Man kann Sachen so und so machen. Schnell, billig, auf den Massenmarkt ausgerichtet, für den unanspruchsvollen Trinker. Oder mit Geduld und Tradition, in kleinen Mengen, zu angemessenen Preisen, die auch die Rohstoffe und die Zeit mitfinanzieren: Wasser, Gerstenmalz, Hefe und Hopfen – und 400g Sauerkirschen pro Liter, das stellt das Etikett in mehreren Sprachen klar. Keine Aromastoffe, keine Säfte, keine andere Frucht außer Kirschen. Das Oud Beersel Oude Kriek Vieille ist ein Kriek, wie ich es haben will. Dazu hat es mit 6,0% Alkoholgehalt ordentlich Bumms für so ein Fruchtbier, das sieht man auch nicht dauernd. Manchmal weiß man schon beim Lesen des Etiketts, dass ein gutes Produkt vor einem steht – aber sicherheitshalber probieren wir es noch.
Dunkelrot, ja, kirschrot, blickdicht, nur bei Gegenlicht sieht man rubinrote Lichtreflexe durchscheinen. Der pinkfarbene, langlebige und superfeine, flauschige Schaum passt wunderbar dazu und liegt auch nach vielen Minuten noch flächendeckend auf dem Bier, schmiegt sich sogar beim Trinken an die Glaswand.
Deutlich sind die Sauerkirschen in der Nase präsent. Keine Künstlichkeit, einfach nur gepresste Sauerkirschen. Unterstützt wird das durch eine prägnante Säure, die dem verwendeten Lambic entstammt, mit Tönen von Apfelessig, Cidre und Sekt. Die beiden Komponenten gehen eine wunderbare Vereinigung ein – die Reifung im Holzfass hat Bier und Kirschen vermählt und mit ganz dezenten Holzaromen versehen. Leichte Brausigkeit und ein Anflug von Blumigkeit geben weitere Komplexität, ohne die Hauptaromen zu verdecken.
Der Geschmack ist, einem spontanvergärten Lambic gemäß, sehr sauer. Die Kirschen versuchen, etwas Süße dazuzugeben, doch die Eindrücke von grünem, sauren Apfel, trockenem Cidre und vergorenem Kirschmost überwiegen alles. Ein volles, samtiges, dabei aber trocken bleibendes Mundgefühl sorgt dafür, dass sogar leichte Astringenz und Betäubung entsteht. Über Rezenz brauchen wir hier nicht reden – Säure, knackige Frucht, tolle aus Flaschengärung entstandene Karbonisierung und die empfohlene, sehr niedrige Trinktemperatur machen daraus ein herrlich erfrischendes Getränk, das den Gaumen gleichzeitig sauberputzt und fruchtig erfreut. Ein langer Abgang mit Eindrücken von Jasmin und Wintergrün zeigt sich weiterhin bitter und kantig frisch, minutenlang hat man sowohl Geschmack als auch Effekte im Mund.
Ein unglaublicher Kontrast zu vielen Krieks, die mit Aromastoffen und anderem arbeiten, und es in keiner Sekunde schaffen, auch nur ansatzweise an so ein Erlebnis heranzukommen. Gerade, dass es nicht superoberflächlich und künstlich nach Kirsche schmeckt, sondern einen richtig natürlichen Kirschgeschmack aufweist, der auch dem Lambic Luft lässt, ist ein Qualitätsmerkmal für mich. 9€ habe ich für die halbe Sektflasche mit Drahtkorb und Sektkorken in Brüssel bezahlt, und das ist jeden Cent mehr als wert. Wer sich für Kriek interessiert, sollte das Oud Beersel Oude Kriek Vieille dringendst probieren – ein Genießerbier allerhöchster Qualität.