auf, ohne wirklich extrem mineralisch oder grün anzukommen; dies zeigt sich erst im mittellangen Nachhall, wenn noch eine feine aber effektive Schwarzpfeffrigkeit dazu kommt, die ein leichtes Kribbeln im Mundraum erzeugt, das lange anhält und mit einem fast mentholischen Kühleffekt und einer angenehmen Bittere verbunden ist. Als Beiklang findet man erkennbare Teenoten, etwas Heu, vielleicht eine Spur Malz, die Aromatik ist dadurch mehrdimensional und vielleicht durch die kurze Zeit im Fass beeinflusst, aber ohne echte Holztöne einzubinden.
Ein extrem süffiger Tequila, der die Agave voll präsentiert, aber mit interessanten Nebenaromen eine Komplexität aufbaut, die sich nicht aufdrängt. Mundgefühl und Spannung machen Spaß und zeigen hervorragende Handwerkskunst – der El Tequileño Platinum ist ein perfektes Beispiel dafür, wie aufregend die Agave als Basismaterial ist, und wieviel Entwicklung in die Kategorie Tequila über die Zeit geflossen ist.
Ein Schlürfer, ohne jede Frage, aber durch die aromatische und strukturelle Dichte auch ein idealer Cocktailtequila. Aus Robert Simonsons Buch „Mezcal + Tequila Cocktails“ stammt der Red Grasshopper, der den El Tequileño Platinum perfekt in Szene setzt und zeigt, dass das Daiquiri-Template in viele Richtungen abwandelbar ist. Ein nettes Detail ist die Verwendung von geräuchtertem Paprikapulver, davon hatte ich vor einer Weile etwas aus Ungarn mitgebracht, die wissen dort einfach, wie man mit Paprika umgehen muss und zeigt, dass Cocktails manchmal einfach Kulturen verbinden – Tequila und Honig aus Mexiko, Biolimetten aus Brasilien, Paprikapulver aus Ungarn, ein Rezept von einem Australier in einem US-amerikanischen Buch, gemixt von einem Deutschen.
Red Grasshopper
2oz / 60ml Tequila blanco
1oz / 30ml Limettensaft
¾oz / 23ml Honigsirup
Auf Eis shaken. Mit geräuchter Paprika dekorieren.
[Rezept nach Michael Madrusan]
Die kleine Flasche habe ich bei meinem Besuch der Brennerei mitgenommen – es ist immer wieder toll, solche Orte persönlich zu sehen, zu riechen, zu fühlen, auch wenn man bei Agaven vorsichtig sein muss, denn selbst in entblättertem Zustand haben sie winzige Haarnadeln, die Juckreiz verursachen können, wenn man sie zu bedenkenlos mit der Haut in Kontakt kommen lässt. Die Bilder sind in Verarbeitungsreihenfolge – erst kommt der LKW mit den geernteten Agavenherzen an der Brennerei an, dann werden sie im Hof weiter zerkleinert. Nachdem sie in den Autoklaven gekocht wurden, sieht man die braune Farbe und schmeckt den saftig-karamelligen Geschmack. In Betongruben findet bei El Tequileño die Fermentation statt, offen natürlich. Der letzte Schritt ist die Destillation in den kleinen Kupfer-Potstills.












Mit Gina Castillo konnten wir direkt in der Produktionshalle den frisch aus diesen Brennapparaten gelaufenen Tequila probieren, noch in Destillationsstärke und ohne jeden zwischenliegenden Verarbeitungsschritt, toll, das so erleben zu dürfen. El Tequileño ist tatsächlich in Deutschland erhältlich, und ich finde, das ist ein großartiger Tequila, der jedem gefallen müsste, der sich mit mexikanischen Spirituosen anfreundet, und wenn man dann vielleicht sogar selbst mal nach Tequila kommt, sollte man sich diese hübsche, moderne Brennerei anschauen.


