Kosteneffizienz – Patrón Silver Tequila

Patrón Silver Tequila Titel

Ich hatte das Thema schon vor ein paar Jahren angesprochen: Kaum eine Spirituose verdient ihren Ruf so wenig wie Tequila, daran scheint sich aber seltsamerweise kaum etwas zu ändern. Neulich erst habe ich bei Facebook eine Umfrage gesehen, bei der diese Frage gestellt wurde: „Von welchem Essen/Getränk war Dir schonmal so schlecht, dass Du es bis heute nicht mehr sehen kannst?“ Ich habe die über 5000 Kommentarantworten ein bisschen durchgescrollt, und Tequila kam so oft vor, dass ich beinahe in Tränen ausgebrochen wäre, denn ein guter Tequila ist für mich mit das Beste, was die Spirituosenwelt zu bieten hat. Und es gibt 2021 auch überhaupt nicht mehr die Ausrede, dass in Deutschland ja nur der schlechte Stoff erhältlich ist, im Gegenteil: man kommt hier an Topqualitäten ohne Mühe ran, muss also keinen Kopfwehmixto im Supermarktregal mehr kaufen, sondern hat Zugriff auf eine riesige Auswahl an 100%-de-Agave-Tequilas aus allen Preisbereichen. Wie zum Beispiel den Patrón Silver Tequila.

Interessant an diesem Tequila ist, dass er aus zwei Komponenten besteht: Ein Teil der Agavenherzen wurde traditionell mit Tahona (also einem klassischen Mühlstein) zerkleinert, der andere Teil stammt aus höher mechanisierter Herstellung. Das ist, so vermute ich, ein Kostenfaktor, denn für mich persönlich würde ich die Tahonaproduktion in jedem Fall vorziehen, aber ein kostenorientierter Brenner sieht das natürlich andersrum. Anders als damit kann ich mir das Vorgehen nicht erklären, bei mir gehen bei derartigen Verfahren schon vorab ein paar kleine Warnlämpchen an, immerhin kann man so mit dem traditionsreichen Verfahren werben, hat aber nicht den vollen Aufwand. Nun, in dubio pro reo, auch wenn das in der Schattenwelt der Spirituosenbranche eigentlich kein Hersteller verdient. Ein Gläschen davon soll Klarheit bringen, wie sich das alles geschmacklich niederschlägt.

Patrón Silver Tequila

Wie wir es für einen Blanco natürlich erwarten, ist auch dieser Tequila kristallklar, ohne jeden Einschluss oder Fehler. Beim Schwenken wirkt er nur leicht ölig, viele, schnell ablaufende Beine zeigen dies deutlicher.

In der Nase ist von Anfang an die Agave dominierend, da wird nicht viel herumgespielt. Würzig, dabei aber süß, mit sehr ausgeprägter Mineralität und pflanzlicher Vegetalität. Frisch geschnittene grüne Blätter, ein Anflug von rauchiger Kohle. Flieder und Veilchen sind die zweite Schicht, mir gefällt diese aromatische Entwicklung hin zur Floralität sehr. Der Eindruck wird am Ende durch eine etwas zu deutliche Ethanolnote, die sich in einem Alkoholhauch und leichtem Nasenzwicken äußert, getrübt, das ist sehr schade.

Patrón Silver Tequila Glas

Der Antrunk wirkt weich und mild, eine schöne Textur legt sich auf den Gaumen. Geschmacklich ist hier eher Erdigkeit, würzige Kräuter und etwas Brotteig vorherrschend, ein doch erstaunlicher Wechsel weg von den Eindrücken der Nase. Cremig und körpervoll, aber aromatisch dann doch etwas zurückhaltend, auch wenn auch hier die Agave klar erkennbar bleibt. Leichte Ingwerschärfe kämpft gegen die schwere Süße an. Der Abgang fühlt sich mittellang an, wird im Verlauf immer würziger, gegen Ende schon deutlich salzig. Warm und trocken: durchaus angenehm, aber auch hier kommt gegen Ende der Alkohol etwas zum Vorschein, bei 40% müsste das nicht sein. Schön brummend und fett, wie die Biene, die als Firmenlogo dient, aber insgesamt dann doch etwas oberflächlich.

Das kann man in einem Cocktail aber leicht ausgleichen: Im Los Altos verbindet sich Tequila und Mezcal, und sorgt damit für etwas zusätzliche Aromatik, die sich besser gegen Saft und Verdünnung mit Sprudel durchsetzt. Ich trinke nicht oft Longdrinks, weil sie mir oft zu langweilig und eindimensional sind, aber sowas hier – das hat Wumms, macht Spaß und ist trotzdem eher easy drinking für den Sonntagnachmittag auf der Terrasse oder dem Balkon.

Los Altos Cocktail


Los Altos
1½ oz Tequila blanco
½ oz Mezcal
1½ oz Ananassaft
½ oz Limettensaft
½ oz Zuckersirup
Auf Eis shaken. Auf Eis abseihen. Mit Sprudel aufgießen.
[Rezept nach Dave Molyneux]


Die Flasche selbst – die ist zwar für Barbedürfnisse wahrscheinlich schrecklich unhandlich, aber mir sagt sowas irgendwie zu. Klein, gedrungen, bauchig, man sieht die vielen Einschlüsse aus kleinen Luftblasen im Glas, dazu mit kugelförmigen Stöpsel versehen, das wirkt zumindest handgemacht. Dazu ist auf der Rückseite ein Minietikett mit einer tatsächlich von Hand eingetragenen Seriennummer. Der bunte Blechkasten, in dem die Flasche aus der Limited Edition zu mir kam, ist dann ein kleines i-Tüpfelchen, mit mexikanischen Illustrationen in leicht abstrahiertem Stil versehen. Ich gehe davon aus, dass viele Flaschen schon allein deswegen verkauft werden; das Marketing zahlt sich dann aus.

Man legt heutzutage rund 40€ für dieses Produkt auf den Tisch, das ist für einen gut gemachten 100%-de-Agave-Tequila ein akzeptabler Preis, selbst wenn der Brenner inzwischen zu einem großen Konzern wie Bacardí gehört, etwas, worauf ich in letzter Zeit mehr achte als zuvor. Ob man sich nun für die limitierte Luxusaufmachung oder die einfache normalen Präsentation entscheidet, der Inhalt ist schließlich derselbe: Für die Heimbar taugt der Patrón Silver jedenfalls, vielleicht eher als Zutat in Tequilacocktails denn als Purgenuss. Dieser Tequila ist irgendwie Opfer des oben schon angesprochenen erweiterten Angebots, das sich inzwischen bezüglich Agavenbränden hierzulande auftut: Vor 5 Jahren wäre ich schwer begeistert gewesen, heute bekomme ich dann aber doch Spannenderes leicht auch in Deutschland zum selben Preis.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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