Die Haltbarkeit von Bier ist eigentlich besser, als viele denken. Natürlich verlieren viele leichte Biere an Spannung, wenn man sie lange aufbewahrt, und stark auf Hopfen setzende Produkte, insbesondere wenn kalt- und frischgehopft, sollten zeitnah getrunken werden, weil der Hopfengeschmack als erstes verfliegt. Andere Biere, gerade stärkere, eher malzlastige, können dagegen über viele, viele Jahre, teils sogar Jahrzehnte aufbewahrt werden, und reifen dabei sogar, statt schlecht zu werden. Für den Maisel & Friends Rum Bock Barrel Aged 2020 habe ich einen Mittelweg gewählt und öffne ihn nach 4 Jahren, die er bei mir zuhause kühl und dunkel ruhte. Das besondere hier ist natürlich die Fasslagerung im Rumfass, da ist man gespannt, was die Interaktion zwischen Rum, Holz und Bier so hervorbringt!
Gießen wir uns den Bock ein – „mehrere Monate“ reifte es in Rumfässern von den französischen Antillen, genauer spezifiziert ist das leider nicht, schade, darüber hätte ich gern mehr Infos gehabt. Haselnussbraun, mit kräftiger Schaumentwicklung beim Eingießen. Lange zischt und knistert der gemischtblasige Schaum, während er etwas in sich zusammenfällt, dennoch für ein fassgereifter Bier ausdauernd erhalten bleibt. Durch die dunkle Färbung und die Opalisierung sieht man dennoch die starke Perlage.
Das erste, was ich erschnuppere, ist tatsächlich der unverkennbare Duft eines gereiften Zuckerrohrsaft-Rums. Frisches Zuckerrohr und teils schon etwas überreife Frucht, insbesondere Guave und Mango, kombinieren sich mit feuchtem Holz, Malz und Hefe. Dabei entsteht eine sehr angenehme und komplexe Mischung, an der die Nase auch nach ein paar Minuten noch keine Langeweile empfindet. Später kommen sehr erdige Töne dazu, erinnernd an einen Pferdestall und nassen Waldboden. Diese Aspekte wechseln beständig, mal dominiert die fruchtige Mango, mal die dunkle Erde.
Auch am Gaumen hat man keinen klaren, deutlichen Einzeleindruck. Erdbeermarmelade und Marzipan vermitteln eine süße Seite, während die Erdigkeit eine schwere, dunkle Basis darunter legt. Grüne Banane, etwas Lakritze. Auch der Rum scheint durch, mit einer gewissen Grasigkeit und der typischen Zuckerrohrsaftaromatik – das ist erkennbar mehr als nur ein Nebenton, der Rum hat gefühlt die Hälfte der sensorischen Bühne für sich, etwas, was ich als sehr angenehm empfinde. Malz und Hopfen teilen sich die Aufmerksamkeit, und eine zischende Säure macht das Bier richtig frisch und rezent, während 9,6% Alkoholgehalt für Kraft sorgen. Auch strukturell überzeugt das Bock Barrel Aged 2020, in der Textur spürt man eine gewisse Dichte, dennoch ist viel prickelnde Klarheit zu spüren. Im langen und herben Abgang klingen Mango, Zuckerrohrsaft und Malz gleichberechtigt nach.
Fassgereifte Biere werden manchmal etwas dumpf, das ist hier nie der Fall – toll gemacht, das Basisbier wird nicht erdrückt, der Fasscharakter ist beständig erkennbar. Genau so wünsche ich mir derartige Fassreifungsbiere, beide Aspekte sollen da sein. Wirklich spannend und unterhaltsam!
Zuhause wartet auch noch der Maisel & Friends Rum Bock Barrel Aged 2021, den ich aber noch ein paar Jahre liegen lassen will, um zu schauen, ob sich die bei dem aktuell probierten Bier ausgeprägte Rumfass-Charakteristik vielleicht noch etwas steigert. Schlecht werden wird es jedenfalls nicht, da bin ich mir sicher, und ich denke mal, so 2031 wäre ein gutes Jahr, um zurückzublicken. Da wird es meinen Blog sicher nicht mehr geben, aber das private Vergnügen gönne ich mir dann trotzdem!

