Caroni ist immer noch ein Name, der Begehrlichkeiten bei Rumkennern weckt, obwohl (oder eher weil, wahrscheinlich) so langsam die Vorräte zuende gehen. Kein Wunder, dass bei der Bekanntgabe, dass Luca Garganos VSGB-Projekt Mitte des Jahres 2021 gleich drei Kleinflaschen mit Caroni-Rums an die Mitglieder ausgeben würde, die Freudebekundungen in der zugehörigen Facebook-Gruppe groß waren. Die gesamte Special Edition 5th Release zu einigermaßen vernünftigen Preisen probieren zu können, das ist tatsächlich etwas besonderes. Stellvertretend für die 3 unterschiedlichen Blends öffne ich heute das in einem schwarzen Karton gelieferte Fläschchen, das dem auf dem Etikett sehr kritisch blickenden Dhanraj „Dan“ Maharaj gewidmet ist, der 22 Jahre bei Caroni gearbeitet hatte, bevor die Destillerie 2002 geschlossen wurde. Es handelt sich dabei um die VSGB-Flaschennummer 893 von 1038 – zum VSGB-Projekt hatte ich ja schon bei meinem Artikel zur ersten Auflage des Projekts, dem Foursquare Sassafras, etwas gesagt. Im Folgenden nenne ich den Velier Caroni Heavy Rum „Employees“ Special Edition 5th Release (VSGB) Dhanraj „Dan“ Maharaj dann nur noch „Velier Caroni Maharaj“, der ganze Name würde den Artikel bei Wiederholung tatsächlich aufblähen.
1996 bis 2021, das sind die Jahreszahlen, die auf der Flasche gezeigt werden – der Rum ist jedoch keine 25, sondern „nur“ 23 Jahre gereift, denn seit 2019 war ein Stahltank seine Heimat, bis er auf Flaschen gezogen wurde. Die gesamte Holzreifungsperiode verbrachte er in vollem tropischem Klima auf seiner Heimatinsel Trinidad in der Karibik, was dazu führte, dass der Angels‘ Share, also der Verdunstungsverlust, bei über 85% lag. Man stelle sich das bildlich vor – nicht einmal ein Fünftel des eingelagerten Rums schaffte es am Ende in eine Flasche! Man entschied sich bei Velier, 4 Fässer auszuwählen und diese zu verblenden für das Endprodukt, einen natürlich schon kurz nach Veröffentlichung ausverkauften Rum, den wir nun vergleichsweise exklusiv ausprobieren können.
Ein Rum wie dieser ist natürlich ungefärbt, umso dramatischer wirkt die Farbe – nach 23 Jahren im Holzfass darf eine Spirituose aber auch kräftig daherkommen. Ein strahlendes Terra di Siena, mit fast schon orangenen Lichtreflexen darin, das bei Gegenlicht glitzert. Das Schwenkverhalten ist ähnlich beeindruckend, langsam, ölig schwappend, dabei aber elegant und großzügig wirkend. Die Beine, die sich dabei bilden laufen sehr langsam ab, ein kleiner Rand bleibt an der Glaswand oben noch länger haften. Ich lasse den Rum eine Viertelstunde offen stehen, um ihm Zeit zu geben, sich zu öffnen.
Es duftet nun nach einer Mischung aus Anis, Karotte, Vanille, Kardamom, Butter und Kokos, wenn man die Nase ans Glas hält, und das sind nur die spontanen Eindrücke, die mir zufliegen. Hier findet sich eine kaum zu definierende Komplexität an Aromen, die aber ohne jede Schwierigkeit zusammenspielen und ein rundes Gesamtbouquet ergeben, bei dem kaum eine Komponente wirklich heraussticht. Eine deutliche Holzigkeit ist da, diese ist aber eingebettet, ebenso wie der Full-Proof-Alkoholgehalt von 66,3%, der niemals auch nur ansatzweise piekst oder stört. Bei tieferem Schnuppern nehme ich eine Curry-ähnliche Würzigkeit wahr, und dann noch eine mentholische Frische, die sich aber nicht aufdrängt. Ich könnte ewig daran riechen, das ist ein wirklich außergewöhnlich hübscher Duft.
