Die ganze Frucht im Glas – Bonaventura Maschio Prime Uve Bianche

Bonaventura Maschio Prime Uve Bianche Titel

Was macht man aus Trauben, wenn sie nicht als Nahrungsmittel geplant sind? Nun, natürlich wird hauptsächlich dann Wein daraus gemacht. Nebenprodukte der Weinherstellung sind Weinbrand, also ein Destillat aus einem vergorenen Traubensaft, und Tresterbrand, der aus den dabei anfallenden Resten (Häute, Kerne, Stiele, je nach Art) gebrannt wird. Der bekannteste Weinbrand ist wahrscheinlich Cognac, der bekannteste Tresterbrand Grappa, die aromatischen Profile sind hier schon erstaunlich unterschiedlich. Selten findet man noch eine dritte Kategorie, einen echten Traubenbrand, bei dem die ganzen Früchte verwendet werden und nicht nur Teile davon wie bei Weinbrand oder Tresterbrand. Ein Mitglied dieser seltenen Gruppe von Destillaten stelle ich heute vor: den Bonaventura Maschio Prime Uve Bianche. Erst 1984 wurde in Italien eine Regelung und Gesetzgebung für diese Art Brand geschaffen, und Bonaventura Maschio waren mit die ersten, die das Potenzial dieser neuen Möglichkeit erkannten.

Es gibt eine Menge ungewöhnlicher Dinge, die es über die Herstellung zu berichten gibt, die sich deutlich von denen bei anderen Spirituosen unterscheiden. Die ganzen Früchte hauptsächlich der lokal sehr beliebten Rebsorte Glera werden zwischen 15 und 18 Tagen fermentiert, ohne sie vorher auszupressen. Wie bei Pisco Mosto Verde wird die Fermentation zu einem gewählten Zeitpunkt unterbrochen, bevor alle Zucker in Alkohol umgearbeitet wurden. Die dann enstandene Maische wird komplett, sogar mit allen Festbestandteilen, in den besonderen Brennapparat der Destillerie gegeben. Dieser ist ähnlich einer Bain-Marie, die mit einem Vakuumdestillierapparat kombiniert wurde – hier macht sich die Grappaerfahrung der Region bezahlt. Einmal wird nur destilliert, bei der niedrigen Temperatur von 60°C, und man nutzt den kompletten Lauf für das Endprodukt, es ist aufgrund der ungewöhnlichen Herstellungsart nicht nötig, Vor- und Nachlauf abzutrennen, weder die Problemstoffe des Vorlaufs noch die des Nachlaufs entstehen bei Prime Uve. Das Destillat wird am Ende dann auf 39% Alkoholgehalt eingestellt und, in der vorliegenden Variante, ungereift abgefüllt – und ein kleines Fläschchen davon ist bei mir gelandet, und virtuell will ich es nun mit meinen Leser*innen teilen.

Bonaventura Maschio Prime Uve Bianche

Im speziellen Grappaglas, hergestellt in Italien nach wissenschaftlichen Erkenntnis zusammen mit der Lebensmittelfakultät einer Universität, lässt sich die kristallklare und erkennbar viskose Flüssigkeit am besten optisch genießen. Die dicken Beine, die beim Drehen des Glases entstehen, kleben lange an der konvexen Innenform.

Das verlockt, die Nase in jenes Glas zu halten. Dort findet man einen angenehm parfümierten Duft, traubig und fruchtig-aromatisch, direkt sehr an Pisco oder ungarischen Traubenpálinka erinnernd, beides natürlich sehr verwandte Destillate. Eine unterschwellige Würzigkeit, vielleicht milde Hefe oder leichte Brotteignoten, ergänzt die floralen Kopfnoten um etwas tiefe Basisschwere, die dann in Kakaopulver übergeht. Rosenwasser und Orangenblütenwasser finde ich da, auch hier sehr bereits an Parfüm erinnernd, ohne künstlich oder aufdringlich zu sein. Schnuppert man lange, entdeckt man eine ganz vorsichtige ethanolische Komponente, doch auch diese ist gut eingebettet und liefert eher zusätzliche Komplexität denn Störfaktoren. Ein wirklich duftend-elegantes Destillat, an dem meine Nase gern viele Minuten hängen bleibt.

