Die Personen hinter den Spirituosen, die ich auf meinem Blog vorstelle, kennenlernen zu können ist mir immer eine große Freude; man lernt viel über die Hintergründe, Motivationen und Anliegen, die in einem Brand stecken. In zweiter Generation führt aktuell Marc Darroze das Maison Darroze, und ihn zu treffen, war ein besonderes Vergnügen – mittags saßen wir beim Chez Léon in Brüssel nebeneinander beim Muschelessen, spätnachts packte er seine mitgebrachten Schätze aus, und wir konnten seine Vintage-Armagnacs von 1971 und 1982 probieren – die Flaschen waren schneller leer, als man denken konnte, und die Diskussionen darüber dauerten lange, er ist ein unterhaltsamer und fröhlicher Gesprächspartner. Das war nicht unser erstes Treffen, zwei Jahre zuvor hielt Marc darüber hinaus in China eine interessante Masterclass über Armagnac, und eine sehr spannende Vergleichsreihe zwischen unterschiedlichen Einzelrebsortendestillaten, über die ich damals schon berichtet hatte.



Man sieht, das Haus Darroze ist sehr interessiert daran, das Wissen über Armagnac weiterzuverbreiten, und in mir hat das jedenfalls das rege Interesse geweckt, auch mal ein „Standardprodukt“ des Maisons auszuprobieren: sehr bezahlbar und trotzdem edel wirkend bot sich dafür der Darroze Les Grands Assemblages 20 Ans d’Âge an, ein guter Mittelweg der Alterskategorien, die von der Brennerei zu bekommen sind. Marc Darroze zeichnet sich für diese Reihe selbst als Master Blender verantwortlich; die „Großen Blends“, so die für unsere Branche übliche denglische Übersetzung, ist eine Zusammenstellung verschiedener Destillate aus verschiedenen Rebsorten, von denen das jüngste eben, wie der Name schon sagt, 20 Jahre alt ist. Natürlich, wie es für Armagnac üblich ist, sind diese „nur“ einfach destilliert, und reiften in Eichenfässern mit 400 Litern Kapazität. Rein ins Glas damit!
Optisch gefällt der Darroze 20 schon mal: Klares, kräftiges Bernstein mit orangenen, stellenweise fast weißen Reflexen. Die Farbe ist komplett natürlichen Ursprungs, hier wird auch nicht nur zum Angleich an andere Chargen mit Farbstoff nachgeholfen. Gemächlich bewegt sich der Armagnac im Glas, hinterlässt dabei dicke, fette Tropfen an der Glaswand, die sich schnell zu Beinen vereinen und dann schnell ablaufen. Viele Artefakte davon bleiben am Glas hängen.
Die Nase beginnt fruchtig, nach Rosinen und dunklem Apfelmost, viel Vanille süßt den Eindruck. Angequetschte Datteln, getrocknete Feigen, reife Pflaumen und schon braun gewordene Birnen geben eine Erinnerung an Fruchtkuchen, insbesondere zusammen mit den Backgewürzen. Bei all dem bleibt der Darroze 20 vergleichsweise frisch und helltönig, ein Anflug von Süßholz unterstützt den durchaus derben, aber nicht wilden Charakter. Ein bisschen Leder, ein bisschen frisches Holz.
Im Mund führt sich das in einer logischen Kette fort – zunächst süß, voller Vanille und süßen, getrockneten Aprikosen und Feigen, mit einem fetten Mundgefühl und viel Breite, mit Nougat und Honig. Im Verlauf entwickelt sich ein kräftiges aromatisches Feuer, definitiv nicht den 43% Alkoholgehalt zuzuschreiben, zusammen mit dem Wandel von süß hin zu bittersauer. Die Frucht bleibt trotz der sich dann deutlich zeigenden Trockenheit immer erhalten, es entsteht eine minimale Salzigkeit, die die Spucke fließen lässt. Höchstens Anflüge von Rancio sind da, spät meine ich, eine leichte Nussigkeit zu entdecken. Ein leichter Körper passt zur helltönigen Nase, Vanille, Zimt und Streuselkuchen definieren schließlich den Schlussakkord. Sehr warm, lang und mit einem sehr prägnanten Blütencharakter klingt der Darroze 20 aus und hinterlässt andauernde Aromen und Effekte am gesamten Gaumen.
Ein sehr attraktiver Armagnac, zwar durchaus mild und weich, dabei aber sich nicht anbiedernd. Komplex und vielschichtig, mit toller Intensität und dabei hübscher Rundung, der am Ende sogar noch Charakter aufweist: Da ist von allem was für alle dabei. Das trinkt sich einfach toll. Eine Spirituose, über die man sinnieren kann, während man sie trinkt – es aber nicht muss, man kann sich auch einfach gehen lassen.
Der Claudine Cocktail nimmt von allen seinen Zutaten etwas mit – die herbalen Gewürztöne der zwei Wermuts, die Eigenheit des Quinquina, die Bitterkeit der Bitters, und schließlich die Fruchtigkeit, Wärme und Tiefe des Armagnacs. Ein eleganter, leichter, aber dennoch sehr aromatischer Drink, der nicht laut nach Aufmerksamkeit schreit, sondern dem man sich wunderbar als Aperitif hingeben kann.
Claudine Cocktail
1⅓ oz Armagnac
⅓ oz trockener Wermut
⅓ oz süßer Wermut
⅓ oz Quinquina
1 Spritzer Orange Bitters
Auf Eis rühren.
[Rezept nach Matteo Malisan]
Sehr gefällt mir die reduktionistische Präsentation – schon der Karton in grauem, grobstrukturierten Karton weist als einzige Extravaganz den handschriftliche Namen des Hauses Darroze auf. Echtkorken erwarte ich heute auch bei höchstwertigen Spirituosen eigentlich nicht mehr, hier ist er noch vorhanden. Ähnlich dezent auch die Flasche selbst, und deren Etiketten. Die große 20 ist scheinbar alles, was man für diesen Brand wissen muss – und es wirkt, zumindest auf mich, auch wenn ich gern mehr Aufschlüsselung über Rebsortenanteile, Fassarten und ähnliches erfahren wollen würde; ein bisschen Optimierungspotenzial muss man einem für Armagnac-Verhältnisse noch jungen Maison ja auch zugestehen. Und wenn das sich hauptsächlich auf die Verpackung bezieht, nun, da gibt es andere Hersteller mit sehr viel größeren Baustellen. Ich glaube, die meisten wird es eh nicht interessieren, wenn das Endprodukt so gut schmeckt wie dieses hier.