Unverdünnt bei 66,3% trinken? Ja, bei derart hochwertigem Rum geht das ohne jedes Problem. Im Mund beginnt der Velier Caroni Maharaj zunächst überraschend unauffällig, lässt sich viel Zeit, bis er Aromen freigibt. Milde Töne eines reifen Pfirsichs, karamellisierter Apfel, braune Banane und Kokos setzen ein, bevor die Aromatik eher zum Gewürz hin dreht, vegetaler wird, ganz vorsichtige Süßholznoten, begleitet von etwas Kräuterbonbon. Im Verlauf wacht er dann Schritt für Schritt immer weiter auf, wird schnell immer wärmer, ohne wirklich zu explodieren, deutliche holzige Adstringenz weckt den Speichelfluss. Gegen Ende schwelt dann ein Feuer, Bitterschokolade und Tabaktöne machen die Mischung aus Bittere und Süße deutlich, fast schon honigartig und mit Nelkennoten wird er dann. Der Abgang ist warm, lang, bleibt effektvoll am Gaumen mit einem paradox kühlenden Mentholeffekt. Am Ende taucht etwas Karotte (das ist das, was ich auch bei Bourbon mit starkem Holzgeschmack verbinde) auf und klingt dann mit einer ausgeprägten Nussnote aus.
Man sieht, das ist ein wirklich komplexer, hocharomatischer, dabei aber nie unrund werdender Rum, an dem man bei jedem kleinen Schlückchen sehr lang lutschen kann, ohne dass er langweilig wird. Ich bin schwer beeindruckt, da steckt wirklich viel drin.
Ich bin mir sicher, der Velier Caroni Maharaj würde als Hauptzutat in einem Drink ausgesprochen bombig funktionieren, allein habe ich ehrlicherweise einfach leider nicht die Menge, um das wirklich durchzuführen. Bei der starken Aromatik kann er aber tatsächlich auch als Gewürz in einem Cocktail dienen – wie im Haiti Cocktail, wo die anderen Zutaten eher mild sind und so ein Rum dann wie der Markknochen in einer leichten klaren Frittatensuppe wirkt.
Haiti Cocktail
¾ oz / 25ml Ferro China
¾ oz / 25ml trockener Wermut
½ oz / 15ml süßer roter Wermut
¼ oz / 10ml Campari
¼ oz / 10ml Demerara-Rum
2 Spritzer Angostura
Auf Eis shaken.
[Rezept nach Elvezio Grassi]
Ich spreche nochmal kurz die wirklich liebevolle Aufmachung dieser VSGB-Veröffentlichungen an, sie geben die Standardflasche perfekt wieder und sind mit dem Karton auch eine echte Augenweide. Die anderen zwei Flaschen dieses Sets, gewidmet zwei anderen langjährigen, verdienten Destilleriearbeitern, Deodat „Breeze“ Manmohan und Roopnarine „Roop“ Toolsie, stammen aus der gleichen Serie, die Luca Gargano und 26 weitere Caroniliebhaber 2019 zur Abfüllung auserwählt hatten.
Für die anderen zwei Fläschchen habe ich schon eine Verwendung – natürlich werden sie nicht weiterverkauft, das widerspräche der Idee und den Statuten des VSGB-Projekts. Vor kurzem wurde ein Käufer tatsächlich aus der VSGB-Gruppe ausgeschlossen, weil er seine Flaschen an jemand anderes weitergegeben hat, der sie dann wiederum zum Verkauf anbot; es ist also keine leere Drohung, die da im Raum steht, wenn man an diesem schönen Projekt teilhaben, sich aber nicht an die Regeln halten will. Ich glaube aber, meine Flaschen erhalten einst ein gutes neues Zuhause bei Menschen, die dann zu schätzen wissen, welche Rumgeschichte sie da zu trinken bekommen. Und wenn nicht, nun, dann wird in zwei Jahrzehnten von jetzt an halt jemand die teuerste und reichhaltigste Rumcola trinken, die die Welt je gesehen hat.