Bonaventura Maschio Prime Uve Bianche Glas

Auch der Antrunk ist ähnlich bezaubernd, mit einer schweren Süße als Basis, die (so erzählten die Besitzer bei der Destillerietour) leider zum Teil von etwas Nachsüßung, 5g/L laut eigener Aussage, herrührt – meiner Meinung nach braucht dieser Brand diese Süßung nicht. Die Textur ist ölig am Gaumen und legt sich breit an, und aus ihr entsteht eine sehr elegante Mischung aus Frucht und Blüten. Weiße Trauben natürlich, aber gefühlt auch Weinbergpfirsich, nicht ganz reife Aprikose sowie ein Anflug von Honigmelone. Im Verlauf bricht die Süße auf und lässt pikante Wärme entstehen, die insbesondere die Zunge kitzelt und dafür sorgt, dass der Brand nicht zu gemütlich wird. Die floralen Noten, nun auch beinahe ins Rosenwasser und Parfümaspekte übergehend, erblühen regelrecht und bleiben ausdauernd und kräftig bei uns. Der lange und warme Abgang schließlich ist dann versehen mit etwas grüner Banane und fast schon schokoladigen Noten.

Wie man sieht, ein abwechslungsreiches Destillat mit Vielschichtigkeit, die bei der der Verkostung nie Langeweile aufkommen lässt, und das dennoch ordentlich Körper und Bumms hat. Ohne Süßung wäre ich restlos begeistert, der kleine Wermutstropfen drückt die Stimmung etwas, und ich hoffe, die Familie erkennt das selbst irgendwann und lässt sie in Zukunft weg.


Für ein Nischenprodukt wie dieses ist es natürlich schwierig, ein explizit darauf abgestelltes Cocktailrezept zu finden. Die aromatische Nähe zu Pisco bringt mich dazu, hier den Pini zu empfehlen, das Ersetzen des Pisco durch Prime Uve funktioniert herausragend gut, und der Schokoladenlikör unterstützt die süßlichen Aspekte des Brands noch. Idealerweise nimmt man als Brandy auch hier einen italienischen, milden, der nicht die frische Fruchtigkeit des Prime Uve unterdrückt, Vecchia Romagna oder so etwas. Der Drink ist insgesamt dadurch eher auf der süßen Seite, und genießt sich perfekt aus dieser wunderbaren Muranoglas-Sektflöte, die ich vom Trip ins Veneto mitgebracht hatte.

Pini Cocktail

Pini
1 ⅔oz / 50ml Prime Uve Bianche (im Original Pisco)
½oz / 15ml italienischer Brandy
¼oz / 7ml Crème de Cacao
1 Teelöffel Zuckersirup
Auf Eis shaken.

[Rezept nach unbekannt]


Es war ein schöner Ausflug zur Brennerei, den wir als Juroren von Spirits Selection by CMB bei der Auflage #Treviso2023 erleben konnten. Wir wurden direkt vom Besitzer Andrea Maschio begrüßt, der uns seine Destillerie zeigte, die Hintergründe erklärte und etwas über Geschichte und Motivation erzählte. Eine durchaus kleine Anlage hat er sich da aufgebaut, die Brennkessel sind ursprünglich Tomatenmark-Extraktoren, die fürs Destillieren umgebaut wurden – das allein ist schon eine verrückte Geschichte, finde ich.

Nach der Führung durch die Brennerei wurde noch ein Tasting angeboten, durchgeführt vom Master Distiller Stefano Baseotto und Anna Maschio, eine unglaublich unterhaltsame Show in Good-Cop-Bad-Cop-Manier boten uns die beiden, mit viel Humor, man merkt, dass die ein eingespieltes Team sind. Die Grappe von Bonaventura Maschio, die zwei Varianten von Prime Uve und ein kleiner Einblick in ihre Likör-Range zeigen das Potenzial dieser Brennerei. Ich bin mir sicher, dass ich noch über andere Produkte schreiben werde – bis dahin genieße ich in angenehmer Erinnerung noch die letzten Schlückchen vom Prime Uve.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

Ein Kommentar zu “Die ganze Frucht im Glas – Bonaventura Maschio Prime Uve Bianche

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..