Große Zahlen auf Etiketten – eine Sache, die bei Spirituosen immer so ein Geschmäckle hat, manch ein Hersteller versucht mit einer hübschen aufgedruckten „23“ den Eindruck zu erwecken, man habe hier eine Altersangabe vor sich, dabei ist es eine Fassnummer, ein Jubiläum oder einfach die Anzahl der Zähne des Meisterbrenners. Beim Oud Beersel Oude Geuze Vandervelden 135 Years könnte man natürlich auch auf die Idee kommen, ein 135 Jahre altes Bier vor sich zu haben, aber das wäre schon etwas außergewöhnlich besonderes, gemeint ist hier das Alter der Brauerei (bis 1954 hieß sie Vandervelden, danach erst Oud Beersel), zur Feier der Gründung wurde dieses Bier als Sonderedition veröffentlicht. Man kann sich das Gründungsdatum aus den Angaben des Etiketts errechnen: Mindestens haltbar ist es bis 14.02.2037, abgefüllt wurde es „20 Jahre vorher“, also im Februar 2017 – damit hat das Geuze, als ich es getrunken habe, knapp mehr als 5 Jahre Flaschenreifung auf dem Buckel, und die Brauerei gibt es seit 1882. Setzen, Kopfrechnen 1 mit Stern. Das Bier selbst ist ein Blend aus einem Lambic, das ein Jahr auf „foeders“ gereift wurde, die vorher Brunello di Montalcino, einen Rotwein, enthielten, und Lambic, das 3 Jahre in hauseigenen Bierfoeders gereift wurde. 6,5% Alkoholgehalt haben wir dabei erreicht, und die 37,5cl-Flasche ist zur Sicherheit mit einem Drahtkorb um den Sektkorken gesichert. Raus damit, ins Glas mit dem Bier!
Beim vorsichtigen Drehen, bevor ich den Korken ziehe, sieht man kleine Hefeflocken aufschwimmen. Leuchtendes Sonnenblumengelb landet dann im Glas, deutlich getrübt durch die Hefe. Sehr aktives Mousseux blubbert an die Oberfläche, die nur kurz von Schaum bedeckt ist, schnell bilden sich kleine Inseln, die immer kleiner werden, nur am Glas bleibt ein Kranz stehen.
Man muss gar nicht besonders tief ins Glas schnuppern, schon eine Fußlänge Abstand ist der Duft präsent – frisch geschnittene saure Äpfel, unreife Birnen, Sauerkirschen, die Frucht ist stark in diesem Bier. Klar ist die saure Komponente dominierend, ohne zu pieksen, ein bisschen Malz und die Reifungszeit in Holz gleichen aus.



Auch am Gaumen ist Säure von Anfang an kräftig am arbeiten, mehr noch als bei zum Beispiel Cidre, das geht schon in die Richtung von trockenem Sekt, mit einem Anteil Verjus. Apfel und Sauerkirsche, getoppt mit etwas Limettenzeste, Albedo von Amalfizitrone. Die gesichtete Hefe ist auch aromatisch erkennbar, kümmert sich dabei auch um eine astringierende Trockenheit, die im Verlauf kantiger wird, zusammen mit der Säure ergibt das ein sehr herbes Mundgefühl. Die gleichzeitige Spritzigkeit macht das Vandervelden 135 zu einem wunderbar erfrischenden Bier, das ich an Ostern auf der Terrasse im Sonnenschein genieße, der mittellange Abgang mit dezenter Blumigkeit lässt noch etwas Komplexität und Eleganz auftreten.
Ein sehr angenehmes Sauerbier, frisch und rund, frech, spritzig und in Ansätzen durch die 5 Jahre Flaschenreifung gezähmt. Ein unkompliziertes, aber typisches und charaktervolles Geuze, das ich insbesondere dem Einsteiger sehr, sehr nahe legen möchte.